von Christian H. Fuhrmann
„Einen Cocker? Ich dachte an einen Jagdhund?“ Zu mehr Widerstand fühlte ich mich nicht fähig. Ausgelaugt von einer langen Dienstreise hatte mich meine Frau vom Flughafen abgeholt. Meine jagdliche Welt war klar strukturiert, deutsche Vorsteher waren Allrounder, britische Vorsteher für Menschen mit Tweed und Range Rover, Dackel und Terrier Bauhunde. In den 80ern, in denen ich jagdlich konditioniert wurde, waren Stöberhunde selten.
Meine Deutsch Langhaarhündin, seit meinen Studienzeiten mit mir WG- und reiseerfahren, war in ein einem Alter in dem das Ende absehbar war und der Wunsch nach einem zweiten Jagdhund da, solange sie noch gut beieinander war.
Aber warum ein Cocker? „Aha ein Cocker, wo ist denn der Zwinger?“ versuchte ich schön‘ Wetter zu machen. Meine Frau freudig darauf, dass sie das nicht wisse und wir wären dann der vierte Besitzer und der Hund ist erst ein dreiviertel Jahre alt aber schon gut konditioniert, aus Jagdhunde in Not und sie hätte auch schon ein Hotel in Berlin gefunden in der Nähe des Tierheimes. Mir war klar, dass der häusliche Friede ohne dieses Tier nicht zu halten wäre, wir fuhren also nach Berlin.

Das war aber einfacher gedacht als getan. Vor Berlin waren investigative Untersuchungen des Tierschutzes gestellt. Ich habe während meiner Militärzeit Sicherheitsüberprüfungen des MAD über mich ergehen lassen müssen und dachte, ich wäre fast alles gewöhnt. Bis zwei Damen kamen, die das unterste des Hundekorbes unserer Wohnung nach oben kehrten. Ich hatte bei der Hausdurchsuchung schon einen „Unverletzlichkeit der Wohnung Grundgesetz Artikel 13 Blick“ aber als ich meine Frau sah, die diese Damen umgarnte, war mir klar: auch hier stellst Du Dich nun am besten tot. Nachdem wir die Tierschutzinqusition inklusiv peinlicher Befragung mit Bravour überstanden hatten durften wir nach Berlin fahren und den handzahmen, wohlerzogenen, jagdlich konditionierten und schmusigen Cocker abzuholen – alles gelogen!

Die schwarze verstörte Cocker Hündin war „alles-außer-Futter-Scheu“: handscheu, wasserscheu, schussscheu, autoscheu, aber auch wiesen-, menschen- und spazierengehenscheu.
Wir hatten ein kleines schwarzes Bündel von Cocker Hündin in einem gelben Brustgeschirr an der Leine, die sich von Busch zu Busch rettete um nicht mit Menschen oder irgendetwas anderem in Sichtkontakt zu treten. Wir luden das Bündel unter wohlwollenden Bestätigungen der Tierschutzbetreuer ein – wahrscheinlich von den Tierschutz-Stasi-Tanten schon instruiert, dass sie nun eine einmalige Chance haben, dieses seelische Hundewrack an Irre abzugeben, die einen sogar einen Strip der Privatsphäre für eine völlig verkorkste Töle hinlegen.
Unser Wagen wurde von dem sabbernden Bündel, das vor Angst auf dem Heimweg von Berlin tausend Tode starb – ich erinnere an autoscheu – gründlich vollgekotzt. Jeder andere hätte jetzt wohl den Hund einfach an dem nächsten Tierheim abgegeben aber wir zogen es durch.

