Buchvorstellung von Benjamin Rüger
Was lange währt wird endlich gut oder warum eigentlich? Es ist nun schon eine Weile her, als ich auf dem Display meines Smartphones die Benachrichtigung aufblitzen sah: „Nachricht von Jens Werkmeister“. Ein paar Minuten schaute ich auf das Handy, ohne die Nachricht zu öffnen. Habe ich etwas vergessen? Hat Jens ein neues Rezept, das er mir zukommen lassen möchte? Gibt es eine neue Buchrezension? Solange ich die Nachricht nicht öffne, kann es alles und nichts sein. Vielleicht hat Jens auch nur – warum auch immer – Sehnsucht nach mir. Ich entschloss mich kurzerhand diesen uns sonst wohl nur aus Schrödingers Gedankenexperimenten bekannten Zustand einer ungeöffneten Nachricht zu beenden und nun schreibe ich wieder einmal eine Rezension für Krautjunker.
Tage später fischte ich ein Paket aus dem Briefkasten, das schon von weitem auf seinen Inhalt schließen ließ. Mit spitzen Fingern öffnete ich das Paket und erspähte eine azurblaue Ecke des bereits erwarteten Buches Türkisch grillen – Izgara Ataturka von Metin Calis.

Metin Calis ist Koch. Koch aus Leidenschaft und Koch mit ganzem Herzen. Er wurde durch die türkische Küche und insbesondere die Küche seiner Mutter von frühauf kulinarisch geprägt, machte seine ersten professionellen Schritte in der Kulinarik während seiner klassischen Ausbildung zum Koch im Heidelberger Schloss unter Wolf Schönmehl. Nach der Lehre ist Calis zunächst im Restaurant Drei Stuben von Stefan Marquard tätig. Eine berufliche Station, die er in seiner Selbstvorstellung ausgiebig beschreibt und erahnen lässt, wie gerne er dort gearbeitet hat. Im Laufe seiner weiteren beruflichen Laufbahn sammelt Metin Calis noch viele Erfahrungen in der Sternegastronomie – unter anderem dem damals mit zwei Michelin-Sternen prämierten Da Gianni in Mannheim und bei bekannten Größen der Sterneküche wie Kolja Kleeberg, Hans Haas und Joe Gasser. Ein Erwachensmoment für Celis ist nach seiner eigenen Aussage aber letztlich seine Station im Le Canard Nouveau unter Ali Güngörmüs und eine Reise der beiden nach Istanbul gewesen.
Das Buch gliedert sich in einen allgemeinen Grundlagenteil, verschiedene Kapitel zu Meze, Broten, Salaten, Fleisch und Geflügel, Fisch, vegetarischen und veganen Gerichten, Desserts und Grundrezepten für Soßen und Dips. Im Anhang findet sich zudem noch ein Gewürzglossar und ein Rezeptverzeichnis.

Die Rezepte sind allesamt klar und logisch aufgebaut. Die Zutatenlisten sind leicht lesbar und die Anweisungen verständlich verfasst. Man mag an der ein oder anderen Stelle vielleicht beim ersten Lesen denken, dass Metin Calis hier und da sehr experimentell unterwegs ist, versteht aber spätestes beim ersten Probieren während des Kochens, dass auch neue Geschmackskompositionen durchaus ein persönliches Erwachensmoment auslösen können. Ich hatte mir zunächst auf Wunsch von Jens vorgenommen, das Rezept Bliesgauer Rehrücken mit Lauchzwiebeln, Kartoffeln, Kurkuma-Joghurt-Schmand, Granatapfel und Mandeln nachzukochen, stolperte dann aber beim Lesen über einen für mich erst einmal über eine Vorspeise aus grünen Oliven und Grapefruit, die für mich persönlich zum Highlight des Abends wurde.
Aber zuerst zum Rehrücken: Eigentlich sollte man als Jäger die Kühltruhe voller feinster Wildspezialitäten haben. Eigentlich. Doch durch das Leben an sich, wenig Zeit und waidmännisches Pech klafft dort, wo eigentlich der ein oder andere Rehrücken liegen sollte ein großes Loch in meiner Vorratshaltung. Ihr könnt erahnen, wie schmerzhaft die bloße Erwähnung des Wortes „eigentlich“ in diesem Zusammenhang für mich ist. Doch eigentlich ist das auch kein Problem, wenn man sich zu helfen weiß. Kurzerhand disponierte ich auf Lammrücken in der Hauptrolle des Gerichtes um und ließ die mit einem lauten Klacken aus dem Zünder die drei Brenner meines Gasgrills an. Während sich der Grillgeruch breit machte und ich gedanklich in eine der vielen Seitenstraßen Istanbuls abbog, nicht wissen, wo das Ziel ist, aber immer dem Geruch von gegrilltem Fleisch folgend, war der Teller auch schon angerichtet. Die einzelnen Komponenten ergänzen sich durch die unterschiedlichen Texturen, Aromen und Temperaturen sehr gut und das Gericht wirkt ausgewogen und durchdacht.

