Es freut mich sehr, als kleines Pfingstwunder auf KRAUTJUNKER dieses wunderbare Gedicht von Christian Maintz veröffentlichten zu dürfen. Illustriert wird es von einem ebenfalls großartigen Gemälde, welches Michael Sowa mit dem Titel „Lieber lesen!“ für den Kunstmann Verlag geschaffen hat und das seit Jahren meine Wohnung verschönert.
Auf den ersten Blick überraschend, empfinde die Kombination als ganz passend, da Künste wie Poesie wie Kochkunst Genießer über nahezu jede Katastrophe trösten und in höhere Sphäre heben können. Hier gelingt es uns, das Elend der Welt hinter uns zu lassen und in das große kosmische Begreifen einzutauchen. Dies wiederum passt zum heutigen Beginn des Pfingstfestes, bei dem die Christen das erhellende Wirken des Heiligen Geistes feiern. Ein Fest, welches zuvor ein jüdisches Erntedankfest war. Dies verbindet die beiden Philosophen der Aufklärung, die in diesem Gedicht genannt werden: Den Christen Immanuel Kant (* 1724 ; † 1804 ) und den Juden Moses Mendelssohn (* 1729; † 1786). Kant und Mendelssohn haben sich seinerzeit übrigens tatsächlich Briefe geschrieben (http://www.textlog.de/35647.html), welche die Aufklärung vorantrieben und zum Glanz des deutschen Geistesleben beitrugen. Das Thema Kulinarik klammerten sie leider aus, weswegen wir in dieser Kunst immer noch beim Aufholen sind.
von Christian Maintz
Briefe deutscher Denker – FOLGE I: IMMANUEL KANT
Kant schrieb einst an Mendelssohn
(Denn noch war das Telefon
Nicht erfunden): „Lieber Moses,
Heut` ist mir was Kurioses
Widerfahren; lies und staune
Ob des Schicksals kecker Laune.
Heute Mittag um halb eins
Aß ich Sauerkraut mit Schweins-
Keule und Kartoffelbrei,
Zwiebeln waren auch dabei.
Doch der Clou kam hinterher:
Ein Mirakel von Dessert!
Unter uns, ein gutes Essen
Lässt mich jede Pflicht vergessen.
Was ist schon Vernunftkritik
Gegen Ente in Aspik?
Was sind alle Deduktionen
Gegen Hammelfleisch mit Bohnen?
Was sind schließlich Ruhm und Größe
Gegen Königsberger Klöße?
Doch zurück zu dem Dessert
Es zu schildern fällt mir schwer
Glaub mir, Moses, nie vordem
Hat mich eine Erdbeercreme
So begeistert, so beglückt;
So dem Raum, der Zeit entrückt.
Ein Geschmack! So fruchtig-süß
Und so cremig überdies!
Schon der erste Löffel war
Ein Erlebnis, wunderbar,
Schier erhaben, ja vollkommen,
Anfangs war ich ganz benommen,
Dann jedoch durchfuhr es mich:
So schmeckt nur das Ding an sich;
Dieses ist das Absolute;
Ist die Wahrheit: Ich vermute,
Wenn ich auch kein Fachmann bin:
Da war reichlich Sahne drin.
Wie auch immer, bleib` gesund,
Grüß mir Deine Gattin und
Lass mal von Dir hören, gell?
Herzlichst, Dein Immanuel
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Anmerkungen
Von KRAUTJUNKER existiert eine Gruppe bei Facebook.
Titel: Liebe in Lokalen
Autor: Christian Maintz -> http://www.christianmaintz.de/
Verlag: Verlag Antje Kunstmann GmbH
Verlagslink: https://www.kunstmann.de/buch/christian_maintz-liebe_in_lokalen-9783956140938/t-0/
ISBN: 978-3956140938
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Bereits veröffentlichte Leseproben:
https://krautjunker.com/2018/02/02/aus-dem-liebesleben-der-tiere-heute-das-wildschwein/
https://krautjunker.com/2018/02/17/die-rebhuhnjagd/
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Titelbild des Blogbeitrages: Michael Sowa http://www.michael-sowa-art.de/
Herrliches Gedicht! Man sieht, dass auch Menschen. die in den Wolken schweben, mit beiden Beinen auf dem Boden stehen, wenn es ums Essen geht!
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Sehe ich auch so, denn:
Was sind schließlich Ruhm und Größe
Gegen Königsberger Klöße?
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