Rezeptvorstellung von Yvonne Graf
Nach anfänglicher Skepsis wie denn bitte Spinat mit Wurstbrät (Pastin) und Ziegenkäsecreme schmecken soll, habe ich mich entschieden, dem Ganzen einfach eine ehrliche Chance zu geben (so ging es mir auch damals mit Shakshuka. Wie kann man Eier in Tomatensauce zum Frühstück essen?).
Also fing ich an erstmal die Zutaten einzukaufen. Da ging das Dilemma schon los, denn in klassischen italienischen Rezepten ist die Pastin nicht einfach nur Wurstbrät sondern eben eine Pastin. Ich habe mich dazu entschieden Wurstbrät einer klassischen Salsiccia herzustellen. Dazu benötigt man nur frisches Schweinefleisch von Bauch und Nacken, etwas Salz, Pfeffer, Fenchel und eine Nuance Knoblauch sowie trockenen Weißwein. Das ganze durch den Fleischwolf gedreht und fröhlich auf Bindung gemengt (solange kneten, bis es ordentlich an den Fingern klebt).
Das Ganze briet ich knusprig und entgegen der Rezeptempfehlung, das Fett des Bratvorgangs wegzugießen, bewahrte ich es auf.

Das kam im nächsten Schritt nämlich in die Vellutata zu Deutsch Cremesuppe. Dazu wurden jetzt ein paar kleine Kartoffeln weichgekocht sowie der Spinat blachiert. An dieser Stelle hatte ich ein Problem mit der Definition… Im Rezept steht »Spinat und Kartoffeln in einen Topf geben und anschließend pürieren.« Mein Dilemma war folgendes: Drücke ich den Spinat aus oder nicht? Wieviel Flüssigkeit brauch eine Vellutata wirklich? Ich habe mich dazu entschieden den Spinat etwas auszudrücken, aber nicht vollends.
Jetzt kam das vom Rezept verschmähte Bratfett zum Einsatz, das habe ich nämlich zusammen mit der Sahne beim Pürieren dazugegeben. Und ich würde es jederzeit wieder so machen.
Der Ziegenkäse war mein Endgegner, wollte er doch so gar nicht in meine geistige Kombination von Spinat und Bratwurst passen, aber ich sag es Euch wie es ist: einfach der Oberhammer! Nie mehr werde ich schon vorher denken, „ist das Euer Ernst?“ Einfach machen und probieren! Das Brot habe ich an dieser Stelle nicht selbstgebacken, sondern beim Bäcker meines Vertrauens gekauft, ein fabelhaftes Zwiebelciabatta… Und nachdem ich das Brot mit dem Knoblauch versorgt hatte und das Ganze, benetzt mit bestem italienischen Olivenöl, im Ofen ordentlich angeröstet hatte, roch es wie im Urlaub in Venedig.

Nach Wein, Knoblauch, Wurst und langen Sommerabenden an der Adria… Noch ein paar Cicchetti dazu und man hört die Gondolieri singen….
Ich bin begeistert von diesem einfachen und doch so vielschichtigen Rezept…. Die Texturen sind ein Traum: cremige Suppe, herzhafte knusprige Bratwurststücke , weicher vollmundiger Ziegenkäse und das herrlich geröstete Knoblauchbrot, welches alles zusammenhält.Unbedingt ausprobieren!

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Rezept für 4 Personen
800 g Blattspinat, geputzt
200 g Kartoffeln, gekocht
150 g Sahne
150 g Pastin (gewürztes Wurstbrät), in Stücken
1 Weizenbaguette, in 1 x 1 cm großen Würfeln
150 ml natives Olivenöl extra
2 Knoblauchzehen, gehackt
10 g gehackte Chilischote
80 g Ziegenkäse
Salz
Zubereitung
Den Spinat 10 Minuten in kochendem Wasser blanchieren, abgießen und in Eiswasser abkühlen. Spinat und Kartoffeln in einen Topf geben, anschließend pürieren, salzen und 100 g Sahne hinzufügen. Leicht erwärmen und warmhalten.
Pastin in einer heißen Pfanne anbraten, das Fett abgießen.
Währenddessen die Brotwürfel mit einer Mischung aus Olivenöl, Knoblauch und Chili vermischen und mit Salz würzen. Auf ein Backblech geben und bei 160 °C 15 Minuten lang im Ofen backen.
Den Ziegenkäse mit den restlichen 50 g Sahne vermischen und in einen Spritzbeutel füllen.
Die Spinatsuppe mit Salz abschmecken und auf vier Suppenteller verteilen. Croûtons und das gebratene Pastin darüberstreuen, die Ziegenkäsecreme in Klecksen daraufspritzen und servieren

