Afrikanische Rauchopfer

von Tim Wesly Hendrix

Jeder kennt Zigarren, die meisten haben sie auch schon einmal probiert. Dabei ist es dann auch geblieben. Doch manchmal entwickelt sich aus diesem ersten Versuch eine Leidenschaft.

In meinem Fall ist meine Großmutter an dieser Leidenschaft schuld. Nicht, dass sie es absichtlich gemacht hätte, aber ohne sie wäre es vielleicht bei einer Independence von der Tankstelle und damit ewiger Rauchabstienz geblieben – meine Frau hätte es nicht gestört.

Aber leider hatte meine Großmutter es sich in den Kopf gesetzt mir dann doch ein wenig mehr Bildung in den sturen Schädel zu treiben, als meine Eltern dies für nötig gehalten hätten. Neben Besuchen im Museum oder heimischen Kursen in Etikette förderte sie meine Liebe für Bücher und so erhielt ich zum 13. Geburtstag einen Klassiker der modernen Herrenliteratur: Der Gentleman von Bernhard Roetzel.

Dieses Meisterwerk ist heute in ungezählten Auflagen erhältlich. Ich habe aber ehrlich gesagt Angst eine dieser auch nur zu durchblättern. Was wäre, wenn die schönsten Seiten, in unserer auf Gesundheitsoptimierung ausgerichteten Zeit, fehlen würden? Denn kurz und knapp auf zwei Seiten beschrieb Roetzel die Freuden des Rauchens. Für mich als frühpubertierenden Jungen war daher klar. „Rauchen muss sein. Aber natürlich mit Stil“.

Doch waren die Gesetzte in den 1990ern bereits so drakonisch streng, dass mir drei Jahre fehlten, um legal an das ersehnte Gut zu gelangen. Nun bin ich leider nicht sehr geduldig in solchen Dingen und beschloss, dass Justitia nicht umsonst eine Augenbinde trug. So zog es mich zum örtlichen Zigarrenladen.

In dem Moment, in dem sich die Tür hinter mir schloss, war es um mich geschehen. Dieser Geruch nach Tabakwaren aller Art, die Zahlreichen Zigarren, Pfeifen und Assessors. Kunstvoll bemalte Banderolen, goldene Siegel. Dieser Ort war, und ist es auch heute noch, ein Tempel. Das wir von einer anderen Zeit reden wird daher deutlich, dass der Tabakwarenhändler keinerlei Bedenken hatte, mir für meinen Vater Zigarren, einen Anschneider und ein schickes ledernes Etui zu verkaufen. Also alles, was der angehende Herr von Welt für den klassischen Genuss der Zigarre brauchte. Ich setzte mich mit meiner Beute in den Wald und genoss meine erste Zigarre – und war die erste Zigarette, heimlich in eben diesem Wald geraucht, noch eine Qual gewesen, die mir das Rauchen hätte vergrämen können, so war diese erste Zigarre eine Offenbarung. Seitdem hält mich guter Tabak in seinem Bann.

Auch wenn mehr als zwei Jahrzehnte vergangen sind und der alte Tabakladen einem Handyshop gewichen ist – die Magie der Zigarre ist geblieben.

Nun habe ich in Bergheim bei Köln zum Glück einen neuen Tempel gefunden, der mich schon seit einigen Jahren bereitwillig mit Rauchwerk ausstattet. Bei meinen regelmäßigen Besuchen stelle ich stehts zwei Fragen: Habt ihr etwas Großformatiges aus Kuba da? Dies wird meistens verneint. Und habt ihr etwas Neues da? Dies wiederum wird meistens bejaht, und über eine dieser neuen Zigarren will ich nun schreiben.

Bildquelle: Tim Wesly Hendrix

Dass das Wasser von Afrika einen gewissen Suchfaktor inne wohnt, ist hinreichend bekannt, doch trifft dies scheinbar auch auf andere Erzeugnisse des Kontinents zu. Die Bongani kommt in drei Größen daher, deren Größte für einen entspannten Abend sorgt, und wird komplett in Mozambique hergestellt. Ich hoffe nur inständig, dass diese, mit goldenem Elefanten versehene, Trophäe nicht durch die Rot-Grüne Regierung ebenso verbannt wird, wie ihr auf der Jagd erlegtes Totem. Sicher bin ich mir in Zeiten des Moralkolonialismus nicht.

