Little Bird

am

Filmvorstellung von Thomas Thelen

Wer sich von den geschätzten KRAUTJUNKER-Lesern noch an à Taqawan oder an à Geflochtenes Süßgras – Die Weisheit der Pflanzen erinnert, zwei Bücher, die die First Nations Kanadas aus unterschiedlichen Aspekten zum Inhalt haben, der wird sich mit offenen Augen die Serie Little Bird auf arte ansehen wollen. Und: Sollen!

Die Serie arbeitet die Vergangenheit und Gegenwart der Verschleppung und Zwangsadoption von Kindern der First Nations in Kanada auf, dem zumindest seit Trudeau als dem freundlicheren Amerika positionierten nördlichen Nachbarn der USA.

1968 werden in einem kanadischen Reservat das fünfjährige indigene Mädchen Bezhig Little Bird und ihre beiden Geschwister durch staatliche Willkür ihrer Familie entrissen und zur Adoption freigegeben. 18 Jahre später feiert Bezhig – die seit der Zwangsadoption Esther heißt – ihre Verlobung in Montréal… – Die Serie (2023) beleuchtet ein schmerzhaftes, bislang wenig erzähltes Stück indigener Geschichte Kanadas.

Long Pine Reservat, 1968: Bezhig vom indigenen Volk der Ojibwe lebt mit ihrer Familie in einfachen Verhältnissen in der kanadischen Provinz Saskatchewan. Während ihr Vater und ihr großer Bruder auf der Jagd sind, streift Bezhig mit ihrem Zwillingsbruder durch die Prärie rund um ihr Haus. Als ihr Bruder ein vorbeifahrendes Polizeiauto mit einem Stein bewirft, alarmiert die Streife das Jugendamt und setzt damit eine verhängnisvolle Kette von Ereignissen in Gang.

Bezhigs Mutter, die erfolglos versucht, ihre jüngste Tochter zu verstecken, sieht sich mit schweren Vorwürfen konfrontiert: Sie vernachlässige und misshandele die Kinder und sei nicht in der Lage, sie angemessen zu versorgen. Trotz ihrer verzweifelten Proteste werden die drei Kinder umgehend der Mutter entrissen und in ein Heim gebracht.

18 Jahre später: Bezhig, die inzwischen Esther Rosenblum heißt, feiert ihre Verlobung. Sie ist kurz davor, Anwältin zu werden, und ihr Partner David ist ein Arzt aus einer angesehenen jüdischen Familie. Ein scheinbar perfektes Leben, doch Bezhig hat sich der jüdischen Community Montréals, in der sie nach ihrer Zwangsadoption aufgewachsen ist, nie wirklich zugehörig gefühlt. Auch ihre Schwiegermutter in spe lässt sie immer wieder spüren, dass sie nicht „eine von ihnen“ ist.

Nach einer erniedrigenden Konfrontation mit den Vorurteilen der Familie ihres Verlobten verlässt Esther abrupt die Feier. Als sie in ihrem Bett liegt, kommen fragmentarische Erinnerungen an ihre frühe Kindheit in ihr hoch …

Eine lange verschwiegene Geschichte

„Little Bird“ ist eine kanadische Miniserie, die empathisch die Geschichte einer jungen indigenen Frau erzählt, die sich auf die Suche nach ihrer Geburtsfamilie macht und dabei die schreckliche Wahrheit um ihre Zwangsadoption entdeckt. Im sogenannten „60s Scoop“ wurden ab den 1960er Jahren in Kanada und den USA tausende indigene Kinder ihren Familien entrissen und zur Adoption in weiße Familien freigegeben. Die Serie begleitet Bezhig / Esther auf der Suche nach ihrer Vergangenheit und der Wahrheit. Sie besticht dabei durch eindringliche Emotionalität und das starke, einnehmende Spiel der Darstellenden. Dies hat auch das Publikum des Festivals „Seriesmania“ 2023 überzeugt, bei dem „Little Bird“ den Publikumspreis gewonnen hat.

Serie @ arte in 6 Folgen

https://www.arte.tv/de/videos/RC-024975/little-bird/

Abb.: Szenenbild aus „Little Bird“; Bildquelle: CraveTV

Cast:
Ellyn Jade (Patti Little Bird)
Osawa Muskwa (Morris Little Bird)
Keris Hope Hill (Bezhig, jung)
Darla Contois (Esther Rosenblum/Bezhig)
Tayton Mianskum (Leo, jung)
Gideon Starr (Niizh, jung)
Charlotte Cutler (Dora, jung)
Michelle Thrush (Brigit)
Eric Schweig (Asin)
Lisa Edelstein (Golda Rosenblum)
Alanna Bale (Adèle Halpern)
Rowen Kahn (David Altman)
Janet Kidder (Jeannie Young)
Regie: Elle-Máijá Tailfeathers
Drehbuch: Jennifer Podemski / Hannah Moscovitch
Produktion: Original Pictures / Rezolution Pictures
Produzent/-in: Tanya Brunel / Jessica Dunn / Claire MacKinnon / Philippe Chabot / Lori Lozinski / Ellen Rutter
Kamera: Guy Godfree
Schnitt: Justin Lachance
Musik: Jason Burnstick / Nadia Burnstick
Kostüme: Charity Gadica / Maureen Petkau /
Szenenbild / Bauten: David Brisbin
Redaktion: Martin Gerhard
Land: Kanada
Jahr: 2023

*

Thomas Thelen

Thomas Thelen ist Deutsch-Drahthaar-Bändiger, Leihhund-Bespaßer, Fliegenfischer, Holzwerker und Genießer – und eher nebenher Unternehmensberater und Autor.
Zuhause in den südbadischen Weinbergen, hält er nicht nur nach Schwarz- und Rehwild Ausschau, sondern auch nach empfehlenswerter Lektüre und leckeren Rezepten. Wenn sie seinen Geschmackstest bestehen, werden sie hier umgehend weiterempfohlen – oder kritisch betrachtet.


***

Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Porzellantassen. Weitere Informationen hier.

Hinterlasse einen Kommentar