Die Weisheit der Wälder – Auf der Suche nach dem Mutterbaum

Buchvorstellung von Thomas Thelen

Die Weisheit der Wälder von Suzanne Simard ist ein herausragendes Buch (erschienen 2021 in den USA, 2022 in Deutschland), das die komplexen und oft übersehenen Kommunikations- und Unterstützungsnetzwerke in Wäldern enthüllt und naturwissenschaftlich belegt. Simard, eine international führende Forstökologin, beschreibt in ihrem Werk, wie Bäume und Pflanzen durch ein unterirdisches Netzwerk aus Pilzen miteinander verbunden sind, das sie das Wood Wide Web nennt.

Die Autorin entstammt einer Familie von Holzfällern an der Westküste Kanadas; sie lehrt heute als Professorin für Forstökologie an der University of British Columbia. Ihre Arbeiten zum Wood Wide Web und ihr vielfältiges Lebenswerk bis hin zu legendären TED-Auftritten haben weitreichende Kreise ziehen können und dienten nicht zuletzt vielen Künstlern als Inspiration.

Das Revolutionäre ihrer Forschung kreist um die Mutterbäume, alte, mächtige und geheimnisvolle Bäume, die die Flora um sie herum versorgen, verbinden und schützen. Simard hat erkannt und belegt, dass Bäume lebendige Wesen mit hochspezialisierten Aufgaben sind, die soziale Strukturen bilden und über ein Geflecht aus unterirdischen Netzwerken miteinander kommunizieren. Sie lernen, passen sich Veränderungen an, erkennen ihre Nachbarschaft, haben eine Speichermöglichkeit für Erinnerungen und sogar einen Sinn für die Zukunft!

Bäume konkurrieren miteinander, unterstützen sich aber zugleich auf erstaunlich hochentwickelte Weise – so entfaltet der Klappentext eine treffende Skizze des Bandes. Ein zentrales Experiment beinhaltete die Verwendung von Kohlenstoffisotopen, um den Austausch von Nährstoffen zwischen verschiedenen Baumarten zu verfolgen. So fand Simard heraus und bewies, dass zum Beispiel Birken und Douglasien Kohlenstoff saisonal austauschen, um sich gegenseitig zu unterstützen.

Baumvernetzung und Mutterbäume

Durch jahrzehntelange Feldforschung entdeckte Simard, dass Bäume über ein komplexes unterirdisches Netzwerk aus Pilzfäden (Mykorrhiza) miteinander kommunizieren und Nährstoffe, Wasser und Signalstoffe austauschen. Ältere Mutterbäume versorgen dabei jüngere Bäume mit lebenswichtigen Ressourcen und fungieren als Knotenpunkte in diesem Netzwerk.

Waldökosysteme als Gemeinschaft

Simard zeigt, dass Wälder keine Ansammlung von Einzelkämpfern sind, sondern hochkomplexe Gemeinschaften, in denen Bäume und andere Organismen in Symbiose leben. Diese Erkenntnis widerspricht der gängigen Sichtweise, dass Bäume in einem erbitterten Wettbewerb um Ressourcen stehen.

Autobiografische Elemente

Neben wissenschaftlichen Erkenntnissen flechtet Simard autobiografische Elemente ein, die ihre Verbundenheit mit den Wäldern und die spirituelle Dimension ihrer Arbeit beleuchten. Sie erzählt von ihrer Kindheit in den Wäldern Kanadas und wie ihre Forschung von der Weisheit indigener Völker inspiriert wurde.

Aufruf zum Umdenken

Simards Buch ist ein dringender Aufruf, unsere Sicht auf Wälder zu überdenken und deren Bedeutung für das Ökosystem und den Klimaschutz neu zu bewerten. Sie plädiert für einen respektvolleren Umgang mit diesen faszinierenden Lebensgemeinschaften und eine nachhaltigere Forstwirtschaft.

