von Christine Miller
Anlässlich der aktuell laufenden Initiative zur Legalisierung von Nachtzielgeräten hat das Forum lebendige Jagdkultur eine Stellungnahme an den Innenausschuss des Bundestages versandt, die wir hier sehr gerne teilen!
Vorab dazu unsere eigene Sichtweise: Die Nachtaktivität von Rot-, Reh- und Schwarzwild ist komplett menschengemacht. Mit schrankenlosen Genehmigungen legitimieren wir leider auch jeglichen Missbrauch. Nachtzieltechnik kann in den Händen von vernünftigen Jägern und bei echter Notwendigkeit sinnvoll sein und Tierleid verhindern. Aber es muss immer die Ausnahme bleiben, denn wir wissen, wie viele unvernünftige Schützen es gibt, wie viele leere Scheinargumente, etwa die Verhinderung der ASP, und wie viele „Kollateralschäden“ in Form von erhöhter Störung, Stress und Unbejagdbarkeit es gibt.
Das Ziel einer sinnvollen und tierschutzgerechten Jagd muss sein, den Stress zu minimieren und von Natur aus tagaktive Tiere wieder tagaktiv werden zu lassen. Wo uns das nicht gelingt, brauchen wir auch keine technische Aufrüstung, um Krieg gegen die Natur zu führen.
In der Stellungnahme des Forums lebendige Jagdkultur an den Innenausschuss heißt es: „Wir fordern Sie mit Nachdruck auf, den Gesetzesantrag BR-Drs. 203/25 abzulehnen. Die pauschale Zulassung von Nachtzieltechnik ist ökologisch bedenklich, jagdlich nicht erforderlich und gesellschaftlich nicht vermittelbar.
Stattdessen gehört die bestehende begrenzte Erlaubnis – insbesondere von Vorsatz- und Aufsatzgeräten ohne Absehen und IR-Strahler – aus tierschutzrechtlichen Gründen auf den Prüfstand.
Technik darf niemals das Augenmaß und die Verantwortung ersetzen, die das Fundament einer waidgerechten, zukunftsfähigen Jagdkultur bilden.“

Die Autoren fordern unter anderem mehr Wildschutz statt weiterer Technikoffensiven. Denn diese bewirken chronischen Stress bei den Wildtieren, Verhaltensstörungen und steigern das Risiko für Wildschäden und Krankheitsanfälligkeit. Nächtliche Jagd stört nicht nur jagdbare, sondern auch geschützte Arten wie Eulen, Fledermäuse oder Kleinsäuger – mit unkalkulierbaren Folgen für ganze Lebensgemeinschaften. Die Jagd auf Schwarzwild unter natürlichen Bedingungen (z. B. klare Vollmondnächte) ist eine Praxis, die auf wenige Nächte beschränkt bleibt und so bewusst Beunruhigung vermeidet. Die Versuchung, Nachtzieltechnik auch rechtswidrig bei anderen Wildarten einzusetzen, ist real.
Weitere Punkte in der Stellungnahme lauten: Jagdethik ist nicht verhandelbar, Sicherheitsrisiko für Mensch und Tier, Kontrollverlust und fehlende Wirkung sowie Jagdpolitischer und gesellschaftlicher Flurschaden.
Die vollständige Stellungnahme von Wildmeister Dieter Bertram und Volker Seifert mit den detaillierten Argumenten findet Ihr hier

Meldung vom 5. Juni 2025
Haben sich die Jagdverbände jetzt endgültig von einer waidgerechten Jagd verabschiedet? Den Eindruck gewinnt man leider, wenn man die aktuellen Veröffentlichungen zur Nachtsichttechnik liest. Darin begrüßen nämlich der Deutsche Jagdverband und andere die Bundesratsinitiative des Landes Hessen zur Erweiterung der erlaubten Nachtzieltechnik einhellig. „Künftig sollen fest montierte Nachtzielgeräte mit eingebauten Hilfsmitteln zum Anvisieren eines Ziels für Jäger erlaubt sein – einschließlich der Montage von Infrarot-Aufhellern, Taschenlampen oder ähnlichen Lichtquellen an Waffen“, so beschreibt es der Deutsche Jagdverband.
Das Institut für Jagd, Umwelt und Naturschutz sieht das in seinem Jagdrechtsblog sehr kritisch und fürchtet zu Recht um den Verlust von Ethik und Waidgerechtigkeit. „Der Bundesrat begrüßte den Vorschlag, offensichtlich, ohne sich jemals Gedanken zu den Vorteilen, vor allem aber den evidenten Nachteilen der Nachtzieltechnik gemacht zu haben“, heißt es hier. Das Forum lebendige Jagdkultur und der Steinfelder Kreis befürchten, die Nacht wird zur Kampfzone: „Denn was unter dem Deckmantel „effizienter Wildschweinjagd“ verkauft wird, ist in Wahrheit ein weiterer Schritt in Richtung einer enthemmten, rein technischen Jagdausübung, die mit waidgerechter Hege wenig zu tun hat.“
Aber was sind die oft genannten Nachteile? Wir konnten das vor kurzem bereits beobachten: In Kempten wurde ein Jäger vor Gericht verurteilt, weil er mit eben einem solchen fest montierten Nachtzielgerät spät abends im Auto angetroffen worden war. Auf dem Anhänger lagen Reh- und Rotwild sowie ein Dachs (es war November). Weil die diversen jagdrechtlichen Vergehen – mögliches Erlegen von Wildwiederkäuern bei Nacht, Erlegen eines Dachses in der Schonzeit – keine Straftaten darstellten, kam nur der waffenrechtliche Verstoß vor Gericht.
Und der wurde – nach einem Verweis der Verteidigung auf die bald anstehende Legalisierung der Nachtzieltechnik wie oben beschrieben – dann statt mit den von der Staatsanwaltschaft geforderten 90 nur mit milden 55 Tagessätzen bestraft. Der Jäger, der sich also mithilfe der Nachtsichttechnik über diverse Vorschriften des Jagdgesetzes hinweg gesetzt hatte, kann seinen Jagdschein wieder bekommen. Dass er das betreffende Gerät (es gilt als verbotene Waffe) entzogen bekam, ist ein schwacher Trost.
Herzlichen Glückwunsch all jenen, die mithilfe solcher Technik-Legalisierungen dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet haben!
Hier findet Ihr den Beitrag aus dem Forum lebendige Jagdkultur zum Thema
Hier eine Berichterstattung aus der „Schwäbischen“ zu Nachtzieltechnik und der Bundesratsinitiative…
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Dr. Christine Miller

Manchmal meint es das Schicksal besonders gut: Zum Beispiel bei mir. Geboren in Tegernsee, habe ich die Berge und Tierwelt der Alpen von Kindesbeinen an Lieben und Achten gelernt.
Seit dem Studium der Biologie und Forstwissenschaft beschäftige ich mich auch beruflich mit Gams und Hirsch und allem drumherum: Zum Beispiel in zahlreichen wissenschaftlichen Forschungsprojekten oder journalistisch in Fachzeitschriften und Büchern.
Nach langen Jahren im Ausland lebe ich jetzt wieder am Tegernsee und beschäftige mich privat (bei der Jagd) und beruflich mit Wildtieren, Umweltthemen und Naturwissenschaft – stets begleitet von einem „g´scheid´n“ Hund.
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