Steirische Rauhaarbracken und wie ich der lauten Jagd verfallen bin

von Johannes Plenk

In der letzten Nacht hat es geschneit und im knusprig kalten Morgengrauen liegt eine Handbreit Pulverschnee. Ich lege Wollenes und Loden an, nehme Haube statt Hut und hole die Bracke aus ihrer Hütte, sie hat ihren rauen Rock schon an. Wir steigen vom Haus den Berg hoch. Auf einem Rücken im Hochwald verrät mir nasenblindem Mensch der Schnee den Fuchs, der hier nächtens schnürte, die Bracke hat ihn schon in der Nase!

Bildquelle: Johannes Plenk

Sie legt sich mächtig in die Leine schnaubt, winselt und so schnalle ich sie. Mit tiefer Nase folgt sie der Spur, die Rute hoch und geht wie ein Metronom und so verschwindet sie in der steilen, sonnseitigen Flanke in einer Dickung, wo erste Vorlaute erklingen und meinen Puls beschleunigen. Da, ein jauchzender Heblaut und die wilde Jagd beginnt. Der herrlich trompetende Laut von Asta zeigt Schlag auf Schlag wohin der Fuchs läuft, hinunter in einen wilden Graben und dem Wasserlauf folgend auf die Rückseite des Kogels, wo das Gelände bald den Laut schluckt. Da muss der Jäger sinnieren was er zu tun hat. Ich kenne Asta, sie jagt nicht schnell aber hält stundenlang an, gerade am Fuchs und der Spur nach ists ein alter Rüde, der wird nicht wie ein Jungfuchs nach 40 Minuten einschliefen´, sondern mit dem Hund spielen und mit allen Tricks versuchen den lästigen Verfolger abzuschütteln. Aber ins Freie will er nicht, also steige ich hinunter und stelle mich am Dickungsrand zu einer, unter ihrer Schneehaube novemberroten Lärche. Und warte. Nach einer guten dreiviertel Stunde, mir kriecht die Kälte schon durch die Schuhsohlen in die Waden, hör ich wieder, dumpf und ganz leise, die Bracke läuten, wenn der Laut abreißt kann ich mit den Ohren sehen wie der Hund den Knopf auflöst. Das Jagdl hat den Kogel umrundet. Ich richte mich, der Laut ist noch fern, da sehe ich 70 Schritte unter mir im Augenwinkel einen roten Flitzer, Baum, Fuchs, Baum, zu weit und: Weg ist der Fuchs. Etliche Minuten später kommt die Bracke im langsamen Galopp, mit tiefer Nase und gellendem Geläut punktgenau auf der Fährte. Eher verzückt als enttäuscht lausche ich der Musik und folge mit dem Gehör der Jagd, die in die zweite Runde geht. Um die Geschichte abzukürzen, erlegt hab ich ihn nicht, den schlauen Reineke, an jenem Tag. Drei lange Stunden jagte der brave Hund, dann fing ich sie ab, auf der Fährte, als ich mich umstellte und dabei zwischen Fuchs und Hund geriet. Mir war kalt und abrufen wäre erfolglos gewesen, ganz still auf der Fährte stehen und den Hund in seiner Jagdtrance schnappen, das hatte sich bewährt, bei diesem Wildfang.

Zu Hause klaubte ich uns beiden die Eiszapfen aus dem Bart und nahm Asta mit in die warme Stube, ihr gab ich warmes Wasser versprudelt mit einem Dotter und Obers, mir Kaffee und Eierspeis. Als meine Frau nach Hause kam, vom Samstagseinkauf den sie wieder mal allein erledigt hatte, fragten die Kinder: hast Du ihn erwischt, den Fuchs? Nein, aber eine herrliche Jagd und fing erzählen an.

Meine Frau fragte nur: „Wozu dann das Ganze, Stunden in der Kälte stehen?“
„Weils so schön ist, schöner als eine Sinfonie.“
„Dauert bei deinen spinnerten Hunden aber immer länger als jede Wagner Oper!“
„Das ist Passion!“
„Obsession triffts eher bei Dir!“, sagt sie mit liebevollem Unverständnis…..