Bildquelle: Tim Wesly Hendrix

Bereits vor dem Rauchen lohnt es sich, an der schönen Afrikanerin zu riechen. Der vollmundige Tabak verströmt einen erdigen Geruch, mit einem Hauch von Leder und Kaffeebohnen gepaart. Die Deckblätter stammen aus Kamerun, die Einlagetabake hingegen aus Simbabwe und Mosambik. Nun ist der Tabak Anbau nichts neues in Afrika. Bisher ging ein Großteil der Produktion aber zur Verarbeitung ins Ausland. Gerade China kauft aus Ländern wie Malawi und Simbabwe große Mengen Rohtabaks auf. Nun versucht Bongani sich direkt an den Endkunden zu wenden und nimmt die Produktion von Zigarren in die eigenen Hände.

Zündet man die ölig glänzende Zigarre an und lässt den kühlen Rauch über den Gaumen streichen, entfalten sich komplexe Noten. Holz, Erde ein kleiner Hauch von Torf. Nun hat man bequem eine Stunde Zeit, um seine Sinne schweifen zu lassen. Für mich heißt dies oft in Erinnerungen schwelgen. Eine Bongani schmeckt für mich dabei wie ein Lagerfeuer in Madagaskar. Man kann förmlich die afrikanische Abendsonne auf dem heißen Sandboden fühlen, das Lagerfeuer hören, die kalte Luft nach einem heißen Tag spüren. Dabei enttäuscht die Zigarre auch dann nicht, wenn sich ihre Zeit dem Ende zuneigt. Manche Zigarren wollen, dass man sie nur teilweise raucht, andere werden erst richtig gut, wenn sie sich ein wenig erwärmt haben, die Bongani fängt mit dem kühlen Rauch und sanften Noten an, wird dann im Verlauf kräftiger und vollmundig, schließt schlussendlich beinahe schokoladig ab.

Bildquelle: Tim Wesly Hendrix

Bongani lässt sich ins Deutsche am besten als Imperativ übertragen: „Sei dankbar“. In der Tat sollte man dankbar für solche Zigarren sein. Oft findet man einen so vielversprechenden Neuling nicht.

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Dr. Tim Wesly Hendrix

Tims Frau beschreibt ihn so: „Der ist einfach ein wenig verrückt“ würde sie sagen. Nun liegt das Genie nah am Irrsinn, er nimmt das also als Kompliment.

Aus dem Bergischen kommend zog es ihn in die weite Welt zum Studium – also nicht ganz so weit weg vielleicht – nach Köln. Mit Zwischenstation in Edinburgh beurteilte ihn dann eine Reihe von Professoren als soweit gereift, um ihm den Doktortitel im Fach Kunstgeschichte zu verleihen. Man möge es ihnen verzeihen. Nebenbei gab es dann noch einen Master in Anglophone Literature – was wiederum nichts anderes ist als das schnöde Anglistik Studium vergangener Tage.

Man sieht also, Tim ist den britischen Inseln und der englischen Sprache sehr zu getan. Seine Frau fragt ihn schon nicht mehr, wo der Jahresurlaub seiner Meinung nach hingehen soll, die Antwort ist ihr hinreichend bekannt. Schottland mit seiner raue, poetischen Westküste hat ihn so in den Bann gezogen, dass er dort jeden Urlaub verbringen könnte.

Das heißt nicht, dass er die anderen Länder nicht wertschätzt – aber keines, nicht einmal die berühmten Wasser Afrikas – haben ihn so vollkommen einnehmen können.

Das spiegelt sich auch in der Leidenschaft für Whisky nieder, obwohl er einem guten Wein auch nicht abgeneigt ist. Kommt dann noch eine Zigarre, oder eine seiner geliebten Pfeifen dazu – das ist wahrer Es(s)kapismus für ihn.

Früh schon zog es ihn ans Wasser, um den heimischen Forellen in kleinen Bergbächen nachzustellen und auch heute noch schwingt er gelegentlich seine Fliegenrute. Was gibt es auch schöneres, als bei ausreichend Wind an einem Bach auf einer Hebrideninsel zu stehen und Fliegen aus der Vegetation zu befreien?

Das seine Hardy Ruten nur noch gelegentlich genutzt werden, liegt vor allem an seiner wohl größten Passion: Der Jagd.

Sie war immer irgendwie da. Schon als kleiner Junge vor der beeindruckenden Wand seines Großonkels. So richtig hat er aber erst vor relativ kurzer Zeit zu ihr gefunden. Dies konnte er freilich durch Eifer, seine Frau spricht von manischem Zwang, ausgleichen.

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Anmerkungen

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