Am vergangenen Freitag öffnete ich eine weitere Flasche aus dem Nachlass mit Nachgeschmack. Nicht nachmachen! Der gezeigte Stunt ist gefährlich und sollten nur von Profis in sicherer Umgebung ausgeführt werden.

Abb.: Etwas spätreif; Bildquelle: Ronald Searle’s Illustrierte Weinsprache
Château Jacques Noir 2002 – Saint-Émilion
Ein Wein wie eine gealterte Diva – stolz, dunkel, leicht sauer.
Aussehen der Flasche:
Goldener Reiter auf schwarzem Grund, gerahmt wie ein Erbstück. Pergamentpapier mit abgerissenem Rand, drei Schriftarten – gold, schwarz, rot. Die Aussage: Hochwohlgeboren.

Aussehen des Weines:
Im Glas präsentiert er sich schwarzrot, wie der alte Blutfleck auf dem Fußboden in Oscar Wildes Erzählung Das Gespenst von Canterville.
Duft:
Schwer brombeerig, mit einer deutlichen Säure in der Nase. Man meint fast, der Wein habe einen leicht säuerlichen Kommentar parat, noch bevor er den Gaumen erreicht. Erinnerungen an dunkles Beerenkompott, das zu lange in der Sonne stand.
Am Gaumen:
Die Süße ist vergangen, jetzt dicht und fordernd. Die Brombeere bleibt, aber sie ist nicht freundlich. Die Säure dominiert, die Tannine haben längst das Feld geräumt. Ein pfeffriger Abgang, wie ein letzter Liebesbiss, bei dem ein Zahn in Deinem Fleisch steckenbleibt.
Gesamteindruck:
Ein Gruß aus großer Vergangenheit. Man schmeckt die Grandezza vergangener Jahre. Die Diva lässt bitten – und beißt dann zu. Nicht alltäglich, nicht gefällig – aber unvergesslich.

Trinkfenster:
Längst geschlossen. Am besten vernagelt.
Empfehlung:
Passt gut zu: Lamentieren über den Untergang des Abendlandes und Käse, der schon vor Dir auf der Welt war.

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Porzellantassen. Weitere Informationen hier.

Titel: Ronald Searle`s Illustrierte Weinsprache
Illustrator: Ronald Searle
Verlag: Gerstenberg Verlag, 1984
ISBN: 978-3806730074
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