Schluss mit der Selbstverantwortung! Die LJG-Novelle in MV

von Florian Asche

Till Backhaus ist seit knapp 25 Jahren Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern. Das allein ist außergewöhnlich. Längere Amtszeiten haben nämlich nur Könige europäischer Dynastien und Diktatoren in afrikanischen Bananenstaaten. In einer funktionierenden Demokratie, die ihre Strahlkraft aus dem Wechsel zieht, ist so etwas hingegen selten. Man muss in den Landtag gewählt werden, das Vertrauen des Regierungschefs erwerben, sein Amt verwalten, Fehler meiden, wieder aufgestellt werden, den Wahlkreis verteidigen, immer wieder, von Legislatur zu Legislatur. Das gelingt nur Politikern mit guten Nerven, die Neues wagen, ohne den Bogen zu überspannen und Bewährtes verteidigen, ohne als Betonköpfe zu gelten. Backhaus hat das geschafft. In acht Kabinetten, unter drei Ministerpräsidenten, war er für Bauern, Förster, Jäger und Angler zuständig. Dabei ist er so populär geblieben, dass auch die letzte Kuh im Stall seinen Namen kennt. Kleinere Rangeleien mit renitenten Ex-DDR-Innenministern, Promotionsspürnasen und vollschlanken Parteivorsitzenden hat er weggesteckt, ohne jemals ernsthaften politischen Schaden zu nehmen.

Abb.: Till Backhaus, 2017; Bildquelle: Wikipedia

Nun aber reiben sich auch die hartnäckigsten Backhausfreunde nachdenklich die Stirn und fragen sich, was in „Till“ (anders spricht man von ihm im Lande nicht) wohl gefahren ist. Auf den letzten Drücker seiner langen Karriere kommt er mit einem neuen Jagdgesetz um die Ecke, das durchaus geeignet scheint, für Donnergrollen im Norden Ostelbiens zu sorgen.

Dabei kommt der Referentenentwurf aus dem ministeriellen Back-Haus auf den ersten Blick recht unverdächtig daher. Während in Rheinland-Pfalz das Reviersystem ruiniert werden soll und der gesamte Gesetzeswortlaut umgestellt wird, beschränkt sich der Mecklenburger Entwurf auf den ersten Blick darauf, die Bedeutung der Waldwirtschaft zu betonen und das neue „Wildwirkungsmonitoring“ für die Abschussplanung heranzuziehen. Das scheint alles nicht so dramatisch. Und vielleicht ist es auch gar nicht so gemeint.

Doch Juristen ticken anders. Sie geben sich ungern mit dem ersten Eindruck zufrieden. Wenn ein Rechtsanwalt nach Hause kommt und seine Frau sagt „Schön, dass Du da bist“, dann wird er lieber ein Zweitgutachten einholen. Deshalb überlegen Juristen bei Gesetzen gern, was man mit ihnen alles an Schandtaten anrichten kann.

Und tatsächlich präsentiert uns Till Backhaus ein Gesetz, das auf Katzenpfötchen daherkommt und doch nur eines im Sinn hat, die Transformation der Jägerschaft.

Schon beim Umgang mit der Niederwildhege merkt der Leser, wohin die Reise geht. So soll der Einsatz von Totschlagfallen nur noch in Vogelschutzgebieten erlaubt sein. Ursprünglich wollte man sie ganz verbieten, doch die „klassischen“ Naturschutzverbände murrten. Schließlich verwenden sie Abzugseisen beim Küstenvogelschutz. Mit uneigennützigen Naturschützern will sich niemand anlegen und so beschränkte das Ministerium sein Verbot auf Bereiche außerhalb der Vogelschutzgebiete. Das ist natürlich ein klarer Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn der Naturschutz etwas darf, das dem jagdlichen Artenschutz versagt wird. Das Verbot ist auch fachlich nicht notwendig, um Fehlfänge zu vermeiden. Abzugseisen können in sog. „Marderbunkern“ so gestellt werden, dass ein selektiver Fang gewährleistet ist. Vielleicht sollten die Referenten sich nicht nur innerhalb der Forstverbände austauschen, sondern auch die Berufsjäger im Lande befragen. Mit einer Benachteiligung des jagdlichen Artenschutzes schlagen sie den letzten Idealisten ins Gesicht, die sich um Rebhuhn und Co. kümmern, ohne diese Arten jemals jagdlich zu nutzen.

Nun ist Mecklenburg-Vorpommern ein Schalenwildland und so wundert es nicht, dass der Schwerpunkt des Referentenentwurfs auf dem Umgang mit diesen Tierarten liegt. Deren Nutzung ist ein typischer Ausdruck von Freiheit des Eigentums und der persönlichen Lebensgestaltung. Jagd, so schreibt Ortega Y Gasset, ist eine glückhafte Tätigkeit, ein Urlaub vom Menschsein. Damit soll nun Schluss gemacht werden. Wir Jäger sollen nicht mehr frei sein, sondern abgerichtet und dressiert und zwar zu willfährigen Dienstleistern im Kampf gegen Waldschädlinge, zu Auftragsempfängern im Einsatz für den „Klimawald“.

