2000 Jahre Jagd in Österreich: Jagdgeschichte(n) in Rot-Weiss-Rot von den Wurzeln bis zur Gegenwart

Buchvorstellung von Constantin Müller

Als ich das Buch begann, hatte ich praktisch stereotypisch das Bild des bereits ergrauten Franz Josephs in alter Krachlederner und abgewetzter Joppe auf der Gamsjagd in den Sinn.

Abb.: Kaiser Franz Josef auf der Jagd

Dieses Bild geistert, auch bei Nichtjägern, sofort im Kopf herum, wenn es um Jagd in Österreich geht. Oder den Fans der Sissi-Filme der junge Karlheinz Böhm, wie er als fescher Jaga mit seiner Zukünftigen durch die Wälder um Ischl streift. Meine Frau beispielsweise, am Anfang unserer Beziehung, war daher etwas verblüff, dass ich eher selten bis nie so auf die Jagd gehe. Und damit kein Einzelfall bin. Besonders da ich zu dieser Zeit erst am Anfang meines Jägerlebens stand. Und der hessische Knüllwald die bis dato südlichste Jagd für mich war.

Aber es ist nun einmal Franz Josep, als letzter großer Waidmann auf Habsburgsthrone, der das Bild der Jagd in Österreich bis heute prägt. So wundert es nicht, dass Johann Nussbaumer sich Franz Joseph besonders annimmt.

Das ihm gewidmete Kapitel Unser Kaiser als Weidmann: Franz Joseph I nimmt mit dem Titel bereits diese Bild auf. Sehr detailliert beschreibt der Autor hier die Jagd in seinem Lieblingsrevier Bad Ischl. Er vermittelt genau das Bild, dass Jägerinnen und Jäger mit dem Kaiser verbinden: Meistens zu Fuß zum Stand, die einläufige, kleinkalibrige Kipplaufbüchse ohne Glas selber tragend und natürlich mit einen Bergstock.

Doch bis es zu diesem für uns schon fast klischeehaften Bild der österreichischen Jagd kam war es ein weiter Weg. Diesen zählt der Autor beginnend bei den Kelten bis zur 2. Republik in einer Kombination aus Fakten und kleinen Anekdoten auf und überlässt es zuweilen dem Leser seine Schlussfolgerungen zu heute zu ziehen. Dies beginnt bereits mit dem Grundsatz der Naturvölker, dass ein großer Herrscher [mußte] auch ein guter Jäger sein. Finden sich nicht bis heute dazu zahlreiche Beispiele? Auch wenn diese „Herrscher“ dann nicht immer auch Waidmänner sind.

All dies und weiteres schildert Johann Nussbaumers in 2000 Jahre Jagd in Österreich, welches die Jagdkultur des Landes nachzeichnet. Das Buch kombiniert historische Forschung, kulturgeschichtliche Betrachtungen und persönliche Einblicke in die österreichische Jagdtradition und bietet damit eine facettenreiche Reise durch die Geschichte der Jagd. Während es in weiten Teilen informativ und reich bebildert ist, weist das Buch jedoch auch einige Schwächen auf, die eine kritische Betrachtung verdienen.

Der Autor strukturiert das Buch chronologisch und beginnt seine Reise in der Antike, bei den Kelten, für die die Jagd bereits mehr Bedeutung hatte, als die reine Fleischbeschaffung. So galt die Jagd auf Schwarzwild, besonders des Keilers, mit der blanken Waffe als Symbol der Kraft und Wildheit, für die bereits eigens Hunde gezüchtet wurden. Auch begann in dieser Periode die Ansicht, dass es sich hierbei um eine gute Vorbereitung für den Krieg handelt. Sowie der Sportsgeist, dass das Wild eine faire Chance hat zu entkommen und der Jäger für die Erlegung sich in einem gewissen Maße in Gefahr begibt. Ein Grundsatz den wir heute noch in unserer Waidgerechtigkeit vertreten

Nussbaumer geht nun chronologisch zu den Römern. Von diesen ist, zu mindestens schriftlich, die Sitte bezeugt für den jagdlichen Erfolg zu beten. Beziehungsweise für diesen zu danken. Allerdings wird der Übergang von Artemis/Diana zu Eustachius und Hubertus hier recht kurzatmig dargestellt. Obwohl Eustachius doch gerade in Österreich häufiger als Schutzpatron der grünen Zunft gilt, als sein Conheiliger Hubertus aus dem Norden. Mir selbst als Nordprotestant ist Eustachius nur durch die Akademische Jägerschaft St. Eustachius zu Würzburg bekannt. Daher hätte dieses Kapitel für alle Nordlichter, also Indigene nördlich der Donau, vielleicht etwas ausführlicher seien können.

Über Karl den Großen wird der Bogen über das Mittelalter, in dem die Jagd zunehmend zur Privileg des Adels und der Geistlichkeit wurde, bis hin zur Neuzeit, in der sie eine hohe gesellschaftliche und auch mehr und mehr ökonomische Bedeutung erlangte. Ein besonderes Augenmerk legt der Autor auf die Jagd im Habsburgerreich, insbesondere auf die höfische Jagd, die im Barock und im 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte.