Asta wollte bald wieder in den Zwinger, ihr wurde es zu warm im Haus, und an Tagen wo ihr Herrl klüger stand hing auch gelegentlich ein Fuchs oder Has im Schupfen nach so einer Brackade. Der Jäger muss halt wissen wie der Hase läuft, und noch komplexe, wo der Fuchs passt. Herrlich ist jede Brackierjagd aber auch ohne Beute,

Ein Hundenarr war ich schon immer, als Kind begleitete mich ein Hofhund durch die Wälder, damals träumte ich dabei nur vom Jagern und las jagdliche Bücher von Ernest.T.Seton bis Rudolf Frieß, von Gagern, Löns, Hemingway etc.. Als Kind hat mich auch in den 70ern der Film Wo der rote Farn wächst sehr beeindruckt und vielleicht schon mit dem Brackierfieber angesteckt.

Der Hofhund war damals weniger Träumer und wenn er mir auskam scheuchte er gerne stumm und erfolglos Hasen. Mir Unwissendem erschien es wundersam, wenn sie mir genau vor die Füße liefen wenn ich stehen blieb, wo sie aus der Sasse fuhren….. Später als Treiber und noch mehr als ich, schon Student, endlich den Jagdschein gemacht hatte, faszinierte mich jede Arbeit der Jagdhunde. Am meisten aber, wenn sie auf der Fährte in einer Dickung verschwanden und plötzlich Spurlaut erklang, am liebsten wäre ich mitgelaufen. Ein Terrier war der erste der mit mir jagen ging, der war schon spurlaut, aber ein Kurzjäger. Aber ich wusste mein erster eigener wird eine Bracke.

In Tirol arbeitend, wo damals im Herbst noch jedes Wochenende Hasln gegangen wurde, reifte der Entschluss zur Tat. Ich schwankte zwischen Alpenländischer Dachsbracke, Roter Tiroler und Peintingerbracke, wie die bärtigen Steirische Rauhaarbracken nach ihrem ersten Züchter auch genannt werden.

Das derbere Wesen, athletische Gangwerk und das raue Haar waren das Zünglein an der Waage. Meine erste Rauhaarbracke war ein genialer Schweißhund, aber zu meinem Leidwesen mäßig talentiert bei der Hasenbrackade, selten jagte sie Hasen länger als eine Viertelstunde. Trotzdem lernte ich die laute Jagd mit ihr, auch auf Schwarzwild in Österreich und auf Bewegungsjagden bis in den Thüringer Harz, denn Fuchs und Sau jagte sie brav.

Bildquelle: Johannes Plenk

Mit ihr zog ich den ersten Wurf in meinem Zwinger vom Lärchenrot, machte den Leistungsrichter und wurde schließlich Zuchtwart der Rasse im Österreichischen Brackenverein, mit dem Auftrag durch eine Auffrischungszucht die enge Zuchtbasis zu verbreitern und war dabei bestrebt auch das Brackenerbe, also das anhaltende, spurlaute und spurtreue Jagen zu verstärken. Zu diesem Zwecke importierten wir vom Balkan bosnische Rauhaarbracken, schließlich war die Peintingerbracke aus der Kreuzung solcher rauhaariger Bracken mit Hannoverschen Schweißhunden in der Donaumonarchie kreiert worden. Diese Reisen öffneten mir die Augen, welche Leistungen eine passionierte Bracke auf der Spur oder Fährte erbringen kann. Derart weite Suchen auf der kalten Fährte und viele Stunden lange laute Jagden auf der warmen hatte ich vorher noch nie gesehen, obwohl ich nicht nur selbst möglichst oft die Laute Jagd betrieb und dabei alle unsere Brackenrassen jagen sah, sondern auch ein eifriger Leistungsrichter auf Brackierprüfungen war. Asta, die Hündin aus der obigen Geschichte holte ich aus Bosnien und von ihr stammen meine heutigen Hunde ab. Seither habe ich nicht nur in den Schluchten des Balkan wiederholt Brackenarbeit genießen dürfen, sondern auch Finnenbracken in ihrer Heimat auf Schneehasen und Laufhundmeuten in Frankreich auf Schwarzwild ihr Stück Wild eisern spurtreu einen ganzen Tag lang jagen gesehen. So sehr mich das fasziniert, es ist in unseren Breiten nicht leicht einen derart stur passionierten Hund einzusetzen und dem Großteil der Jägerschaft nicht zumutbar.