So etwas schreibt natürlich kein Politiker in den Gesetzestext. Man macht es anders, viel eleganter:

Zunächst erweitert man die Ziele des Gesetzes um Inhalte, die möglichst hochwertig und wichtig klingen. Je wichtiger das Gesetzesziel, desto härter dürfen die Maßnahmen sein, um es zu verfolgen. In den Zeiten des bösen Klimawandels soll deshalb die Verjüngung des Waldes mit „standortgerechten“ Baumarten in den Gesetzeszweck aufgenommen werden. Schließlich ist der Wald ein wichtiger Kohlenstoffspeicher. Wer den Wald pflegt, der rettet die Welt (unterhalb der Welt machen wir es ja nicht mehr, seit der „letzten Generation“).

Der bisherige Gesetzeszweck zur Forstentwicklung stand in § 1 Nr. 4 LJG (alte Fassung). Darin war die Begrenzung von Schäden an Forst- und Landwirtschaft auf ein „tragbares Maß“ vorgesehen. Es stellt sich also die Frage, was der Gesetzgeber mit diesem Novellenansatz meint.

„Standortgerechte“ Baumarten sind alle Arten, die auf dem Bodenprofil und im Klima Mecklenburg-Vorpommerns wachsen können. Insofern spielt es keine Rolle, ob es sich dabei um eine bereits etablierte Baumart handelt, mithin um eine sog. Hauptbaumart, oder ob eine Baumart, die neu eingeführt werden soll, also eine Nebenbaumart. Der Gesetzestext unterscheidet insofern nicht zwischen der Bewirtschaftung bestehender Forstbestände und deren Verjüngung, ggf. unter Etablierung neuer Arten. Gerade darin liegt jedoch ein erhebliches Verbiss- und Schälrisiko. Selbst bei besonders geringer Bestandsdichte der wiederkäuenden Schalenwildarten ist allgemein bekannt, dass neue Baumarten mit besonderer Vorliebe verbissen, gefegt und geschält werden. Wenn wir in einen 20 ha-Buchenbestand eine Kirsche pflanzen und es gibt auf 100 ha ein Reh…es wird den Setzling finden!

Das war auch der Grund für den Bundesgesetzgeber, zwischen den Schutzmaßnahmen für Haupt- und Nebenbaumarten zu unterscheiden. Während der Ersatz von Wildschäden an Hauptbaumarten keinen besonderen Ausschlussgrund kennt, ist der Ersatz für Wildschäden an Nebenbaumarten dann ausgeschlossen, wenn sie nicht gegen Verbiss, Fegen und Schäle geschützt werden. Das neue Gesetzesziel eröffnet Konflikte bei Wildschadensersatzfällen, da der Betriebsinhaber versuchen wird, auch Schäden an ungeschützten Nebenbaumarten unter Heranziehung des Gesetzeszwecks geltend zu machen.

Für eine solche Maßnahme des Gesetzgebers gibt es eigentlich keine Gründe. Schließlich kann jeder Waldbauer die Entwicklung seines Forstes, dessen Naturverjüngung, bzw. die Etablierung neuer Arten eigenverantwortlich planen und umzusetzen. Dazu zählen auch die entsprechenden jagdlichen Maßnahmen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Waldeigentümer bei der Abschussplanung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts immer die Vorhand vor jagdlichen Interessen hat, bedarf es keiner staatlichen Maßgabe.

Doch genau darum geht es dem Entwurf. Die Privatautonomie in Zusammenhang mit der Waldentwicklung soll endlich beendet werden. Statt der fachkundigen Einschätzung der Waldeigentümer soll die Abschussplanung auf Basis des „Wildwirkungs-Monitorings“ erfolgen. Dessen Feststellungen sind allerdings reine Zufallsprodukte, die von den erhobenen Daten in einem zufällig ausgewählten Biotop abhängen. Damit ist das Wildwirkungs-Monitoring per se nicht geeignet, als Grundlage für die Abschussplanung von Hegegemeinschaften herangezogen zu werden, insbesondere aufgrund der Zufälligkeit der Datenerhebungspunkte. Es berücksichtigt nämlich nur Schadensbilder, ohne die notwendige und mehrfach angemahnte Gesamtkonstellation von Besucherdruck, Prädatorendruck, Agrarnutzung, Besiedelung, etc. zu berücksichtigen. Das Wildwirkungsmonitoring ist für sich genommen nicht geeignet, als Basis der Abschussplanung zu dienen.

