Gyotaku, wörtlich übersetzt Fischdruck, ist eine von mehreren einzigartigen Kulturtechniken aus Japans Edo-Epoche. Diese Zeit ist den meisten Deutschen meiner Generation (westdeutscher Jahrgang 1970) von der Fernseh-Serie Shogun mit dem schwulen Womanizer Richard Chamberlain ein Begriff.

Aus den vorangegangenen blutigen Einigungskriegen zwischen 1467 und 1568, welche als die Zeit der streitenden Reiche (1467 bis 1568) bezeichnet wird, ging Tokugawa Ieyasu als Sieger hervor.

Als Shōgun wurde er der Stellvertreter des Tennō (Himmlischer Herrscher) und oberster Feldherr Japans. Um dem Kaiserhaus in Kyōto die Einflussmöglichkeiten auf den Regierungsapparat zu nehmen, machte er das vorher unbedeutende Fischerdorf Edo, heute Tōkyō, zu seinem Regierungssitz. In der Folge entwickelte sich Edo zu einer der bevölkerungsreichsten Städte der Welt.

Die herrschenden Tokugawa-Shogune schotteten das Land nach außen weitestgehend ab. Im Anschluss daran entwickelte und vertiefte sich die japanische Kultur weitgehend ohne ausländische Einflüsse.
Neben kulturellen Einflüssen von außen wurde der internationale Handel minimiert. Es konnten nur Ressourcen aus Japan verbraucht werden.
Die Edo-Zeit wird verständlicherweise häufig verklärt und romantisiert, denn es war eine lange Friedensepoche, in der die Bevölkerung stark wuchs und die Lebensqualität sowie die Handwerkskünste erblühten. Viel von dem, was Japan jetzt einzigartig macht, wurde seinerzeit ausgeprägt.

Andererseits stagnierte die Gesellschaft in technologischer Rückständigkeit und feudalistischen Gesellschaftsstrukturen. Weder humanistisches noch demokratisches oder wissenschaftliches Denken des christlichen Westens fanden Einzug nach Japan. Zum Schluss führte der Mangel an Außenkontakten zu einer Erstarrung, bis die vier Kriegsschiffe des US-Commodore Perry Japan zur Öffnung zwangen.

Das steigenden Angebot an frischem Hochseefisch inspirierte in Edo Köche im Restaurant Kodai Suzume-zushi Sushiman die heutige Form des Nigiri-Sushi zu entwickeln.

Ursprünglich war das an den Ufern des südostasiatischen Flusses Mekong erfundene Einlegen von Süsswasserfisch in gekochtem Reis nur eine Methode, Fisch kontrolliert zu fermentieren und somit haltbar zu machen.
Bonsai, die japanische Spielart einer fernöstlichen Art der Topfkultivierung von Bäumen erfuhr durch das Vorbild des damaligen Shogun Tokugawa Iemitsu (1604–1651) einen starken Aufschwung und mit dem bizarren Oktopus-Stil eine spezielle Ausprägung.
Während Literatur und Bühnenkunst der Edo-Epoche im Westen weitgehend unbekannt sind, hat Ukiyo-e, der japanischen Holzschnitt, auch die moderne Kunst inspiriert. Katsushika Hokusais Große Welle vor Kanagawa ist eines der bekanntesten japanischen Kunstwerke.

Gyotaku, eine Form des Naturdrucks und gewissermaßen die japanische Art der Tierpräparation, diente Hochseefischern ursprünglich dazu, besonders spektakuläre Fänge zu dokumentieren. Im Laufe der Jahrhunderte hat es sich international zu einer eigenen Kunstform entwickelt.

