Buchvorstellung von Werner Berens
Ferner Westen heißt das im Mare Verlag erschienene, aus dem Portugiesischen übersetzte Buch des Autors Paulo Moura, Professor für Journalistik und Autor von Reportagen aus Kriegsgebieten.
Der vorliegende Band ist eine Reisereportage, bestehend aus den Eindrücken und Erlebnissen des Autors während einer 1.000 km langen Reise mit Motorrad und Zelt entlang der portugiesischen Küste. Auf 285 Seiten in 6 Kapiteln und nach den „erlebten“ Orten und der von dort erzählten Ereignissen benannten Unterkapiteln erzählt der Autor Geschichten und Geschichte, kommt mit Menschen, Landschaften und historischen Ereignissen ins „Gespräch“.
Leseerlebnis
Sehr selten habe ich ein Buch gelesen, was hinsichtlich seiner Fähigkeit, den Leser „mitzunehmen“ eine solche Spannweite zwischen anödend und mitreißend realisiert.
Es gibt da Geschichten und Reflexionen über Lebensläufe von Bewohnern der jeweiligen Orte, die sich in ihrer „Belanglosigkeit“ von kaum etwas der Millionen anderer Lebensläufe unterscheiden. Und es gibt das Gegenteil davon.
Der Leser, der sich fragt, wozu der Autor nun gerade diese Geschichte erzählt, findet darauf allenfalls Antwort, wenn er die Herangehensweise und Vorlieben des Autors reflektiert »Passiv unternommen, ist eine Reise eine der uninteressantesten Erfahrungen, die man machen kann. Ich liebe es, zu intervenieren…..Fragen zu stellen…….Punkte zu verbinden, nachzuforschen«.
Oft genug hat man den Eindruck, dass der Autor sich besser die Frage gestellt hätte, ob Geschichten über die Auseinandersetzungen portugiesischer Gewerkschaften mit Arbeitgebern oder die ausufernde Darstellung der künstlerischen Entwicklung diverser Musiker, nicht nur für ihn, sondern auch für Leser unterhaltend oder mindestens aufschlussreich ist. Und die ausführliche Beschreibung der Schwierigkeiten, denen der Autor auf Campingplätzen begegnet, findet sicher auch nur einen begrenzten Leserkreis, der sich davon fesseln lässt… Aber dann, wenn man das Buch schon weglegen will, stößt man auf eine gut recherchierte Erzählung eingebettet in das Arbeitsleben Beteiligter über die Herstellung von Feilen, die den Herstellungsprozess und seine Verflechtung mit Unternehmen und Arbeitern so anschaulich darstellt, dass Aha-Erlebnisse den Leser neugierig machen und ihn sich mehr davon wünschen lassen. Zu fesseln in bestmöglicher Weise vermag z.B. die Erzählung über die Monte Santiago, einen Fischkutter, der auf mysteriöse Weise sinkt und vor allem über das Leben des Eigners und seine Versuche, mit dem Fischfang die Familie zu ernähren. Allen Geschichten ist gemeinsam, dass sie Ereignisse mit betroffenen Personen in Verbindung bringt und beide zusammen an den jeweiligen Ort binden.
» Rui Almeida wandert unruhig im Haus umher. Immer wieder späht er aus dem Fenster. Fahr heute nicht hinaus, bittet ihn Graca, als sie das bedrohliche Heulen des Windes hört. Rui ist unentschlossen. Er wartet noch ein bisschen… Rui entscheidet sich… Früher gingen die Frauen der Fischer an des Strand und riefen nach ihren Männern, wenn der Märzmond schien, ein außergewöhnlich leuchtender Mond, der, wie die Legende sagt, der See Schmerzen bereitet… Die Monte Santiago legt um 22 Uhr 22 im Hafen von Sesimbra ab… Was gäbe Graca darum, die Zeit zurückzudrehen. Warum hat sie ihren Mann an jenem Tag gehen lassen?«
Zwischen Anfang und Ende des Zitats befindet sich die beste, fesselndste Erzählung des Buches. Eine Geschichte in einer Geschichte. Immer dann, wenn der Autor Geschichten in seine erlebten recherchierten Rahmenerzählungen einbettet, nimmt das Buch den Leser mit, und aus Bericht wird Literatur.
Quintessenz
Der Autor kann „schreiben“, aber leider tut er das zu selten, denn zu oft berichtet er… über das, was ihn interessiert. Das muss nicht identisch sein mit dem, was auch mögliche Leser interessiert. Aber möglicherweise liegt das auch am Leser – in diesem Falle an mir-, womit wir bei der Zielgruppe wären. Leser die Portugal kennen, sich für portugiesische Mentalitäten, Geschichten und Geschichte die portugiesische Küste entlang interessieren, werden sich und ihre Leseinteressen in dem Buch wiederfinden, weil es aus so vielen verschiedenen Aspekten der portugiesischen Lebensverhältnisse an der Küste entlang möglicherweise ein Gesamtbild zu konstruieren vermag, dass in den besten Geschichten in eindringlicher, bildhafter Sprache mitnimmt und fesselt. Der Leser, der nichts von Portugal weiß und womöglich nichts wissen will, der sich nicht für Campingplatzerlebnisse eines Motorradreisenden interessiert, wird dem Buch vermutlich weniger abgewinnen können, aber- und das sei ausdrücklich erwähnt- dennoch in manchen Kapiteln auf „seine Kosten“ kommen. Wenn er die Kunst des selektiven Lesens beherrscht, sich Zeit lässt, dass „Wesentliche“ der verschiedenen Kapitel herauszufinden/herauszulesen, stößt er auch als „Nichtportugalaffiner“ auf manch wunderschöne Geschichte.
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Pressestimmen
Paulo Mouras dem amerikanischen New Journalism verpflichteten literarischen Reportagen fügen sich zu einem so präzisen wie unsentimentalen Bild des Landes.
―WDR 3
Reiseliteratur der obersten Güteklasse […] Ein imposantes Werk, reich an berührenden Begegnungen, das unentwegt Aufbruchstimmung weckt.
―Kleine Zeitung Steiermark Newsletter
Moura beschreibt seine Heimat in einer Unvollkommenheit, die sie nahbar macht.
―Süddeutsche Zeitung
Moura gibt spannende Einblicke in eine oft fremde Welt.
―Frankfurter Rundschau
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Paulo Moura

