Auf die Bäume, Ihr Jäger

von Rolf D. Baldus

Mit einer letzten Geschichte will ich den Bericht über Büffelattacken abschließen. Wir unternehmen eine Safari am Fluss Matandu in Südtansania. Von der Ladefläche des Autos aus sehen wir in weiter Entfernung im hohen Gras einen Büffel ziehen. Wir steigen ab, laden die Büchsen und ziehen los. Meinem alten Wildhüter Mzee Ndauka gebe ich die SIG-Sauer-Pistole P 226, die ich immer dabeihabe, da wir häufig auf Wilderer stoßen. Mit zwei Ersatzmagazinen habe ich genauso viele Patronen wie ein Wilderer mit vollem Kalashnikov-Magazin. Das ist zwar alles andere als eine für die Büffeljagd geeignete Waffe, aber notfalls kann Ndauka damit etwas Krach machen.

Auch Ndauka ist ein ehemaliger Wildhüter, einer von der alten Schule, der nach der Pensionierung noch viele Jahre für mich gearbeitet hat. Ich habe ihn vor allem beim Nashornschutz eingesetzt und selbst manche Stunde mit ihm auf der Fährte der wenigen Spitzmaulnashörner verbracht, die im Selous die Wilderei überlebt haben und langsam wieder mehr wurden. Abenteuer haben wir dabei manche erlebt, jedoch keine Jagdabenteuer. Unser Ziel war nämlich der Schutz der Nashörner und verständlicherweise nicht ihre Erlegung. Deswegen finden sich im Buch auch keine Geschichten dazu.

Die Fährte nehmen wir bald auf, folgen ihr, und nach einer guten halben Stunde erkennen wir die Kontur eines Büffelhaupts in einem Busch. Einer aus der Gruppe beschießt den Bullen mit seiner .500 und auf diesen Schuss hin scheint der Busch förmlich zu explodieren. Der beschossene Büffel geht wie eine Rakete nach vorn ab. Ein zweiter gibt nach hinten Fersengeld, und eine – wahrscheinlich heiße – Büffelkuh sucht ihr Heil, indem sie in unsere Richtung flüchtig wird.

Der kranke Bulle beschreibt einen weiten Halbkreis und ich laufe mit, etwa 30 Meter parallel versetzt, und gebe mit einem ausgeliehenen Repetierer drei Schuss ab. Danach ist die Waffe leer – das ist aber genau der Zeitpunkt, an dem er verhofft, zu mir hin äugt, das Haupt herunternimmt und in meine Richtung losgaloppiert. Ich denke zunächst, das ist Zufall, doch dann verstehe ich plötzlich, dass es ein ganz entschlossener Angriff ist.

Die Waffe ist leer, und den Versuch zu machen, sie noch aufzumunitionieren, ist angesichts der geringen Entfernung des Büffels und seiner Schnelligkeit von vorneherein sinnlos. Im Übrigen ist meine Waffe im Kaliber .375 und das ist nicht gerade die Ladung, mit der man einen angreifenden Büffel von vorn stoppen will.

Ich stehe allein mitten im offenen Gelände. Kein Baum in erreichbarer Nähe und die Kollegen sind 100 Meter entfernt. Nur schräg neben mir steht ein Stämmchen, auf das ich nun zulaufe. Der Büffel hat das Haupt inzwischen hochgenommen und ändert sofort seine Richtung, als er sieht, dass ich weglaufe.

Ich erreiche das Bäumchen, nehme mir noch die Zeit, die Zielfernrohrbüchse auf den Boden zu legen, und hangele mich mit situationsbedingter Gewandtheit, die ich mir selbst nicht zugetraut hätte, hoch. In zwei Metern Höhe – das ganze Stämmchen neigt sich bedenklich – kann ich mich auf einen Zweig stellen, muss aber aufpassen und mich gut festhalten, damit er nicht abbricht.

Da ist nyati auch schon da, steht unter mir und äugt hoch. Ich meine, in seinen Lichtern Wut und Enttäuschung zu erkennen, aber das bilde ich mir jetzt ein. Er ist offensichtlich schwer krank, Schweiß rinnt aus den Nüstern und aus einem Ausschuss pumpt das Herz in hohem Bogen Strahl um Strahl roten Bluts. Jetzt, wo der Angriff erfolglos war, scheint die Kraft aus ihm zu weichen. Er schwankt plötzlich, tritt hin und her und bricht zusammen. Ein letztes Brüllen verlässt den Körper. Er ist verendet.