Simards Erkenntnisse inspirierten den Regisseur James Cameron zum Tree of Souls in seinem Filmepos Avatar; ihr Leben und Werk diente als Vorlage für den fiktiven Charakter Patricia Westerford in Richard Powers Roman Die Wurzeln des Lebens, der 2018 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, aber auch ambivalent rezipiert wurde.

Und ja, es gibt auch Bezüge – zumindest inhaltliche – zu Geflochtenes Süßgras. Die Weisheit der Pflanzen von Robin Wall Kimmerer, denn nicht zuletzt die spezifische Perspektive der Indigenen hat auch die Arbeit Simards maßgeblich beeinflusst.

Die besondere Qualität des New-York-Times-Bestsellers Die Weisheit der Wälder entsteht aus dem iterativen Prozess von wissenschaftlicher Fokussierung und ganzheitlicher Betrachtung, ergänzt um und kombiniert mit persönlichen Erfahrungen der Autorin. So entsteht ein großartiges Werk „mit Wumms“.

PRESSESTIMMEN

Die Weisheit der Wälder von Suzanne Simard, im Original Finding the Mother Tree, hat in der deutschsprachigen Literaturkritik und Lesergemeinschaft viel Beachtung gefunden. Hier sind einige zusammengefasste Rezensionen:

Petra Ahne in der Frankfurter Allgemeine Zeitung: Petra Ahne beschreibt Simards Werk als „filmreif“ und hebt die anschauliche Darstellung der symbiotischen Beziehungen zwischen Bäumen hervor. Obwohl Ahne die gelegentlich plumpe Dramaturgie und die starke Anthropomorphisierung kritisiert, lobt sie die leidenschaftliche und mitreißende Erzählweise über die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Simard, insbesondere den Kohlenstoff-Austausch zwischen Birken und Douglasien und die symbiotische Beziehung zwischen Bäumen und Pilzen.

Rezension auf Perlentaucher: Die Rezensentin lobt die einfühlsame und leidenschaftliche Darstellung der symbiotischen Beziehungen zwischen Bäumen und Pilzen, insbesondere den sogenannten „Mutterbäumen“, die als zentrale Knotenpunkte im „Wood Wide Web“ fungieren. Diese Netzwerke vermitteln wichtige Ressourcen und Informationen innerhalb des Waldes. Trotz der Kritik an der teils simplen Dramaturgie wird Simards Engagement und ihre Fähigkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse mit persönlichen Geschichten zu verweben, positiv hervorgehoben.

Suzanne Simard

© Brendan George Ko

Suzanne Simard stammt aus einer Familie von Holzfällern an der Westküste Kanadas. Sie ist heute Professorin für Forstökologie an der University of British Columbia und gilt als weltweit führende Expertin auf dem Gebiet nicht-menschlicher Kommunikation und Intelligenz. Sie wird von vielen Kolleginnen und Kollegen aus der Community als eine der zugänglichsten und verständlichsten Referentinnen für komplizierte wissenschaftliche Zusammenhänge bezeichnet und inspirierte mit ihren Arbeiten zum »Wood Wide Web« zahlreiche Künstler, darunter auch den Regisseur James Cameron zum Tree of Souls in seinem Film Avatar. Ihre TED-Talks sind legendär und wurden inzwischen über 10 Millionen mal angesehen.

Thomas Thelen

Thomas Thelen ist Deutsch-Drahthaar-Bändiger, Leihhund-Bespaßer, Fliegenfischer, Holzwerker und Genießer – und eher nebenher Unternehmensberater und Autor.
Zuhause in den südbadischen Weinbergen, hält er nicht nur nach Schwarz- und Rehwild Ausschau, sondern auch nach empfehlenswerter Lektüre und leckeren Rezepten. Wenn sie seinen Geschmackstest bestehen, werden sie hier umgehend weiterempfohlen – oder kritisch betrachtet.

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