Bildquelle: Johannes Plenk

Trotzdem muss eine Bracke gemäß ihrer Spezialisierung, um als solche betrachtet werden zu können, über erheblich höheren Spurwillen und Spurtreue verfügen als alle anderen Jagdhundetypen Das beweist sich in der Jagddauer, neben der Feinnasigkeit, besonders am Hasen. Diese Eigenschaften machen Bracken dann auch zum überragenden Schweißhund, wenn es gelingt sie zu kanalisieren.

Im Alltag sind Steirische Rauhaarbracken nicht nur buchstäblich oft dickfelliger als die meisten glatthaarigen, sie zeigen oft stoische Ruhe und sind verschmuste Langschläfer. Draußen aber erwacht bei der ersten Fährte die Jagdpassion, auch wenn sie nicht gefragt ist. Wer sie ohne Leine mitspazieren lassen will, muss sehr viel Training investieren und gleichzeitig dem Hund ausreichend oft das Jagen ermöglichen. Eventuell wird man trotzdem öfter lange warten müssen, bis sie brackentypisch nach einem Jagdausflug dorthin zurückkehrt wo sie diesen gestartet hat. Ich selbst führe meine an der Leine, getreu dem alpinen Spruch: „Ist die Brack vom Strick oder die Kugl ausn Lauf, halts der Tuifl selber nimma auf!“

Alle jagdlich durchgezüchteten Laufhunde und somit auch Bracken sind spurfanatische Nasenautisten, wenn sie sich einmal auf der Spur oder Fährte angesaugt haben, filtern sie alle anderen Sinneseindrücke, auch jede andere Witterung weg und die Besten jagen dann mitunter bis zur völligen Erschöpfung spurtreu auf dieser Spur oder Fährte. Ich bin überzeugt, sie changieren deswegen nicht, weil sie es gar nicht können, denn jede anhaltende Spurarbeit erfordert totale Konzentration auf diese eine Witterung und völlige Missachtung aller anderen Gerüche. Bei einem Verlust verstummen sie zwar und bögeln, bis sie diese wieder aufnehmen können, und ihr Geläut zeigt das dann an, aber auch das ohne dabei auf anderes Wild zu wechseln. So stark ist die Fixierung auf die begonnene Fährte. Die Brackenschläge Deutschlands und Österreichs sind, auf Kosten der Passion und damit Jagddauer, meist deutlich führiger als die Bracken aus den Balkanländern und Skandinaviens oder die Laufhunde der Schweiz und Frankreichs und die amerikanischen Hounds. Das ist den kleineren Revieren und der Verdrängung der Brackierkultur in weiten Teilen unserer Länder zuzuschreiben, aber der Einsatz als Solojäger, im Gegensatz zu den Meutehunden Frankreichs und Amerikas, führt ebenfalls zu stärkerer Führerbindung. Auch die österreichischen Bracken haben vor allem als Förster- und Berufsjägerhunde die schweren Zeiten überdauert und mussten als ruhige Pirschbegleiter und Schweißhunde für Nachsuchen vor allem im Gebirge ihre Kost verdient. Die Brackierjagd auf Hase und Fuchs starb bei uns zwar nie ganz aus, vor allem in Tirol finden sich noch in vielen Tälern eingefleischte Hasler, aber sie führt ein Nischendasein. Das Aufkommen der Bewegungsjagden, anfangs nur auf Schwarzwild, heute auf alles Schalenwild, hat in den letzten Jahrzehnten die Bracken insgesamt wieder populärer werden lassen und vor dem Verschwinden bewahrt. Die meisten dieser Jagden sind aber, vor allem im Flachland, eher auf mittelweit jagende Hunde zugeschnitten, und erwünscht sind Hunde die vom angejagten Wild ablassen und sich neues suchen, bevor sie den abgestellten Bereich verlassen. Man kann zwar auch Langjäger einarbeiten, nicht mehr jedes Stück durch Sonne, Mond und Sterne zu verfolgen, so höre ich, aber Hubertus oder Diana mögen uns vor lauter bogenreinen Bracken bewahren! Gerade aus den Langjägern macht man besser einen unbeirrbaren Schweißhund als zu versuchen, ihn zum Stöberer zu kupieren. Man muss sich halt entweder passende Rassen oder passende Jagden aussuchen. Wer eine Steirische Rauhaarbracke will, bekommt sie in Österreich beim Österreichischen Brackenverein und in Deutschland beim Deutschen Brackenverein, der im Welpenaufkommen drauf und dran ist das Ursprungsland zu überholen. Größere Zuchtpopulationen gibt es auch in Tschechien und der Slowakei, wo die Peintingerbracke schon zur Zeit der Donaumonarchie vom Hause Schwarzenberg eingeführt wurde. Es ist uns gelungen zwischen diesen Populationen einen regen Austausch von Zuchtmaterial zu ermöglichen. Wie man schon gemerkt haben wird, liegt mein züchterisches Augenmerk zuerst auf der Brackierleistung, aber neben stabilem Wesen und Gesundheit (und dem unvermeidlichen Formwertschnickschnack) sollte eine Steirische Rauhaarbracke über eine ausgeprägte Raubwildschärfe und Schneid ohne Größenwahn am Schwarzwild verfügen, um sich als Zuchthund zu qualifizieren.