Auch die Sache mit jagdlich konditioniert oder handzahm war eine glatte Lüge. Die Hündin, Donna gemäß Wurfname, wurde von unseren Besuchern nur „schwarzer Blitz“ genannt. Sie versteckte sich menschenscheu unter Kanapee oder Küchenbank und schoss in Sekundenbruchteilen von einem in das nächste Versteck. So ging es für Monate. Als sie etwa sechs Monate bei uns war, leinten wir sie erstmals in unserem damals norddeutschen Flachlandrevier ab. Wir hofften, sie hereinrufen zu können. An statt dessen verschwand ein kleiner schwarzer Punkt jiffend am Horizont. Und dies jedes Mal bei Anblick von Gänsen, Enten, Raben, Elstern, … also immer. Glücklicherweise war unser Revier groß genug, dass der Horizont dazu gehörte, meistens zumindest. Wir schafften uns eine Schleppleine an, länger als normal, denn an Geschwindigkeit mangelte es Donna nicht.

Auch die Sache mit dem stubenrein war glatt gelogen, der Hund machte Monate in die Wohnung, wir übten mit Zeitungen, Wohlwollen, Zureden. In dem alten Schloss waren nicht nur die historischen Dielen von herrschaftlicher Breite sondern deren Fugen auch. Wohl in einer Mischung aus Nähe suchend und Angst vor neuer Umgebung breitete sich unter unserem Himmelbett der betörende Duft der Notdurft aus; das sind die Momente, in denen die gewaltfreie Erziehung beinahe ihre Grenzen findet, aber wer schon einmal nachts um fünf Dielenspalten unter Matratzen reinigte, weiß, dass dabei keine Energie für Übergriffe bleibt.

Damit aber nicht genug, Donna konnte nicht viel, aber hatte viel. Vor allem Flöhe! Nachdem wir in einem Schloss mit breiten Bodendielen und – Ritzen lebten, lebten dort auch bald Donnas Bewohner. Nichts half mehr – wir versuchten Flohhalsbänder, Flohpuder, Floh-was-auch-immer und wuschen wir wie die Bescheuerten alles was in diesem Haus war. Am Ende entschieden wir uns erstmals für Gas. Wir hatten ein schlechtes Gewissen, aber es war nach Clausewitz die Fortsetzung des Flohhalsbandes mit anderen Mitteln. Wie die heilige Familie auf dem Weg nach Ägypten packten wir das Kind, die Mutter und die Hunde auf den Allrad-Esel. Der Vater, also ich, zündete in strategisch geplanten Rückzug aus der verwinkelten Wohnung im Schloss einen Insekten-Gas-Container nach dem anderen. Zimmer um Zimmer blieben mir je drei Sekunden bevor grüner Rauch aus den Behältern quoll. Als ich die die letzte Tür hinter mir geschlossen hatte, quoll Rauch wie beim Häuserkampf unter der Tür hervor, aber hier kämpfte nicht Blau gegen Rot wie früher im Manöver sondern der grüne Rauch gegen die Sechsbeiner. Nach ausführlichen Verwandtenbesuchen im Süden kehrten wir mit geziemend zeitlichem Abstand zurück. Die Cocker-Hündin hatte mit Ihrem Flohzirkus nicht nur die chemische Industrie angekurbelt, auch die Hersteller von Staubsaugerbeuteln mussten mit dem Friedhof der Krabbeltiere den wir vorfanden ihr Jahresziel schon im Frühjahr erfüllt haben.

Ich versuche mir die ganze Zeit etwas Positives in Erinnerung zu rufen, was Donna brachte, vielleicht war es die Abwechslung in unserem Leben, sonst aber wenig. Die Alles-Scheue setze sich fort. Erst als wir aus beruflichen Gründen in kurzer Zeit zweimal umzogen und sie mitnahmen, platze der Knoten und der Hund wurde zutraulich. Offensichtlich hatte sie begriffen, dass wir sie nicht mehr hergaben.
Wir landeten beruflich in Bayern und mit dem nun etwas seelisch gefestigteren Hund meldete ich mich blauäugig zur Brauchbarkeitsprüfung an.