Jetzt kommen auch die anderen hinzu und rufen mir allerhand wenig Schmeichelhaftes zu. „Was machst du denn da oben?“, ist noch am harmlosesten.

Abb.: Der Angriff hätte ins Auge gehen können; Rolf D. Baldus / Auf den Fährten der Big Five, KOSMOS“

Mir ist gar nicht nach Scherzen zumute, aber wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Sie jedenfalls haben sich offenbar köstlich amüsiert. Auf die Idee, dass ich möglicherweise unter dem Büffel oder auf seinen Hörnern hätte landen können, ist wohl keiner gekommen. „Wenigstens von dir hätte ich erwartet, dass du in die Luft geschossen und den Burschen abgelenkt hättest“, knurre ich den alten Ndauka an. Da dreht er die Pistole und zeigt mir den leeren Magazinschacht. Ich hatte sie ihm ohne Magazin gegeben.

Rolf. D. Baldus 1988 nach einem Zusammenstoß mit Wilderern

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Pressestimmen

Ausgezeichnet als Jagdbuch des Jahres 2023 von den Leserinnen und Lesern der Zeitschrift Wild und Hund!

Eine internationale Jury hat das Buch „Auf den Fährten der Big Five“ aus Vorschlägen aus aller Welt für den Literaturpreis des Internationalen Jagdrates (CIC) ausgewählt.

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Rolf D. Baldus

Dr. Rolf D. Baldus ist ein deutscher Diplom-Volkswirt und Jagd- und Wildschutzfachmann. Jahrgang 1949, stammt gebürtig aus Gebhardshain im Westerwald und wuchs in ländlicher Umgebung auf. Im Alter von siebzehn Jahren legte er, mehr aus praktischen Erwägungen und Gelegenheit, die Jagdprüfung ab, ohne zunächst dem Waidwerk nachzugehen.
Nach seinem Studium der Volkswirtschaft an der Universität zu Marburg, über das er zu seinem Interesse am Wildtiermanagement kam, war Dr. Rolf D. Baldus, der 1976 über sozialistische Dorfgemeinschaften unter dem ersten tansanischen Präsidenten Julius Nyerere promovierte, als freiberuflicher Gutachter für internationale Entwicklungshilfe-Projekte tätig. Über diese Tätigkeit erhielt er die Gelegenheit, eine Stelle im deutschen Entwicklungshilfeministerium anzutreten, um später ins Bundeskanzleramt zu wechseln und 1987 als Referatsleiter von 1987 bis 1993 nach Tansania zu gehen. Dort war Rolf D. Baldus im Auftrag der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) mit der Sanierung des heruntergekommenen Wildreservats Selous, so benannt nach dem britischen Großwildjäger Frederick Courteney Selous, befaßt.
Danach kehrte er als Berater Helmut Kohls ins Bundeskanzleramt zurück um von 1998 bis 2005, dann als Berater der tansanischen Regierung bei Projekten wie der Unterschutzstellung des Saadani-Nationalparks und des Selous-Niassa-Wildtierkorridors, noch einmal in Ostafrika zu wirken.
Seine Berufslaufbahn klang mit der Tätigkeit im Bundesministerium für Entwicklungszusammenarbeit von 2005 bis 2010 aus. Ehrenamtlich war der Jagd- und Wildschutzfachmann viele Jahre im International Council for Game and Wildlife Conservation (CIC) als Präsident der Kommission für Tropenwild tätig und hat etliche Beiträge und Bücher über Wildschutz- und Jagdthemen in Afrika verfaßte.
Dr. Rolf D. Baldus lebt im Ruhestand in Bad Honnef.

Abb.: Rolf D. Baldus (4. von links) mit Freunden und Elefanten; Bildquelle: Haralds Klavinius

The survival of our wildlife is a matter of grave concern to all of us in Africa. These wild creatures amid the wild places they inhabit are not only important as a source of wonder and inspiration, but are an integral part of our natural resources and of our future livelihood and well being. In accepting the trusteeship of our wildlife we solemnly declare that we will do everything in our power to make sure that our children’s grand-children will be able to enjoy this rich and precious inheritance.
Julius K. Nyerere 1961

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Porzellantassen. Weitere Informationen hier.

Titel: Auf den Fährten der Big Five: Vier Jahrzehnte Afrikajagd – Ein
Insider erzählt

Autor: Rolf D. Baldus

Verlag: Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG

Verlagslink: https://www.kosmos.de/de/auf-den-fahrten-der-big-five_1111059_9783440178218

ISBN: 978-3-440-17821-8

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