A billhook, an axe, six horseshoes and sixty-one nails (Eine Hippe, eine Axt, sechs Hufeisen und einundsechzig Nägel): Durchgeknallte Pachtpreise in Großbritannien

von Bertram Graf v. Quadt

Das die Briten gelegentlich ein wenig sonderlich sind, wissen wir spätestens seit Asterix, der diesem Volksstamm zuschrieb, sie würden schlicht spinnen. Der gallische Zaubertrank-Abhängige mag recht gehabt haben, denn bis heute gibt es Ämter und Gebräuche im Königreich, die es in dieser Form sonst nirgendwo gibt: angefangen beim Mr. Howieson Crawfurd who washes the sovereign’s hands, der auf Anforderung mit einer ganz bestimmten Silberschale und Silberkanne anzutreten hat, um dem Souverän die Hände zu waschen über den Königlichen Kräuterstreuer oder den Königlichen Schwanmarkierer bis hin zum Königlichen Mahner oder King’s Remembrancer, der im Auge zu behalten hat, wer welche Schulden bei der Krone offen und welche Pachten zu entrichten hat.

So hat beispielsweise der Duke of Marlborough alljährlich an Windsor Castle zu liefern: eine genaue Replik der französischen Kriegsfahne, die sein Vorfahr John Churchill, 1. Herzog von Marlborough am 3. August 1704 im Spanischen Erbfolgekrieg in der 2. Schlacht bei Höchstädt dem Gegner abgenommen hatte. Unterlässt der aktuelle Herzog dies, fällt sein Haus Blenheim Palace an die Krone zurück. Was Windsor Castle mit den seitdem mehr als 300 nachgemachten Kriegsfahnen anstellt, bleibt Staatsgeheimnis.

Die Stadtverwaltung von Gloucester muss der Krone jährlich eine große Aalpastete entrichten, Yarmouth in Norfolk hat 100 Heringe zu liefern. Der Besitzer von Fowlis Castle schuldet jährlich einen Schneeball, allerdings ist der im Sommer zu entrichten. Glücklicherweise liegt unweit des Schlosses Schottlands sechsthöchster Berg, der Ben Wyvis, wo sich regelmäßig Schnee auch im Sommer findet. Man wollte und will nichts Unmögliches fordern.

Eine der geheimnisvolleren Pachten hat die City of London, der Finanzdistrikt also, alljährlich an die Krone zu entrichten, und die nimmt der King‘s Remembrancer persönlich entgegen. Die Pacht bezieht sich auf zwei Grundstücke , von denen aber niemand mehr weiß, wo genau sie liegen. Nur so viel ist bekannt: die Grundstücke sind seit 1211 bzw. 1235 von der City gepachtet. Eines liegt mehrere hundert Kilometer von London entfernt in der Grafschaft Shropshire und wird schlicht als Moorland bezeichnet. Dafür sind zu entrichten: Eine Hippe (engl. Billhook), die stumpf zu sein hat, und eine Axt – die allerdings scharf.  Bei der Übergabe wird das auch geprüft: der Remembrancer nimmt dazu einen Haselzweig, der ca. daumendick ist und schlägt mit der Hippe darauf. Die entstehende Markierung soll gut sichtbar sein, den Zweig aber nicht durchtrennen. Anschließend ergreift er die Axt und haut den Zweig glatt durch. Ist beides erfolgt, sagt der Remembrancer: „Good service!“

Parallelen zum Kerbholz liegen natürlich nahe: darauf vermerkte der Wirt mit dem stumpfen Messerrücken, was sein Zecher so soff. Konnte er nicht bezahlen, wurde das Kerbholz längs durch die Kerben gespalten, der Wirt bekam die eine Hälfte, der Zecher die andere. So wussten beide, was zu offen bzw. zu entrichten war.

Das zweite Grundstück, für das die City Pacht zu zahlen hat, liegt irgendwo in der Nähe der Royal Courts of Justice am westlichen Rand der City. Dort hatte Henry III. 1235 ein Turnier abgehalten, während dessen einem Ritter die Rüstung so übel zerbeult wurde, dass ein Schmied zum Zwecke der Reparatur herbeigeschafft werden musste.  Als Belohnung bekam er ein Stück Land, um eine Schmiede zu erreichten, in der er die Pferde der Tempelritter zu beschlagen hatte – tatsächlich liegt deren ehemaliges Hauptquartier, der Temple schräg gegenüber der Courts. Die City übernahm damals und übernimmt seither die Pacht, auch wenn es die Schmiede längst nicht mehr gibt. Der Pachtzins besteht aus sechs Hufeisen für Schlachtrösser, die entsprechend dimensioniert sind und 61 Nägeln. Der Remembrancer nimmt die Ware entgegen, zählt und quittiert mit den Worten „Good number!“ Wie man auf diese seltsamen Zahlen kam, ist nicht überliefert, ebenso wenig ist bekannt, was die Krone mit den inzwischen rund 800 Äxten, 800 Hippen, 4.700 Hufeisen und ca. 48.000 Nägeln angestellt hat. Die wahrscheinlich seltsamste Pacht hatte aber Sir John Murray an ,James IV. von Schottland für eine Burg zu zahlen. Sie bestand in vier Gläsern Portwein, zu konsumieren ausschließlich vom Geist der Großmutter des Königs, zu entrichten am Neujahrstag. Die Pacht wurde nie nachweislich angenommen.

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Bertram Graf v. Quadt

Man kann sich gegen schwere erbliche Belastungen nicht wirklich zur Wehr setzen. Damit war die Jagd unausweichlich. Beim Blick in die Generationen gibt es auf weite Sicht keinen männlichen Vorfahr – und nur wenige weibliche – die nicht gejagt hätten. Vater, Mutter, beide Großväter und so weiter und so fort – alles Jäger, und zum Teil hochprofilierte Jäger: der Vater meiner Mutter, Herzog Albrecht v. Bayern, hat die bedeutendste Monographie des 20. Jahrhunderts über Rehwild verfasst (Über Rehe in einem steirischen Gebirsgrevier) und darin mit viel Unsinn über diese Wildart aufgeräumt. Meine Mutter war an den Forschungen dazu intensiv beteiligt, gemeinsam mit meinem Vater hat sie die Erkenntnisse im gemeinsamen Revier im Allgäu umgesetzt. Nun will und muss aber jeder junge Mensch rebellieren. Ich habe mir dafür aber nicht das jagdliche Erbe ausgesucht, sondern die Schullaufbahn, das nie begonnene Studium, das Ergreifen anrüchiger Berufe (Journalist, pfui!) und anderes mehr. Und ich kann im Rückblick sagen: das war die richtige Entscheidung.
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