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von Christine Gräfin von der Pahlen
Durch die Ruga dei Orefici erreicht man den Campo San Giacomo di Rialto, wo sich die älteste Kirche von Venedig befindet. Die Venezianer nennen sie liebevoll San Giacometto, da sie sehr klein ist. Seit Jahr und Tag ist sie dem Schutzpatron der Marktleute vom Rialto gewidmet. Unter den Arkaden, die den Campo einrahmen, findet man den Eingang zum Bancogiro. Früher stand an dieser Stelle, wie der Name sagt, ein Geldinstitut, darüber hinaus eine große Lagerhalle für Zitrusfrüchte aus dem Orient. Das Gebäude wurde saniert und bietet inzwischen Raum für eine Handvoll angesagter Bars und Bistros. Eins davon hat den Namen Bancogiro übernommen. Die Räumlichkeiten im Parterre und im ersten Stock sind geschichtsträchtig, das Interieur modern.

Das Erdgeschoss beherrscht eine lange Theke mit einer Riesenauswahl Cicchetti, im ersten Stock speist man vor allem im Winter im Schutz eines alten Backsteingewölbes. Die absolute Sensation ist allerdings die große Terrasse, direkt am Ufer des Canal Grande. Man hat hier richtig viel Platz, die Tische sind locker verteilt, in der Mittagssonne werden große weiße Schirme auf- gespannt. Das Gastgeber-Trio Davide, Gianluca und Mauro kümmert sich um das Wohl der Gäste. In der Küche genießen Jacopo Capponi, Jacopo Zamboni und Andrea Masutti den Heimvorteil, dass sie mit drei Schritten auf dem Rialtomarkt sind, um spontan alles, was fehlt, frisch einzukaufen. Zu früheren Zeiten tätigten die wohlhabenden Venezianer unter den Arkaden Finanzgeschäfte im Auftrag ihrer Herrschaften, beglichen Schulden, lösten Kredite ein. Heute kommen Flaneure, die einen Morgenspaziergang machen oder schon einen Einkauf auf dem Rialtomarkt hinter sich haben, gern zum Frühstück vorbei. Auf der Terrasse zu sitzen, direkt am Ufer des Canal Grande, mit Cappuccino, Cornetto und Brioche, die Gondeln, Vaporetti, Motorboote zu beobachten und die Lastkähne, die um diese Zeit auf dem Weg zu ihren Kunden sind, ist einfach unbezahlbar. Am späten Vormittag bestellt man dann köstliche Kleinigkeiten wie Melanzane con piovra lardo, Gamberetti al curry e ricotta, Cozze e Bottarga oder eine Insalata tiepi-da di polipo zu einem der vielen guten offenen Weine. Was die Hauptgerichte betrifft, so wechselt die Karte mit dem aktuellen Marktangebot. Venezianische Klassiker werden immer wieder neu interpretiert – als Jakobsmuschelstrudel, Kaninchen mit Curry, Ziegenmilch, Nelkensauce und Artischocken oder Pasta mit Marsala-Béchamelsauce, geröstetetem Schweinebauch und Erbsen. Die köstlichen Desserts wie Il Tartufo Tartufato – Bayerische Creme mit Mascarpone, Kakao, Honig und schwarzem Trüffel – sind alle hausgemacht.

OSTERIA BANCOGIRO
CAMPO SAN GIACOMETTO
SAN POLO 122
+39 041-523 20 61
http://www.osteriabancogiro.it
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Christine Gräfin von der Pahlen

Für Christine von der Pahlen ist Reisen ihr Leben. Ihre Begeisterung teilte sie jahrelang im Reiseresort des Frauenmagazins Madame und auf ihrem persönlichen Blog. Angefangen hat sie als Moderedakteurin, die für Foto-Shootings um die Welt geschickt wurde. Schnell begann sie gleichzeitig Reisegeschichten zu schreiben und macht seitdem nichts anderes mehr.
https://www.callwey.de/christine-von-pahlen/
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Yvonne Graf

Nach beruflichen Stationen in der Fernmeldetechnik und einem Kinderbuchverlag ist die geborene Praktikerin in einer niedersächsischen Landschlachterei angekommen. Hier kann sie im Lebensmittelhandwerk zupacken und Kunden mit ehrlichen und gesundem Essen aus ihren Händen verzaubern. In ihrer Freizeit entspannt sich die Mutter mehrerer Kinder gerne in ihrem Gemüsegarten oder macht zur Abwechslung wieder leckeres Essen.
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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Tassen. Bestellinformationen findet Ihr hier: https://krautjunker.com/2024/12/16/krautjunker-tassen

Titel: Zu Gast in Venedig
Autorin: Christine Gräfin von der Pahlen
Fotograf: Mayk Wendt
Verlag: Callway
Verlagslink: https://www.callwey.de/buecher/zu-gast-in-venedig/
ISBN: 9783766727152
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