Buchvorstellung von André Brüggemann
Vor mir auf dem Tisch liegt die vierte Auflage von „Das wahre Leben der Bäume“ von Torben Halbe. Hardcover, ca. DinA5 groß, rund 190 Seiten stark.

Der Buchtitel lässt mich kurz innehalten, kommt mir seltsam bekannt vor. Aber nein, was mir durch den Kopf geht, ist Das geheime Leben der Bäume, das Buch des Försters Peter Wohlleben, welches sich wochenlang in den Bestsellerlisten hielt. Ist diese Ähnlichkeit Zufall? Nein, wie sich beim Lesen des Vorworts bzw. der Einleitung herausstellt. Wohlleben schreibt über Bäume, die miteinander kommunizieren; Bäume, die ihren Nachwuchs sowie alte und kranke Nachbarn liebevoll umsorgen und pflegen; Bäume, die Empfindungen Gefühle und ein Gedächtnis haben. Das kam beim breiten Publikum gut an und bescherte Wohlleben zahlreiche Auftritte in TV-Shows. Die Fachwelt hingegen war skeptisch, sogar ablehnend. Viele Aussagen Wohllebens sind unwissenschaftlich und nicht haltbar, wie der emeritierte Professor für Pflanzenwissenschaften Nikolaus Amrhein in seinem Vorwort zu Das wahre Leben der Bäume schreibt. Genau hier setzt Torben Halbe an. Er möchte die Aussagen Wohllebens widerlegen. Wie Halbe selbst schreibt, wäre das für jeden Interessierten mit ein bisschen eigener Recherche leicht möglich, da ein jeder merken müsste, dass die wissenschaftlichen Erklärungen oft besser ineinander greifen als die Erzählungen eines Försters. Dennoch nimmt sich Halbe der Aufgabe an, da er in Sorge ist, dass es sich bei den Lesern Wohllebens eher um »eingebildete Umweltschützer“ handelt, die ein »simplifiziertes« Umweltbild haben, die allerdings die Auseinandersetzung mit den realen Umweltproblemen scheuen.
Was erwartet nun den Leser des Buches? Zunächst einmal Text. Nicht ungewöhnlich bei Büchern. Hier ist es jedoch viel Text. Viel Text in Blocksatz. Viel Text in Blocksatz ohne Abbildungen.

Das macht es dem Leser nicht unbedingt einfach, dem gut gemeinten Ansinnen Halbes zu folgen. Zwar hat das Buch laut Verlagsangabe »29 großartige Fotografien des bekannten Rothaarsteig-Fotografen Klaus-Peter Kappest«, hierbei handelt es sich jedoch nur um Hintergrundbilder der Kapitalüberschriften, so dass sie nicht dazu beitragen, den seitenlangen Fließtext aufzulockern. Darüber hinaus beinhaltet das Buch sieben Grafiken, um beispielsweise den Kohlenstoffkreislauf darzustellen; diese Grafiken befinden sich jedoch allesamt im Anhang am Ende des Buches.

Im Einzelnen greift Halbe Aussagen Wohllebens auf und widerlegt diese. Im ersten Teil Von Baum und Mensch werden die Themen Bäume und Wahrnehmung, Bäume und Bewusstsein, Bäume und Sprache, Bäume und Moral sowie der Unterschied zwischen Tieren und Pflanzen behandelt. Der zweite Teil Von Wald und Weltklima behandelt Themen wie CO2-Einlagerung oder Waldschäden.
Man merkt Halbe an, dass er pädagogisch geschult ist und Erfahrung als Lehrer hat: Er verwendet eine bildreiche Sprache, um dem Leser komplexe Sachverhalte darzustellen (»Machen wir ein Gedankenexperiment. Stellen Sie sich vor…«).

Dabei geht es in dem Buch keinesfalls nur hochwissenschaftlich zu. Halbe möchte den Leser zum kritischen Denken anregen. Das gelingt ihm oft schon dadurch, dass er Aussagen Wohllebens einfach hinterfragt: »Weshalb zum Beispiel sollten Bäume ihren Nachkommen dieselben Gefühle (wenn sie welche hätten) entgegenbringen, wie Menschen ihren Kindern? Eine Buche bildet laut Wohlleben zu ihren Mastjahren mindestens 30.000 Bucheckern aus, eine Pappel jährlich sogar 26 Millionen Samen (Seite 34)! Selbst ein bewusst agierendes Wesen wie der Mensch würde nicht jedem einzelnen Kind sonderlich viel Aufmerksamkeit und Liebe entgegenbringen können, wenn die Zahl der Nachkommen derart groß wäre«.

Oder: »Wohlleben zufolge müssten Bäume ständig unter Schmerzen leiden. Wenn Fressfeinde zuschlagen (S. 15 und 50), ein Fichtenstamm durch Austrocknung aufplatzt (S. 46), Sonnenlicht auf zarte Knospen fällt (S. 47) und natürlich, wenn sie gefällt werden. Doch ergibt eine solche Annahme überhaupt Sinn? Es hilft sich zu erinnern, dass die Natur uns zwar manchmal grausam erscheint, sich das bei genauerer Betrachtung aber nie als unnötig grausam verstehen lässt. Für uns beispielsweise ist Schmerz sehr unangenehm, aber wir empfinden ihn nur, weil er einen Sinn hat, und er ist so unangenehm, damit er diesen Sinn erfüllen kann: Er dient zur Vermeidung von Schäden durch Bewegung. Entweder, indem wir uns von einer Gefahrenquelle fortbewegen (im Fall des akuten Schmerzes), oder, indem wir einen verletzten Körperteil oder bei Krankheit den ganzen Körper schonen, also Bewegung vermeiden. Bäume können sich nicht bewegen. Sie können vor Gefahrenquellen weder weglaufen noch brauchen sie eine Motivation, um sich als Folge einer Verletzung oder Erkrankung wenig zu bewegen. Für Bäume wäre Schmerz also völlig sinnlos«.
Halbe geht aber auch auf Körperfunktionen und Prozesse wie Hören oder Denken ein und erläutert, warum dies bei Bäumen aufgrund der biologischen Rahmenbedingungen gar nicht möglich ist.

Wie bei wissenschaftlichen Arbeiten üblich, erfolgt die Bearbeitung der Themen unter Angabe von Quellen, so dass der Leser die Aussagen überprüfen und sich weiterführende Informationen verschaffen kann.
Fazit: Halbe setzt sich kritisch mit der Vermenschlichung der Bäume durch Wohlleben auseinander. Auch die vereinfachte Darstellung der Umweltbeziehungen durch Wohlleben wird hinterfragt. Bäume und Wald werden sachlich als das komplexe Ökosystem dargestellt, dass sie tatsächlich sind.
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André Brüggemann:

André Brüggemann ist passionierter Jäger, Hundeführer und Jagdhornbläser sowie begeisterter Hobbykoch und Genießer. Aufgrund seiner Tätigkeit als Steuerberater in eigener Kanzlei bleibt ihm dazu allerdings weniger Zeit, als ihm lieb wäre.
https://www.sdb-hameln.de/
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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Outdoor-Becher aus Emaille. Die Kontaktmail für Anfragen befindet sich im Weblog-Impressum.

Titel: Das wahre Leben der Bäume
Autor: Torben Halbe
Verlag: Woll Verlag
Verlagslink: https://woll-onlineshop.de/das-wahre-leben-der-baeume-torben-halbe/
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