Der Fonds gourmand

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von Hilke Maunder

In unmittelbarer Nähe der Cité internationale de la gastronomie et du vin von Dijon birgt der Fonds gourmand die größte französische Sammlung von Büchern und Dokumenten zur Gastronomie und französischen Gourmetküche.

237: So viele Nudelgerichte hat Bartolomeo Scappi in seinem italienischen Kochbuch aus dem Jahr 1570 zusammengestellt. Scappi war der cuoco secreto, der Leibkoch von Papst Pius V. Sein Werk Opera ist eines der Juwelen, die im Fonds gourmand der Bibliothek von Dijon aufbewahrt werden.

Abb.: Blick in das Kapitel des Buches; Bildquelle: KRAUTJUNKER

Die einzigartige Sammlung befindet sich in einem Herrenhaus, das ab 1581 das Jesuitenkolleg Collège des Godrans barg. Sein Name erinnert an den Stifter Odinet Godran, einst Präsident des Parlaments von Burgund. 1708 zog die erste öffentliche Bibliothek in diese Mauern.

Abb.: 1708 zog die erste öffentliche Bibliothek in das ehemalige Jesuitenkolleg; Foto: Thomas Müller | MUELLER-foto.com

Und gut 200 Jahre später, 1909, wandelte sich die alte Kapelle – 13 Meter hoch und 30 Meter lang – zum prächtigen Lesesaal. Hier können Feinschmecker und Kochbegeisterte unter Gewölben und Spitzbögen an langen Tischen aus dunklem Holz die wertvollen Preziosen dieser GastroSchatzkammer in aller Ruhe studieren.

Abb.: Im Fonds gourmand lässt es sich in Ruhe in Kochbüchern schmökern, Bildquelle: Thomas Müller | MUELLER-foto.com

Quintessenz des Feinschmeckens
In den Gourmetbeständen der Bibliothek von Dijon findet man nahezu alle – von alten Druckstöcken, die Tafeln und Speisen aus vergangenen Jahrhunderten darstellen, bis hin zu den jüngsten Ausgaben kulinarischer Magazine, die sich den modernen »Frei von«- Trends bei Gluten, Laktose und Sulfit widmen, sowie zahlreichen japanischen Mangas über die Gastronomie.

Auch die Bücher der Sterneköche, von den Anfängen bis heute – etwa die ersten Werke berühmter Vorfahren wie Menon, Massialot, Carême, Escoffier oder Gouffé, der 1867 das erste französische Kochbuch in Farbe veröffentlichte–, sind in diesem reichen Fundus vorhanden. Jedes Jahr werden etwa 900 bis 1000 Werke neu in die Sammlung aufgenommen, deren Wurzeln einst Dr. Firmin Fleurot in Dijon legte.

Im November 1985 unterzeichnete die Stadtbibliothek Dijon im Zuge ihrer Spezialisierung eine Vereinbarung mit der französischen Nationalbibliothek in Paris. Seitdem ist der Fonds gourmand in Dijon die nationale Referenz in den Bereichen Küche und Önologie und bildet einen repräsentativen Querschnitt der kulinarischen Verlagswelt quer durch Moden und Zeiten ab.

Abb.: Blick in das Kapitel des Buches; Bildquelle: KRAUTJUNKER

18.000 Speisekarten
Neben alten Kochbüchern, Drucken, Künstlerbüchern und Zeitschriften mit insgesamt mehr als 30.000 kulinarischen Werken birgt der Fonds gourmand noch einen weiteren Schatz: eine der reichsten öffentlichen französischen Speisekartensammlungen.

Die ersten Speisekarten tauchten erst im 19. Jahrhundert auf, als sich der französische zum russischen Service wandelte. Standen beim französischen Service die Schüsseln und Schalen nach festgelegten Regeln auf dem Tisch, aus denen man sich bediente, servierten beim russischen Service nun Diener nacheinander die Speisen kunstvoll dekoriert auf Tellern. Die ersten Menükarten tauchten auf den Tischen der Oberschicht auf. In der Belle Époque wurde die Speisekarte zu einem unverzichtbaren Bestandteil von Geschäftsessen, Taufen, Hochzeiten, Geburtstagen und anderen Feierlichkeiten und gehörte genauso dazu wie das obligatorische Erinnerungsfoto.