Paulo Moura, geboren 1959 in Porto, studierte Geschichte und Journalismus. Er ist Autor, Professor für Journalismus an der Hochschule für Kommunikation und Medien in Lissabon und arbeitet seit über 20 Jahren für die Tageszeitung Público. Für seine Reportagen aus Kriegsgebieten der ganzen Welt wurde er vielfach ausgezeichnet.
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Werner Berens

Werner Berens ist Fliegenfischer, Jäger, Autor und Genussmensch, der den erwähnten Tätigkeiten soweit als möglich die lustvollen Momente abzugewinnen versucht, ohne aufgrund kulinarisch attraktiver Beute übermäßig in die falsche Richtung zu wachsen. Als Leser und Schreiber ist er ein Freund fein ziselierter Wortarbeit mit Identifikationssmöglichkeit und Feind von Ingenieurstexten, die sich lesen wie Beipackzettel für Kopfschmerztabletten. Altermäßig reitet er dem Sonnenuntergang am Horizont entgegen und schreibt nur noch gelegentlich Beiträge für das Magazin Fliegenfischen.
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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Porzellantassen. Weitere Informationen hier. Die Hemingway-Buchstütze findet Ihr hier.

Titel: Ferner Westen: Eine Reise entlang der portugiesischen Küste
Autor: Paulo Moura
Übersetzung: Kirsten Brandt
Verlag: Mare Verlag
Verlagslink: https://www.mare.de/buecher/ferner-westen-669
ISBN: 978-3-86648-669-0
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