Der Ichthyosaurus

von Josef Viktor von Scheffel

Es rauscht in den Schachtelhalmen,
verdächtig leuchtet das Meer,
da schwimmt mit Tränen im Auge
ein Ichthyosaurus daher.

Ihn jammert der Zeiten Verderbnis,
denn ein sehr bedenklicher Ton
war neuerlich eingerissen
in der Liasformation.

»Der Plesiosaurus, der alte,
er jubelt in Saus und Braus,
der Pterodaktylus selber
flog neulich betrunken nach Haus.

Der Iguanodon, der Lümmel,
wird frecher zu jeglicher Frist,
schon hat er am hellen Tage
die Ichthyosaura geküßt.

Mir ahnt eine Weltkatastrophe,
so kann es länger nicht gehn;
was soll aus dem Lias noch werden,
wenn solche Dinge geschehn?«

So klagte der Ichthyosaurus,
da ward es ihm kreidig zu Mut,
sein letzter Seufzer verhallte
im Qualmen und Zischen der Flut.

Es starb zu derselbigen Stunde
die ganze Saurierei,
sie kamen zu tief in die Kreide,
da war es natürlich vorbei.

Und der uns hat gesungen
dies petrefaktische Lied,
der fand’s als fossiles Albumblatt
auf einem Koprolith.

Abb.: Deprimierter Ichthyosaurus; Bildquelle: KI-Bildgenerator

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Joseph Victor Scheffel

Dr. Joseph Victor Scheffel, ab 1876 von Scheffel (* 16. Februar 1826 in Karlsruhe; † 9. April 1886 ebenda), war ein im 19. Jahrhundert viel gelesener deutscher Schriftsteller und Dichter. Er schrieb Erzählungen, Versepen und bekannte Liedtexte. Er war indirekter Schöpfer des Begriffes Biedermeier.

Auf Wunsch seines Vaters studierte er von 1843 bis 1847 in München, Heidelberg und Berlin Rechtswissenschaft. Zusätzlich belegte er germanische Philologie und Literatur. In Heidelberg war er zunächst Mitglied der Burschenschaft Allemannia I (1844/1845), dann der Burschenschaft Teutonia (1845) und schließlich der Burschenschaft Frankonia II (1846/1847), die sich im Sommer 1849 auflöste. In Berlin war er bei der Alten Berliner Burschenschaft aktiv. Am 28. Februar 1856 verlieh ihm die Burschenschaft Teutonia Jena die Ehrenmitgliedschaft Scheffel wurde 1872 Ehrenmitglied der Leipziger Universitätssängerschaft zu St. Pauli (heute in Mainz).
Aus Anlass seines 50. Geburtstages wurde Scheffel durch Großherzog Friedrich I. von Baden in den badischen erblichen Adel erhoben. Scheffel erhielt noch zu Lebzeiten die Ehrenbürgerschaft von Säckingen (1875), Radolfzell (1876) und Heidelberg (1886).

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Anmerkungen

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