1.200 Präsidentenmahle
Zu den Höhepunkten dieser Sammlung gehören die beiden Menükarten eines Festessens, das der iranisches Shah Reza Pahlavi im Oktober 1971 in Persépolis anlässlich des 2500. Jahrestages der Gründung des persischen Reiches gegeben hatte. Das erste Menü befand sich auf den eingedeckten Tischen für 600 Gäste. Für die 60 Ehrengäste, die per Losverfahren ausgewählt worden waren, gab es eine zweite Speisekarte. Im Fundus enthalten ist auch eine Speisekarte der Krönung von Zar Nikolaus II. im Jahr 1896. 2018 schenkte Guillaume Gomez, Küchenchef im Elysée-Palast, der Sammlung 1200 Präsidentenmenüs aus den Amtszeiten von Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy und François Hollande

Die Highlights des Fonds gourmand
Der Fonds bewahrt viele Schätze auf. Diese Dokumente sind für die Erforschung und Erhaltung des kulinarischen Erbes besonders wertvoll.

Mittelalterliche Buchmalereien
Einige der mittelalterlichen Manuskripte illustrieren Darstellungen von Mahlzeiten, so etwa Lazarus und das Mahl des schlechten Reichen oder eine Verteilung von Brot an die Armen in den Mélanges littéraires aus dem 14. Jahrhundert (Signatur: MS 525, f° 131v und 145bis, digitalisiert) sowie Festin à la cour d’Araptus in einer Sammlung französischer Opuskeln aus dem 14. Jahrhundert (Signatur: MS 526, f° 9, digitalisiert).

Livre des simples médecines
Bei diesem burgundischen Medizinmanuskript aus der Mitte des 15. Jahrhunderts handelt es sich um einen ins Französische übersetzten Text, den ursprünglich im 12. Jahrhundert Mattheus Plataire, Lehrer an der berühmten Medizinschule von Salerno, auf Latein verfasst hatte. Seine Rezepte sind mit zahlreichen Farbillustrationen geschmückt (Signatur: MS 391).

Jesuiten-Kochbücher für den Vatikan
De honesta voluptate ac valetudine von Bartolomeo Sacchi (genannt Battista Platina, auch Platine), Humanist und Leiter der Vatikanischen Bibliothek, ist eine Inkunabel in lateinischer Sprache. In ihr hat der Autor 170 der Rezepte von Maestro Martino, Koch an den Fürstenhöfen des 15. Jahrhunderts, die in seinem Libro de Arte Coquinaria veröffentlicht wurden, übernommen und mit seinen eigenen Überlegungen zur Ernährung, zum Wert regionaler Speisen und zum Nutzen regelmäßiger körperlicher Betätigung ergänzt (Signatur: 20350, Ausgabe 1499).

[Ende der Leseprobe. Jedoch nicht des Kapitels]

Abb.: Blick in das Kapitel des Buches; Bildquelle: KRAUTJUNKER

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Hilke Maunder

Bildquelle: Lara Joelle Maunder

Hilke Maunder wurde in Hamburg geboren, ging in England und den USA zur Schule, arbeitete in China, Vietnam, Russland und Australien – und verliebte sich doch in Frankreich. 15 Jahre jung, sauste sie das erste Mal mit dem legendären Nachtzug von der Hansestadt zur Gare du Nord nach Paris. Sie lernte Boule spielen, steckte ihre Fußspitzen in die Seine – und reiste dann mit ihrem Interrail-Ticket kreuz und quer durchs Land: zu den Pyrenäen, an den Atlantik, in die französischen Alpen und nach Burgund. Damals begann ihre tiefe, innige Liebe zu Frankreich, über das sie seit 2001 als Journalistin berichtet – für Print und Online, im Fernsehen und auf Vorträgen. Seit 2010 stellt sie auf ihrem Blog MeinFrankreich.com jede
Woche Reise- und Gastrotipps, Nettes und Neues ausvihrer zweiten Heimat vor. 2014 wurde HilkevMaundervfür ihre Berichterstattung mit der Médaille de Tourismevvom französischen Staat ausgezeichnet.

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Emaille und Porzellan. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel: Burgund: Coq au Vin & Chardonnay: Rezepte & Geschichten aus der Bourgogne

Autorin: Hilke Maunder

Fotograf: Thomas Müller MUELLER-foto.com

Verlag: Christian

Verlagslink: https://verlagshaus24.de/burgund

ISBN: 9783959617512

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Bereits veröffentlichte Leseproben aus dem Buch:

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