Zum Diktat des „Wildwirkungsmonitorings“ passt auch die Einführung von Mindestabschussplänen für Rot-, Dam- und Muffelwild und die Verkürzung der Mindestpachzeiten für Jagdreviere auf 6 Jahre. Damit eröffnet der Entwurf die Möglichkeit zum radikalen Ausdünnen dieser Wildarten. Das ist beim Mufflon schon aus Gründen der genetischen Biodiversität sträflich, denn diese Wildart steht bereits durch den Wolf unter Ausrottungsdruck.

Vor allem werden aber die einst hoch gerühmten Hegegemeinschaften durch Mindestvorgaben völlig bedeutungslos. Sie schrumpfen zu Hilfsorganisationen der Unteren Jagdbehörde, denn wer braucht noch eine Planung, wenn das Wild zum vogelfreien Forstschädling degradiert wird?

Wenn man es mit den Hegegemeinschaften ernst nähme, dann sollte man sie zur Stärkung der jagdlichen Selbstverwaltung als Körperschaften des öffentlichen Rechts regeln. Vergleichs-Bundesländer haben damit durchaus gute Erfahrungen gemacht. Insbesondere bei einer zukünftig notwendigen Hege- und Abschussplanung des Wolfs, sollten Hegegemeinschaften strengen gesetzlichen Grundlagen, auch bei der internen Verwaltung genügen. Auch das Disziplinarwesen könnte innerhalb einer solchen Struktur effektiver ausgestaltet und an die Eigenverantwortung appelliert werden. Stattdessen scheint sich der Entwurf auf jagdlichen Wildwuchs als Mittel im Kampf für den Klimawald zu verlassen.

Doch gerade unter dem Aspekt des Klimaschutzes ist die Novelle unverständlich. Schließlich sagen örtliche Verbiss- und Schälprozente nichts über die Kohlenstoffbindung im Klimawald aus. Backhaus müsste lediglich in den Untersuchungen von Reimoser und Stock blättern, um zu der Einsicht zu gelangen, dass auch eine verbissene Buche oder ein geschälter Ahorn Kohlenstoff binden. Damit ist der Klimaschutz nur ein Etikett, das man dem Entwurf umhängt, um endlich die Privatautonomie der Jäger und Waldbesitzer zu brechen. Nicht der Eigentümer, sondern die Forstlobby und die Monitoring-Gehilfen sollen festlegen, wie der Wald auszusehen hat.

Wir sind also wieder dort angelangt, wo wir vor 1848 waren. Damals durften die Menschen vor Ort nicht darüber entscheiden, was und wie gejagt wurde. Man musste nur „Graf Bassewitz“ heißen und schon hatte man die Deutungshoheit über Wald und Jagd. Heute muss man nur beim ÖJV eintreten und schon darf man sich anmaßen, dem ländlichen Raum zu erklären, wie er zu leben hat. Der Geburtsadel ist durch einen Bekenntnisadel abgelöst worden.

Es ist eigentlich nicht vorstellbar, dass ein so erfolgreicher und im ländlichen Raum beliebter Minister wie Backhaus sich in einen solchen Konflikt mit der Jägerschaft eines echten Traditionsjagdlandes begibt. Will sich der sturmerprobte Sozi auf diese Weise zum Wahlhelfer der AfD machen? Das wäre ein seltsamer Abgang.

*

Florian Asche

Der Rechtsanwalt Dr. Florian Asche ist Vorstandsmitglied der Max Schmeling Stiftung und der Stiftung Wald und Wild in Mecklenburg-Vorpommern.
Einem breiten Publikum wurde er bekannt durch seinen literarischen Überraschungserfolg über den göttlichen Triatlhon: Jagen, Sex und Tiere essen (siehe: https://krautjunker.com/2017/01/04/jagen-sex-und-tiere-essen/https://krautjunker.com/2017/09/19/sind-jagd-und-sex-das-gleiche/)

Website der Kanzlei: https://www.aschestein.de/de/anwaelte-berater/detail/person/dr-florian-asche/

*

Mehr von Dr. Florian Asche: https://krautjunker.com/?s=florian+asche

***

Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.


Entdecke mehr von KRAUTJUNKER

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. Avatar von Jörn v.Campenhausen Jörn v.Campenhausen sagt:

    Da hat der Trophäenträger zu Beginn des Backhaus’schen Jagdschein wohl zu wenig Wirkung erzeugt…
    Vom Ärger des Landesrechnungshofes danach ganz zu schweigen.
    Man bleibt nicht so lang Minister ohne das Jäckchen stets der Windrichtung und Windstärke anzupassen.

    Umgekehrt hat so mancher Trophäenzüchter in den letzten 2 Jahren den einen oder anderen Termin zur Konsensbildung im Gesetzgebungsverfahren verpennt.
    Hausaufgaben machen und nicht heulen.
    Knochen auf dem Kopf werden überbewertet.

    Like

Hinterlasse eine Antwort zu Jörn v.Campenhausen Antwort abbrechen