Doch gerade diese Hofjagden haben auch etwas erschreckendes. Das Wild trotz Wildschäden überhegt wurde, damit der Kaiser und der Hof auch was kapitales vor die Büchse bekamen. Kein Wunder, wenn nahezu täglich gejagt wurde. Es musste zwangsläufig genug Wild da sein. Auch das Einkesseln von ganzen Rudeln und das darauf folgende „abschießen“, hatte mit dem was wir heute unter Waidgerechtigkeit verstehen nichts zu tun.

So stammt beispielsweise der Name Wolfsberg vom über 100 Jahre bestehenden Wolfsgarten. Dieser war zum Einfangen und anschließenden Jagen angelegt worden. Diese Einrichtungen galten nicht nur dem Schutz der Untertanen und des Nutzviehs. Sondern auch des Schutzes des Wildes, denn, so erklärt Nussbaumer mehrfach, hätten die meisten Habsburger »eine schützende Hand« hierrüber gehalten. Wie man diese Aussage und vor allem die Maßnahmen sieht, muss der Leser selbst bewerten. Als das was wir heute unter Hege, für einen gesunden Wildbestand, verstehen, oder damit es für die hohe, jagdliche Leidenschaft des Erzhauses immer genug Wild gab.

Das Buch hält seinen Titel. Die Entwicklung der Jagd In Österreich, sowie deren Einfluss auf uns heutige Jäger wird anhand historischer Fakten und kleiner Anekdoten dargestellt. Der Schwerpunkt liegt hierbei  klar auf den Habsburgern. Denn diese waren in ihrer knapp 600jährigen Herrschaft der Hauptträger der Jagd. Auch verrät dies das Titelbild: die Titelseite des Privilegium Maius (eine Urkundenfälschung die den Habsburgern eine Reihe von Sonderrechten zusicherte). Man kann nicht sagen das Punkte ausgelassen werden. Doch der Anspruch des Buches bietet eine große Schwierigkeit: Die reiche jagdliche Geschichte eines Landes über zwei Jahrtausende in einem handlichen Buch zusammenzufassen. So kommt es vor das es kurze und längere Passagen gibt. Und ob diese Intensität dem jeweiligen Leser ausreicht oder zu lange ist, ist seine individuelle Entscheidung.

Mir fiel es beim Lesen manch mal schwer diese unterschiedliche Intensität nachzuvollziehen. Das dem »großmächtigen WaidmannPrivilegium Maius Maximilian I. 20 Seiten gewidmet werden und, wie Anfangs erwähnt, Franz Joseph am Ende eine hohe Präsenz hat, ist natürlich klar. Aber in einigen Punkten überwiegen die Anekdoten die Historie.

Die Stärken des Buches liegen klar in der umfassenden historischen Darstellung. Nussbaumer gelingt es, eine große Menge an historischem Material in eine gut strukturierte Erzählung zu fassen. Die chronologische Herangehensweise gibt dem Leser einen klaren Überblick über die Entwicklung der Jagd.

Ein weiteres Highlight des Buches sind die zahlreichen Abbildungen, die von historischen Jagddarstellungen über Kunstwerke bis hin zu zeitgenössischen Fotografien reichen. Diese Bildquellen verleihen dem Werk einen visuellen Reiz.

Nussbaumers lockerer Erzählstil trägt zur Lesefreundlichkeit des Buches bei. Die vielen Anekdoten aus der Jagdpraxis, insbesondere die über den österreichischen Adel und die höfische Jagd, geben dem Buch eine persönliche Note, die über eine rein wissenschaftliche Darstellung hinausgeht. Dadurch wirkt das Werk nicht trocken, sondern immer wieder unterhaltsam und anekdotenreich.

2000 Jahre Jagd in Österreich ist zweifellos ein äußerst informatives und in Teilen unterhaltsames Buch, das vor allem durch seine historische Tiefe und den kulturellen Kontext überzeugt. Johann Nussbaumer zeigt sich als fundierter Kenner der Jagdgeschichte und führt den Leser kenntnisreich durch die Epochen. Besonders die Darstellungen der höfischen Jagd, untermalt von eindrucksvollen Bildquellen, machen das Buch zu einem lesenswerten Werk für Geschichtsinteressierte und Jagdliebhaber.

Jedoch bleibt das Buch in einigen Punkten, wie gesagt, hinter seinen Möglichkeiten zurück. Beziehungsweise kann nicht tiefer gehen, ohne mehrere tausend Seiten zu füllen. Dennoch bleibt es ein fundiertes und gutes Einstiegswerk für alle, die mehr über die jagdliche Geschichte Österreichs erfahren möchten.

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Constantin Müller

Constantin Müller ist Klassischer Archäologe und Denkmalpfleger und arbeitet seit 2015 als Denkmalberater Archäologie & Denkmalpflege Constantin Müller – Ihr Partner für Kulturerhaltung (wordpress.com)

Seit 17 Jäger, Hundeführer und Archivar des Wernigeroder Jagdkorporationen Senioren Conventes.

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Anmerkungen

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Titel: 2000 Jahre Jagd in Österreich: Jagdgeschichte(n) in Rot-Weiss-Rot von den Wurzeln bis zur Gegenwart

Autor: Johann Nussbaumer

Verlag: Österreichischer Jagd- und Fischerei-Verlag

Verlagslink: https://jagd.at/?seite=buch&id=15

ISBN: 978-3852080277


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