Brandungsangeln an der Algarve und Salada de Polvo

von Daniel Schoch

Während meiner Zeit in Portugal zog es mich immer wieder an einen wunderschönen Platz an der Westküste der Algarve, um mich dort ganz und gar einer meiner liebsten Beschäftigungen zu widmen: dem Angeln.

Bildquelle: Daniel Schoch


Es gab dort viele schöne Plätze, aber mein Stammplatz war schon außergewöhnlich, selbst für portugiesische Verhältnisse. Man konnte ein Stück durch felsiges und sandiges Gelände gehen, musste ein bisschen klettern, die Angeltasche auf dem Rücken, und kam dann auf einem Plateau an, dass wohl ein Vulkanausbruch vor ewigen Zeiten erschaffen hatte.

Abb.: Auf dem Weg zum Plateau; Bildquelle: Daniel Schoch

Zerklüfteter roter Fels, fast stachelig, gespickt mit ein paar Löchern unterschiedlicher Größe, in manche davon wurde unter der Wasseroberfläche ständig Wasser hinein gedrückt, das dann teils mit lautem Zischen nach oben entwich, teils wieder auf dem selben weg abfloss, durch den es eingedrungen war.
Bei Ebbe war die niedrigste Stelle vielleicht drei Meter über der Wasseroberfläche, bei Flut war das Wasser etwa auf der Höhe der tiefsten Plateaukante. Kletterte man nun an der linken Seite des Plateaus auf eine Erhöhung, so konnte man sowohl nach vorn, in Richtung des offenen Meeres angeln, als auch links vom Plateau in eine Bucht, in der ein winziger Fischerhafen lag.

Abb.: Daniel Schoch beim Brandungsangeln auf dem Plateau; Bildquelle: Daniel Schoch

Meist angelte ich dort mit der Methode, die mir mein Freund Bumbum einst gezeigt hatte: 50 Gramm-Laufblei direkt auf der Hauptschnur, 2er Haken ohne Vorfach drunter montiert, Garnele drauf, mit etwas Gummifaden gesichert und raus damit.

Abb.: Daniel mit Meerbrasse; Bildquelle: Daniel Schoch

Auf diese Art hatte ich dort nie besonders große, dafür recht viele Fische überlistet, vor allem Meerbrassen, so manchen Roten Drachenkopf, ein paar Meeräschen, verschiedene Lippfische und einmal sogar zwei Drückerfische.

Abb.: Daniel mit Drückerfisch; Bildquelle: Daniel Schoch
Abb.: Drückerfische; Bildquelle: Daniel Schoch
Abb.: Roter Drachenkopf; Bildquelle: Daniel Schoch

Fürs Abendessen reichte es meist. Nun gibt es dort recht viele Arten, die man nicht vom Ufer und schon gar nicht auf so plumpe Art erwischt, dennoch gab es immer wieder auch Überraschungen, mit denen man nicht gerechnet hat. Zwei davon blieben mir ganz besonders in Erinnerung.

Abb.: Auf dem Plateau; Bildquelle: Daniel Schoch

Die eine waren besagte Drückerfische, die ich bis zum Fangtag nicht gekannt hatte, und die uns wunderbar mundeten. Von der anderen werde ich im Folgenden berichten.

Ein großer Nachteil des Angelns auf Grund in einem derart zerklüfteten Felsgebiet ist die Gefahr, dass das Blei sich in einer Felsspalte verhakt oder der Haken hängen bleibt. Während einem bei ersterem oft nur die Möglichkeit blieb, die Montage abzureißen und neu zu binden, bekam man den Haken oft noch los, indem man zunächst die Schnur stark spannte, und sie dann durch umklappen des Rollenbügels schlagartig entspannte. Dadurch löste sich der Haken meist vom Fels, und weiter ging´s.
Manchmal aber merkte man, dass sich das untere Ende der gespannten Schnur nach links oder rechts bewegte, als ob der Fels mit dem Köder flüchten wollte. Der Fels war es dann aber nicht, es war ein Polvo, also ein Oktopus, der sich den Köder geschnappt und sich damit auf den Fels gesetzt hat. Mit seinen ca. 2.000 Saugnäpfen an den acht Armen konnte er sich verdammt gut festhalten, und ihn durch Zug an der Angelschnur zu lösen, war nahezu unmöglich.

