Jagen mit Stöberhunden: Hundeauswahl, -ausbildung und Jagdpraxis

Buchvorstellung von Christian H. Fuhrmann

Es gibt Jagdbücher, die liest man zur Kenntnis. Und es gibt Bücher, die legt man erst beiseite, wenn die letzte Seite gelesen ist. Jagen mit Stöberhunden von Hanna und Jonathan Mittener gehört für mich eindeutig in die zweite Kategorie. Als aktiver Stöberhundführer, JGHV-Richter und Ehemann einer Züchterin habe ich es fast in einem Zug verschlungen – mit großem Gewinn und ebenso großer Freude.

Bildquelle: Christian Fuhrmann

Inhalt und Aufbau

Das Buch spannt den Bogen von der Anschaffung eines Stöberhundes über die ersten Lebenswochen und -monate bis hin zum Einjagen und zum praktischen Einsatz im Revier.
Der Aufbau ist klar und nachvollziehbar. Schritt für Schritt werden Erfahrungen, Trainingsansätze und Praxisbeispiele dargelegt. Was mir besonders gefällt: Es bleibt nicht bei theoretischen Empfehlungen, sondern man spürt die jagdliche Praxis hinter jedem Kapitel.

Besondere Stärken

Zwei Punkte möchte ich hervorheben:

  1. Die Differenzierung zwischen Standschnaller und Durchgeher. Viele Jäger machen den Fehler, hier keine klare Linie zu ziehen – mit unbefriedigenden Ergebnissen. Die Autoren zeigen, warum beides nicht zielführend ist und wie man es besser macht.
  2. Der Blick auf den alten Hund. Ein Thema, das sonst oft ignoriert wird. Wer schon einmal erlebt hat, wie ein erfahrener Hund neben einem jungen „in die zweite Reihe“ gestellt wird, weiß, wie wichtig es ist, auch diesen Tieren Aufgaben, Anerkennung und Bindung zu geben. Hier setzt das Buch ein wertvolles Zeichen.

Dazu kommt das Kapitel über Zucht, Erbkrankheiten und Inzuchtkoeffizienten. Ein schwieriges, aber hochaktuelles Thema. Der Hinweis, Ahnentafeln wirklich gründlich zu lesen und nicht blauäugig einen Hund „einfach so“ zu kaufen, ist wichtiger denn je.

Persönliche Eindrücke

Ich führe Hunde seit über 25 Jahren – auf Drückjagden, im Niederwildrevier, bei Prüfungen. Entsprechend habe ich schon etliche Bücher gelesen und noch mehr Diskussionen geführt. Dennoch: In diesem Werk habe ich Neues gefunden. Nicht in dem Sinn, dass man plötzlich das Rad neu erfindet, sondern in Form von Denkanstößen, Nuancierungen und praktischen Hinweisen, die auch den erfahrenen Führer zum Überlegen bringen.

Natürlich hätte ich mir als passionierter Cocker-Mann gewünscht, dass die Spaniel etwas breiter gewürdigt werden. Der Schwerpunkt liegt klar auf Wachteln, Bracken und Terriern – aber das ist kein Mangel, sondern spiegelt schlicht die Realität in der deutschen Stöberjagd wider.

Bedeutung für die Praxis

Die Zeiten der Niederwildjagd sind vorbei. Die Zukunft der Jagdhundearbeit liegt in der Stöberjagd auf Schalenwild. Genau dafür ist das Buch geschrieben. Die Autoren verdeutlichen, wie entscheidend eine saubere Ausbildung, ein durchdachtes Einjagen und ein sinnvoller Einsatz im Treiben sind. Wer hier Fehler macht, wird sie im Jagdbetrieb teuer bezahlen – nicht nur jagdlich, sondern auch im Hinblick auf die Sicherheit von Hund, Wild und Schützen.

Auch die rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen, etwa die in manchen Bundesländern geforderte Green Card, zeigen: Die Ansprüche an Führer und Hund steigen. Umso wichtiger ist Fachliteratur, die praxisnah und fundiert vermittelt, worauf es ankommt.

Fehlendes Kapitel: Prüfungswesen

Was mir im Buch jedoch deutlich zu kurz kommt – eigentlich fast gar nicht vorkommt – ist das Thema Prüfungswesen. Dabei ist es heute von zentraler Bedeutung. In vielen Bundesländern, besonders in den neuen Ländern, ist der Nachweis einer bestandenen Brauchbarkeitsprüfung Voraussetzung für den jagdlichen Einsatz. Hier setzt der Jagdgebrauchshundverband (JGHV) die Standards.