Das Schicksal wollte es, dass just im gleichen Kurs ein Cocker-Züchter und Verbandsrichter seinen Cocker-Rüden führte. So erfuhr ich wertvolle Hilfestellung und immer wieder interessante Geschichten zu Cocker Spaniel, deren Züchtern und beider Marotten. Allerdings gestaltete sich das Unternehmen Brauchbarkeitsprüfung als fast unmöglich. Selbst mit Reduktion auf Schalenwildtauglichkeit ohne Apportieren machte mir die Schussfestigkeit Sorgen. Schon geringe Lärmquellen ließen Donna als Silberstreif am Horizont verschwinden. Mit viel Mühe und enormen Anstrengungen der Ausbilder des Ansbacher Brauchbarkeitskurses konnten wir den Hund über die Hürden hiefen. Damit war aber noch lange nicht die jagdliche Praxis erledigt. Bei jedem Hochnehmen der Waffe, fing Donna in Erwartung des Schusses an zu zittern, dass man die Scharfschützenkenntnisse eines an schwankende Untergründe gewohnten Marine Infanteristen benötigte, um von dem schwankenden und zitternden Hochsitz einen sicheren Schuss abzugeben. Kaum war der Schuss gebrochen, schlug die Schussscheue in Schusshitze um und der Hund schoss wie ein schwarzer Blitz vom Hochstand, beschrieb eine Parabel bis zum Aufschlag und war anschließend nicht mehr gesehen auf der Suche nach Wild. Glücklicherweise konnten wir diese extreme Eigenart auf Hochsitzen unter drei Meter Höhe feststellen, fortan wurde Donna auf vibrationssichereren Sitzen angeleint und sonst im Auto gelassen. Totsuchen auf angeschweißtes Wild erledigte sie verlässlich und wurde auch sonst in der Familie immer zutraulicher. Bei Fremden fremdelte sie jedoch noch immer in höchstem Maße.

So nahm ich Sie mit auf Drückjagden, vom Stand geschnallt, umschlug sie Nachbarschützen fremdelnd weiträumig, stöberte weiträumig und ließ sich auf Grund ihrer Weiträumigkeit aber auch nicht so einfach einsammeln. Wenn nach dem Treiben die Hunde von Treibern und Schützen wie sonst üblich mitgenommen wurden, war mir klar, dass ich angerufen werde und Donna abholen kann, da sie mit Niemand außerhalb der Familie mitgeht. Auf einer Jagd in Sachsen-Anhalt wurde dies zum echten Problem. Donna war auf eine mit Schallschutzmauern umgebene Bundesstraße geraten. Alle Einfangversuche Dritter scheiterten. Selbst als die Straßenbehörde eine Vollsperrung der Straße errichtete, gelang dies nicht. Es dauerte relativ lange mich aus den Wäldern des Harzes zu unserem Hund zu bringen und ich kann mir nicht vorstellen, dass woanders eine solche Aktion für den Hund stattgefunden hätte. Auch machte mich ihr Jagdtrieb und ihre Wasserscheu zu stetem Besucher des Ansbach Hofgartens. Wenn Sie in ihrer Jagdpassion hinter Enten herjagend die Wasserscheue vergaß und durch die Rezat gut einen Kilometer bis in den Hofgarten jagte, traute sie sich ohne sichtige Ente nicht mehr wasserannehmend zurück. Dann wurde ich von der staatlich-bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung benachrichtigt und holte mit dem Fahrrad unseren Hund. Donna verhalf mir dadurch dazu, der einzige geduldete Radfahrer im Hofgarten zu sein, darauf hätte ich gerne verzichtet.

Daneben sorgte Donna für unfreiwillige Lacher, da der Futtertrieb so ausgeprägt war, dass sie es auch schaffte ihren Kopf in Futterschachteln zu bohren so sie derer habhaft wurde, diese leer zu fressen, aber die festsitzende Schachtel nicht mehr vom Haupt zu entfernen. Klopfende Geräusche machten uns dann auf die blind gegen Schränke Laufende aufmerksam. Man könnte mit den Eigenarten dieses Hundes noch Seiten füllen, neben viel Ärger hat sie auch viel Freude bereitet, trotzdem glaube ich, wir gehen nie mehr so ein Experiment ein, man sollte sein Glück nicht zu oft herausfordern.