Und dann kam der Tag, an dem es wieder soweit war. Ich straffte die Leine, sie wanderte erst ein Stück nach links, dann ein Stück nach rechts. Als sie in die Mitte zurück kam, kurbelte ich noch ein, zwei Mal, und stellte mit Erstaunen fest, das sich etwas bewegte. Und zwar in die Richtung, in die ich zog. Ich begann zu pumpen, also kurbeln, die Rute nach unten bewegen, wieder kräftig kurbeln. Nach ein paar Metern eingeholter Schnur hielt ich inne, um zu spüren, ob vielleicht ein unerwartet schwerer Fisch am andern Ende zappelte, doch nein, nichts geschah. Ich pumpte weiter, es fühlte sich an, als hinge ein aufgespannter Regenschirm am Haken. Plötzlich erschien mein Fang an der Oberfläche und ich traute meinen Augen kaum. Ein Polvo war dran, tatsächlich wie ein Schirm sah er aus, mit ausgestreckten Armen.

Abb.: Oktopus; Bildquelle: Foto von K. Mitch Hodge auf Unsplash

Ich hob ihn schnell über den Fels und setzte ihn darauf ab. Augenblicklich nahm er in dem Moment, in dem er den Boden berührte, dessen Farbe und Muster an. Fantastisch! Eigentlich viel zu faszinierend zum essen.

Abb.: Oktopus; Bildquelle: Foto von Bryan Burgos auf Unsplash

Aber die Tierchen schmecken leider auch wahnsinnig gut, und ich hatte nun tatsächlich zum ersten Mal einen mit der Angel gefangen. Schnell hob ich ihn auf, den er begann unverzüglich, davon zu laufen. Ich griff ihn mit der linken Hand am Kopf und löste seine Arme, einen nach dem andern mit der rechten vom Untergrund ab und versuchte sie mit der Linken festzuhalten. Das erwies sich sogleich als unmöglich, sie umschlangen sofort meinen Unterarm. Etwas hilflos stand ich da, überrascht von der Kraft, mit der der gut anderthalb Kilo schwere Oktopode zudrückte. Was tun, mit dem Geschöpf, um es auf meinen Teller zu bekommen?
Zum Glück stand ein Stück weiter ein portugiesischer Angler auf dem Plateau, was nicht oft der Fall gewesen war. Es war mir irgendwann gelungen, den Tintenfisch von meinem Arm zu lösen und ihn halbwegs vernünftig halten zu können. Ich fragte den Portugiesen, wie nun am besten vorzugehen sei. Er erklärte mir, ich solle den Polvo an einem oder mehren seiner Arme greifen, und ihn pro Kilo seines Körpergewichts hundertmal auf den Fels hauen, um das Fleisch zart zu bekommen. Diese Prozedur würde er ohnehin nicht überleben, danach solle ich das Beißwerkzeug heraustrennen, den Kopf umstülpen, und alles entfernen, was darin zum Vorschein komme. Danach kochen und essen, bom apetite!
Gesagt, getan. Es tat mir zwar leid um dieses faszinierende Lebewesen, aber der Drang, meinen Fang zu verwerten, war größer. Er landete in Kochtopf und anschließend mit Zwiebeln und frischem Koriander als Salat auf unseren Tellern. Ein Hochgenuß!

Inzwischen durfte ich schon mehrere Polvos verwerten und bin dazu übergegangen, sie mit einem Stich zwischen die Augen schnell zu töten, und danach einzufrieren und wieder aufzutauen. Der Effekt des Tiefkühlens ist derselbe, wie beim Schlagen auf den Fels, das Fleisch wird weich und zart.

Eine ganze Zeit nach diesem ersten Polvo-Fang war ich zum Messebau in Estoril, in der Nähe Lissabons. Während der Laufzeit der Messe verbrachte ich mit meinen aus Deutschland angereisten Kollegen ein paar Tage im malerischen Azenhas do mar.

Abb.: Azenhas do Mar, Colares, Portugal; Bildquelle: Foto von Vlad D auf Unsplash

Es war Sommer, wunderbares Wetter, wir verbrachten den Nachmittag am kleinen Strand des Dörfchens, und weil Ebbe war, krochen wir auf den Felsen herum und schauten, was dort so alles lebte. Schnell fanden wir ein paar Muscheln, und an einem kleinen Felsüberhang ein paar Percebes, die begehrten und oft nur unter Lebensgefahr erreichbaren Entenmuscheln.

Abb.: Entenmuscheln; Bildquelle: Foto von Natali Martynova auf Unsplash

Eine Delikatesse, und für mich eines der feinsten Lebewesen, die das Meer hervorbringt.