Bildquelle: Johannes Plenk

Ich selbst jage mit meinen eigens auf hohe Passion gezüchteten Steirischen am liebsten Fuchs und Hase. Vom Schalenwild wäre mir recht, wenn sie nur Schwarzkittel jagen würden, denn ich liebe den Geruch von Maggi am Morgen, der aus den Brombeeren steigt, wenn vor schneidigen Hunden die Sauen aus dem Kessel rumpeln und giftiger Standlaut in tosenden Fährtenlaut umschlägt. Rehrein sollten sie sein, auch wenn zu meinem Leidwesen meine Hunde das gelegentlich weniger eng sehen und es kaum mehr reine Saujagden gibt. Hasen (und Füchse) gibt es in jedem Wald, wo alle hundert Meter einer sitzt braucht man ja keine Bracke, um sie zu finden. Wenn Du den Has nicht täglich hetzt, so bleibt er stets wo er gesetzt, und alles Wild flüchtet ungern in ungewisse Ferne, es nützt den Heimvorteil bekannten Geländes. Will sagen, 1.000 Hektar braucht es für eine Hasenbrackade nie und auch für Füchse nicht. Der Spaß an der Freude des jagenden Hundes, das Bild, welches das Geläut vom Rennen mit all seinen Haken, Knöpfen, Wiedergängen im Kopf des Jägers malt, ist seine eigentliche Triebfeder. Man jagt um des Jagens und der Bracken willen. Was der Brackierjäger noch braucht um die Laute Jagd zu genießen ist Standruhe und die Fähigkeit loslassen zu können, seine Bracke froh ins Ungewisse zu schnallen, wo sie unbekümmert und frei ihr jagerisches Eigenleben führt. Das Brackieren ist so der Baujagd und der Falknerei artverwandt. Greif hatte ich zwar noch keinen, für zweiteres und mehr habe ich aber stets auch einen Dackel, doch das ist eine andere Geschichte.

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Dr. med. Johannes Plenk

Dr. Johannes Plenk, Jahrgang 1970, von Beruf Arzt und Knochenschlosser, vor 14 Jahren vom Miliz- in den Berufsoffiziersstand gewechselt und den kranken Häusern entwichen. In jungen Jahren war der Alpinismus meine größte Leidenschaft, so in der Eroberung des Nutzlosen geschult, hat zunehmend Jagd und Hundezucht die erste Stelle übernommen, auch wenn Wände und Gipfel immer noch locken.

Vater von 4 Kindern und mit ihrer lieben Mutter verheiratet, wohne ich auf der Südseite der Alpen auf 1.100 Metern, weiter unten ist mir die Luft zu dick.

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Anmerkungen

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