Auch wenn viele Marotten mit der Zeit verschwanden, so blieb doch Unwohlsein vor dem Autofahren, auch wenn die Angst wich, Donna verkroch sich am liebsten im Fußraum. So wurde bald klar, dass mit wachsender Kinderzahl der Cocker der optimale Jagdgefährte ist. Klein, leistungsstark und leistungswillig reisen heute unsere Cocker mit uns und unseren drei Kindern durch Europa – ohne Bus, ohne Hundeanhänger.

Leider musste Donna schon mit neune Jahren mit Krebs wieder von uns gehen. Aber sie hat mehr hinterlassen als nur Mühen und Ärger. Die Kenntnis um die positiven Eigenschaften eines Cockers, in der Familie wie auf der Jagd hat sie und hinterlassen – heute sind vier Cocker Spaniel ihr gefolgt.

Von der Eichleite, vom Talbrunnen und vom Schwarzen Bock und wir hoffen viele dürfen noch kommen. Nach dem Experiment Cocker, haben wir nun den Versuch Cocker-Hündin und Cocker-Rüde bei uns im Haus und wenn Donna uns eines gelehrt hat, ist es, dass mit den kleinen quirligen Hunden nichts unmöglich ist.

Christian Fuhrmann, Mann der Züchterin Meike Appel-Fuhrmann Zwinger vom Schwarzen Bock, Erstfassung 10.3.2019


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Christian H. Fuhrmann

In den 70ern in Würzburg geboren und im Fränkischen Steigerwald und Kärntner Gailtal aufgewachsen jagt seit seiner Studentenzeit, ist JGHV Verbandsrichter für Stöberhunde, staatlich bestätigter Jagdaufseher in Bayern und Träger des Ehrenzeichens in Silber des BJV.
Als Alter Herr der katholischen Verbindung Rhenania Marburg und der Jagdverbindung St.Euchtachius Würzburg wurde er jagdlich klassisch konditioniert. Er war Praktikant des hessischen Landesjagdverbandes während des Studiums und Vorsitzender der Kreisjägervereinigung Ansbach von 2013 bis 2019, widmet sich heute nurmehr den Jagdhunden und studentischem Jagdwesen.
Er führte zuerst einen Irish Setter Rüden, dann eine Deutsch Langhaar Hündin ab, bevor seine Frau beschloss, dass er mit Cockern am glücklichsten ist.
Mit seinem aktuellem Rüden Arran vom Schwarzen Bock konnte er JZP, HZP, GP und 20 Stunden VerbandsFährtenschuh Prüfung am Hoherodskopf in Hessen jeweils als Suchensieger abschließen, 20 Stunden Verbandsschweißprüfung Pfälzerwald erfolgreich absolvieren und ist Stöberhundeführer auf vielen Landes-, Bundes- und Privatjagden aus Leidenschaft.
Daneben bewirtschaftet die Familie ein Revier mit etwas über 1.000 Hektar aus dem das Wild für die Bioland zertifizierte Gastronomie im Bio Hotel Schwarzer Bock **** gewonnen wird.

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Anmerkungen

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Einmal Cocker, immer Cocker. So geht es mir zumindest. Der nächste Cocker wird einer aus der Working Linie, der im Gegensatz zu deutschen Jagdspaniels nicht spurlaut sein soll und nur für die Jagd auf Niederwild gedacht ist. Diese Hunde haben einfach viel Jagdverstand und eine sehr gute Nase. Einmal auf der Pirsch habe ich mich flach hingelegt, um nicht entdeckt zu werden, da hat der junge Hund synchron Down gemacht – ohne Kommando.
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