Abb.: Entenmuscheln serviert; Bildquelle: Foto von Menú Acapulco auf Unsplash

Und dann standen wir um ein Loch im Fels, mit etwa anderthalb Meter Durchmesser, ebensolcher Tiefe und an seinen Wänden dicht mit grünen Wasserpflanzen bedeckt. Ich wusste, dass man in diesen Löchern, die bei Flut mit Wasser bedeckt sind und bei Ebbe gefüllt an Land zurück bleiben, oft Krabben findet, die unser kleines Muschelessen bereichert hätten.
Doch ein auffallend schnelles und großes Tier zog sofort unsere Aufmerksamkeit auf sich. Es war ein kleiner Polvo, vielleicht siebenhundert, achthundert Gramm schwer, der durch die Pfütze schoss und in den Wasserpflanzen verschwand.
„Cool, kann man die essen?“, fragte mich mein Kumpel Christian, der offensichtlich genauso begeistert von selbst erjagtem Essen ist, wie ich es bin, und legte sich sofort auf den Boden am Rand des Tümpels, um in den Pflanzen nach dem Polvo zu tasten. „Klar!“, sagte ich, und Christians Arm verschwand immer tiefer in er kleinen Höhle, die er zwischen den Pflanzen ertastet hatte. Da ich weiß, was sich in kleinen Unterwasser-Höhlen so alles verkriechen kann, hätte man mich nur mit vorgehaltener Waffe dazu bekommen, meinen Arm, wie er es tat, bis zur Schulter in so ein Loch zu stecken. Aber Christian kannte weder Muränen noch den Roten Drachenkopf, und sein Jagdfieber war erwacht. „Ich hab ihn gleich“, rief er, „kann ihn schon berühren!“ Und kurz darauf zog er seine Hand zurück, und darin hielt er mit festem Griff den kleinen Polvo.
Ich war begeistert.


Abb.: Polvo, bzw. Oktopus; Bildquelle: Daniel Schoch

Im örtlichen Mini-mercado kauften wir noch ein paar Garnelen, Kartoffeln, zwei Tomaten und frischen Koriander und so gab´s zum Abendessen zunächst als Vorspeise die Percebes, und dann eine wunderbare kleine Cataplana mit frischen Muscheln, Garnelen und dem Tintenfisch. Mit einigen Flaschen Sagres wurde der Jagderfolg gefeiert. Fisch – und auch Meeresfrüchte – muss schwimmen!

Nun lebe ich schon seit zwölf Jahren wieder in Deutschland, und Polvo bekomm ich nur noch selten auf den Teller, und dann entstammt er in der Regel dem Tiefkühlhaus des örtlichen Fischhändlers.

Bildquelle: Daniel Schoch

Daraus bereite ich meist entweder einen köstlichen nach portugiesischer Art zu oder ich lege die Arme auf den Grill, bzw. in die Pfanne.

Bildquelle: Daniel Schoch
Bildquelle: Daniel Schoch
Bildquelle: Daniel Schoch

In beiden Fällen wird er zunächst im SousVide-Bad gegart, so kann ich ihn ganz gut auf den Punkt garen, er verliert sein Aroma nicht ans Kochwasser, wird nicht zu trocken und benötigt bei anschließendem Grillen oder braten kaum zusätzliches Öl. Dabei gehe ich so vor:

Bildquelle: Daniel Schoch

Die Krake wird mit zwei Knoblauchzehen und ein paar Thymian-Zweigen in einen Vakuumbeutel geben. Ein halbes Glas Olivenöl dazu und den Beutel versiegeln. Dann im Sousvide-Bad 5 Stunden bei 80°C garen.
Anschließend den Beutel in kaltem Wasser zügig runterkühlen.
Beutel dann aufpacken, Polvo raus, die Arme voneinander trennen und alles Glibberige und die Saugnäpfe, die sich beim Garen gelöst haben, abstreifen. Den Schnabel, wenn noch vorhanden, rausschneiden. In aller Regel ist der Polvo beim Händler ausgenommen worden und der Schnabel bereits entfernt.

Für den Salat werden nun die Arme und der Kopf in Stückchen geschnitten. Eine halbe gehackte Zwiebel, eine Knoblauchzehe, den Saft einer halben Zitrone, etwas Olivenöl, Salz und Pfeffer dran. Frischen Blattkoriander hacken und untermischen.
Das Ganze eine Stunde im Kühlschrank ziehen lassen, und fertig.

Abb.: Salada de Polvo; Bildquelle: Daniel Schoch

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Daniel Schoch

Daniel Schoch ist Jäger, Angler, Imker, Geflügelhalter, Selbstversorger, Schreiner und Spinner. Seine Wurzeln liegen in der sonnigen Pfalz, zwischen Rhein und Reben. Nach einem mehrjährigen Ausflug ins schöne Portugal, zog er vor neun Jahren wieder in die alte Heimat. Seitdem isst er die Wälder und Flüsse des Mittelrheingrabens etwas leerer.
Er liebt und lebt für gutes Essen, gute Getränke, für die Jagd und für den Punkrock.

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Anmerkungen

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