Gerade für junge Hundeführer wäre es wichtig gewesen, dass das Buch auf die Chancen, aber auch die Risiken eingeht: Hunde, die zu früh auf Prüfungen mit strengem Disziplinanteil geführt werden, können durch zu starkes „Halt“- oder „Hier“-Kommando in ihrer jagdlichen Entwicklung gebremst werden. Dieser Aspekt fehlt mir. Ebenso bleibt unerwähnt, dass manche vorgestellten Rassen gar nicht im JGHV gelistet sind – und das oft aus gutem Grund. Seriöse Zuchtarbeit, die sich den Herausforderungen der Erbgesundheit stellt, findet man fast ausschließlich innerhalb dieses Rahmens.

Es wäre wünschenswert gewesen, dass die Autoren diesen Punkt klarer herausarbeiten. Denn wer sich ohne Blick auf das Prüfungswesen für eine „exotische“ Rasse entscheidet, kann sich den späteren Einsatz bei Jagden mit strengen Anforderungen – wie den Stöbernachweisen über Verbandsprüfungen – von vornherein verbauen.

Dies wundert jedoch nicht, da die Autorin im ÖJV Mitglied ist, der sich zumeist den klassischen Formaten der BJV/DJV-Jägervereinigungen politisch, jagdethisch und gesellschaftlich oft wissenschaftlich fundiert, aber auch manchmal aus ideologischem Prinzip kritisch in den Weg stellt. Der erfahrene Jäger kann das an dem Teil Waldbau und dem fehlenden Prüfungswesen schnell erkennen, der unerfahrene läuft eventuell in eine jagdliche Sackgasse mit seinem Hund.

Empfehlung

Trotz ideologischer Differenzen muss man klar sagen, dieses Buch ist mehr als eine Einführung für Erstlingsführer. Es ist ein Begleiter für jeden, der sich ernsthaft mit Stöberarbeit beschäftigt – egal ob er seinen ersten Hund einjagt oder bereits ein halbes Dutzend Hunde geführt hat. Gerade die Mischung aus klarer Sprache, praxisnahen Beispielen und fundierten Hinweisen macht es wertvoll.

Fazit: Ein starkes, praxisorientiertes Werk mit Substanz, geschrieben von Praktikern für Praktiker. Informativ, motivierend und zugleich kritisch, wo es kritisch sein muss. Was fehlt, ist ein klares Kapitel zum Prüfungswesen – ansonsten aber ein Buch, das man nicht nur liest, sondern mit Gewinn zur Hand nimmt – immer wieder.

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Ebenfalls lesenswert: https://krautjunker.com/2023/11/04/cockerdammerung-oder-wie-ich-lernte-den-kleinen-hund-zu-lieben/

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Christian H. Fuhrmann

In den 70ern in Würzburg geboren und im Fränkischen Steigerwald und Kärntner Gailtal aufgewachsen jagt seit seiner Studentenzeit, ist JGHV Verbandsrichter für Stöberhunde, staatlich bestätigter Jagdaufseher in Bayern und Träger des Ehrenzeichens in Silber des BJV.
Als Alter Herr der katholischen Verbindung Rhenania Marburg und der Jagdverbindung St.Euchtachius Würzburg wurde er jagdlich klassisch konditioniert. Er war Praktikant des hessischen Landesjagdverbandes während des Studiums und Vorsitzender der Kreisjägervereinigung Ansbach von 2013 bis 2019, widmet sich heute nurmehr den Jagdhunden und studentischem Jagdwesen.
Er führte zuerst einen Irish Setter Rüden, dann eine Deutsch Langhaar Hündin ab, bevor seine Frau beschloss, dass er mit Cockern am glücklichsten ist. Sein Zwinger heißt Jagdliche Englische Cocker Spaniels vom SchwarzenBock.
Mit seinem aktuellem Rüden Arran vom Schwarzen Bock konnte er JZP, HZP, GP und 20 Stunden VerbandsFährtenschuh Prüfung am Hoherodskopf in Hessen jeweils als Suchensieger abschließen, 20 Stunden Verbandsschweißprüfung Pfälzerwald erfolgreich absolvieren und ist Stöberhundeführer auf vielen Landes-, Bundes- und Privatjagden aus Leidenschaft.
Daneben bewirtschaftet die Familie ein Revier mit etwas über 1.000 Hektar aus dem das Wild für die Bioland zertifizierte Gastronomie im Bio Hotel Schwarzer Bock **** gewonnen wird.

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Porzellantassen. Weitere Informationen hier. Die Hemingway-Buchstütze findet Ihr hier.

Titel: Jagen mit Stöberhunden: Hundeauswahl, -ausbildung und Jagdpraxis

Autoren: Hannah MittnerJonathan Mittner

Verlag: Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart

Verlagslink: https://www.kosmos.de/de/jagen-mit-stoberhunden_1183236_9783440183236

ISBN: 978-3-440-18323-6


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