Fast noch besser als der Rehrücken gefiel mir aber die Vorspeise Grüne Oliven mit Grapefruit. Nach anfänglicher Skepsis und gutem Zureden meiner Frau, begann ich erst etwas widerwillig, dann aber immer begeisterter mit der Zubereitung. Gegrillte Oliven kenne und liebe ich, Zwiebeln gehen immer, die Zitrusnote der Grapefruit machte auch Laune und als die durch Sumach und Oregano geprägte Gewürzwelt sich langsam erahnen ließ, freute ich mich schon auf das Endergebnis. Ich muss vorausschicken, dass dieses Gericht weder aufwändig ist noch viel Zeit benötigt. Die Gesamtschau der Aromen und Texturen war aber schlichtweg überraschend gut. Die Grapefruit und die Oliven beißen sich etwas in ihrer herben und sauren Note, werden aber wunderbar von der alles verbindenden gegrillten Zwiebel verbunden und von den restlichen Zutaten abgefangen.

Fazit. Ohne den Anstoß des Chef-Krautjunkers hätte ich mir dieses Buch wahrscheinlich nie gekauft. Thematisch interessiere ich mich eher für die echte, authentische Landesküche und weniger für moderne Fusion-Varianten. Ebenso waren mir die Bilder zu stark kontrastiert und farblich nicht in meiner Welt. Während man sich über die Gestaltung von Fotografien jederzeit und immer wunderbar streiten kann und hier wohl jeder einen eigenen Stil oder eine eigene Ästhetik sucht bzw. sieht, sind die Rezepte durchaus ein solides Kaufargument für Metin Calis‘ Kochbuch-Debut Türkisch grillen und überzeugen durch die Ergebnisse.
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KRAUTJUNKER-Kommentar: Ich habe es bisher erst geschafft, das Salatrezept Weisse Bohnen mit Tomaten, Granatapfel, Blattpetersilie und Minze auszuprobieren (wobei ich mir aus Zeitgründen das Räuchern sparte und etwas weniger Zitronensaft verwendete) und war ebenfalls begeistert. Nicht ohne Grund wurde das Buch mit dem Gourmand Cookbook Award als Best BBQ & Grill Book prämiert.
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Benjamin Rüger

Benjamin Rüger ist leidenschaftlicher Koch, Jäger, Angler, Fotograf und Genießer. Nach dem Studium im schönen Frankenland verschlug es ihn in die Weltmetropole Frankfurt, wo er als Berater arbeitet und immer auf der Jagd nach neuen und interessanten Seiten des Großstadtdschungels ist. In seiner Freizeit betreibt er zudem er den Blog Herr Rüger.

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Porzellantassen. Weitere Informationen hier.

Titel: Türkisch grillen – Izgara Ataturka
Autor: Izgara Alaturka
Verlag: Heel Verlag
Verlagslink: https://www.heel-verlag.de/tuerkisch+grillen+izgara+alaturka.htm
ISBN: 978-3966640213
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