Rezeptvorstellung des Goswin v. Mallinckrodt
Keine Zeit des Jahres ist mit so vielen schönen Traditionen und Bräuchen aufgeladen wie die Advents- und Weihnachtszeit. So sehr, dass man sich manchmal fragen mag, warum wir es eigentlich verlernt haben, auch andere Festzeiten des Jahres auf entsprechende Weise zu feiern und unseren tristen Alltag etwas zu verzaubern, ohne dabei gleich in den Konsumterror moderner Zeiten abzudriften. Gerade Deutschland kann eigentlich stolz auf sein Kulturgut rund um die sprichwörtlich schönste Zeit des Jahres sein. Und dennoch klafft hierzulande mitten in einem der wichtigsten Feste der Weihnachtszeit eine traurige Kulturlücke: Die fast vergessene Tradition des Dreikönigskuchens!

Dieses wunderbare Festtagsgebäck, auch Königskuchen genannt, wurde einst zum 6. Januar, dem Tag der Erscheinung des Herrn alias Epiphanias alias Dreikönig, gebacken. Den Kuchen und das ihm zugeordnete Brauchtum gibt es in vielen Ländern, doch variieren sein Bekanntheitsgrad und seine Rezeptur teilweise sehr. Während er sich etwa in der Schweiz bis heute höchster Beliebtheit erfreut, kennen ihn in Deutschland inzwischen nur noch wenige. In Frankreich ist die köstliche Galette des Rois hingegen ein typischer Bestandteil der familiären Festtagstradition.

Dabei wird in der Galette eine dicke Bohne (frz. fève) oder (seit dem 19. Jh. vor allem) eine kleine Porzellanfigur eingebacken, die dem Finder Glück fürs ganze Jahr bescheren soll. Jeder darf sich ein Stück des vorgeschnittenen Kuchens selbst aussuchen. Es gibt aber auch den Brauch, dass sich das jüngste Kind unter dem Tisch versteckt und die Namen der Anwesenden ausruft, denen dann nacheinander die einzelnen Kuchenstücke serviert werden. Wer die Figur beim Verzehr seines Kuchenstücks findet, wird mit einer Pappkrone gekrönt und ist König / Königin für einen Tag. So darf er / sie sich etwa seine Königin / ihren König aussuchen und ihr / ihm die Krone aufsetzen. Manch eine Liebesgeschichte mag an diesem Tag ihren Anfang gefunden haben! Außerdem sind alle Anwesenden angehalten, jedes Mal, wenn der König / die Königin das Glas hebt, zum Ruf „Der König / die Königin trinkt!“ anzustoßen.

Die vorübergehende Übernahme der Rolle hoher Würdenträger erinnert dabei an die mittelalterlichen Narren- und Eselsmessen mit entsprechendem Narrenbischof, die ebenfalls Anfang Januar stattfanden und das Motiv der verkehrten Welt zelebrierten. Überhaupt lassen sich viele Traditionen des Dreikönigskuchens bis ins Hochmittelalter zurückverfolgen. Ein sehr ähnliches Brauchtum wurde sogar während der antiken Saturnalien zelebriert.
Im Folgenden soll nun das nordfranzösische Rezept einer Galette des Rois aus Blätterteig vorgestellt werden.
Folgende Zutaten werden bei einem Kuchen für etwa 6 Personen benötigt:
300 g fertiger Blätterteig
100 g gemahlene Mandeln
1 Ei
1 Esslöffel Rum
30 g Zucker
1 Fève
1 Pappkrone

Eigens gefertigte Pappkronen können entweder im Handel erworben oder selbst gestaltet werden. Viele der kommerziell erhältlichen fèves sind hingegen inzwischen das Opfer der schlimmsten popkulturellen Geschmacksverirrungen geworden. Traditionell wird meist eine kleine, weiße Figur des Christkinds oder eines Königs verwendet.
Nun zur Zubereitung:
Zunächst wird der ganze Blätterteig auf eine Dicke von etwa 3 Millimetern ausgebreitet.
Die eine Hälfte des Teigs legt man in einer eingefetteten Backform (Durchschnitt: ca. 22 cm) aus. Darauf wird nun die fève eingedrückt.
Jetzt wird das Ei getrennt, wobei ein Teil des Eigelbs für das spätere Bestreichen des Kuchens aufbewahrt werden sollte.
Als nächstes vermischt man die gemahlenen Mandeln, den Zucker, den Rum und das Ei zu einer geschmeidigen Masse, die daraufhin auf dem Teig in der Backform verteilt wird.
Nun wird die zweite Hälfte des Blätterteigs wie ein Deckel aufgelegt und der Rand mit der Gabel rundum etwas eindrückt.
Damit dieser Teigdeckel beim Backen eine goldene Färbung erhält, bestreicht man ihn mit dem verbliebenen Eigelb.
Zuletzt ritzt man mit der Messerspitze ein Muster darauf (meist Rauten-, Spiral-, Blüten- oder Blattformen).
Und nun ab damit in den vorgeheizten Ofen und bei 200 °C rund 30 Minuten goldgelb backen!
Übrigens wird in einigen Familien ein Teil des Kuchens, das seit dem Mittelalter bekannte Armenstück, beiseite gelegt, um es Bedürftigen oder unvorhergesehenen Besuchern geben zu können. So geben wir wie die Heiligen Drei Könige selbst ein kleines Opfer. Ein schöner christlicher Gedanke.

*
Goswin v. Mallinckrodt

Goswin von Mallinckrodt (geb. im Dezember 1980) ist eine Mischung aus westfälischem und armenischem Uradel. Die Familien mütterlicherseits flüchteten vor den Türken nach Frankreich, weshalb er eine eingefleischte Pariserin als Mutter hat. Geboren ist er allerdings in Würzburg und lebt heute als Kulturtouristiker, Illustrator und (Kunst-)historiker auf der Gamburg in Tauberfranken (www.burg-gamburg.de).
***

Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Tassen. Bestellinformationen findet Ihr hier: https://krautjunker.com/2024/12/16/krautjunker-tassen/
Entdecke mehr von KRAUTJUNKER
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.