Im April 2021 postete Bertram Graf v. Quadt in der Facebookgruppe des KRAUTJUNKER einen Beitrag, in dem er auf Gyotaku aufmerksam machte (An dieser Stelle möchte ich auch auf seinen hervorragenden Blog Wykradt aufmerksam machen, ebenso auf seine Hörbücher bei Spotify). Ein Freund verehrte ihm einen Fischdruck, seitdem hatte er angefangen, selbst zu sammeln.
Die Idee hat mich begeistert, aber wie es so in einem Leben ist, in dem man manchmal zu viele Bälle gleichzeitig jonglieren muss, schob ich sie nach hinten. Anfang 2023 ploppte sie wieder zwischen meinen Ohren auf, da war jedoch in meinen Vereinsgewässern Schonzeit.
Am 1. Juni fängt in meinen Vereinsgewässern die Spinnfisch-Saison an. Am 5. Juni 2023 später konnte ich mit eine Stunde fürs Angeln abknapsen und schnappte mir ein leichtes Spinnfischerset, bestehend aus einer Rute vom Typ Daiwa Ninja Spin (Länge: 2,10 m, Wurfgewicht 3-15 g), einer Rolle vom Typ Daiwa Freams LT 3000 und fuhr zu den Golfplatzteichen Pödinghausen bei Enger. Die Hälfte der Zeit war ich damit beschäftigt, Schnurperrücken aufzudröseln und neue Vorfächer zu knoten, aber in der restlichen Zeit biss um Viertel vor zehn ein 53 cm langer Hecht an meinen Mepps-Spinner Gr. 3.

Die Informationslage zur Verarbeitung ist leider etwas übersichtlich. Es gibt zwar einige englischsprachige Filme im Internet, aber kaum Texte, denen man Produktempfehlungen und Mischungsverhältnisse der Tinte entnehmen kann. Das einzige erhältliche Buch Gyotaku: The Art and Technique of the Japanese Fish Print ist mir mit 517 € zu teuer.

Laut Wikipedia und anderer Websites werden Sumi-e-Tinte und Washi-Papier verwendet. In dem zuvor erwähnten Film sowie auf anderen Websites nimmt man Sepia-Tinte und Reispapier. Hier noch ein Film:
Bei den Reispapieren gibt es eine große Auswahl. Als Nichtjapaner steht man erst einmal da, wie der Ochs vorm Berg, oder besser der Wasserbüffel vor dem Fudschijama. In Deutschland fand ich im Internet nur einen Künstler, Olaf Altmann mit seiner Website Fish Print.

Ich rief ihn spontan an und möchte mich an dieser Stelle für das nette Telefonat bedanken. Allerdings verwendet er Seide und als Farbe Acryl. Sieht großartig aus, ich wollte aber mit der traditionellen Variante starten.
Zwischenzeitlich erwarb ich folgende Produkte:
Pinsel für japanische Kunst
Meersalz
Reispapier
500 g Sepia-Tinte

Den Hecht rieb ich zuerst mit Wasser und Meersalz ab, damit er die Schleimschicht verliert, welche sein Schuppenkleid im Wasser vor Verletzungen wie Pilzinfektionen und Umwelteinflüssen schützt.

Anschließend pinselte ich ihn mit Sepia ein. Zuerst dickflüssig unverdünnt, dann immer stärker verdünnt.

Die ersten Ergebnisse waren jedoch ernüchternd.


Die nächsten Abdrucke wurden besser, als ich die zähflüssige Sepia mit immer mehr Wasser verdünnte und nach dem Einpinseln den zweiten Abdruck verwendete.

Richtig zufrieden bin ich noch nicht mit den Ergebnissen meiner vielleicht dreistündigen Aktion.

Es wäre allerdings vermessen zu erwarten, dass ich gleich innerhalb der ersten Stunden großartige Kunstwerke erschaffen könnte. Ob der Pinsel und das Reispapier von der richtigen Qualität sind, kann ich nicht sagen, da mir der Vergleich fehlt. Die 500 ml Sepia waren auf jeden Fall zu viel. Mir war bloss bange, dass ich mit dem ganzen Zirkus anfange und es nicht reicht. Vermutlich wären aber auch 50 ml genug gewesen. Von daher werde ich bei Gelegenheit einen zweiten Anlauf nehmen. Für Tipps und Informationen bin ich dankbar.

Wer sich für das Thema interessiert oder ein Gyotaku-Kunstwerk kaufen möchte, stöbere auf den Websites von Olaf Altmann oder Igor Gribov herum.



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Anmerkungen

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