Endlos ziehende Herden: Ein Tiermaler in Ostafrika

Buchvorstellung von Rolf D. Baldus

Reiner Zieger war wissenschaftlicher Zeichner im Tierpark Berlin-Ost und ab 1969 freischaffender Illustrator von Tierbüchern und Tiermaler. Sein Traum war ein Besuch der Serengeti in Ostafrika. Den umzusetzen war nicht einfach für einen Bürger der DDR. Doch mit Hilfe der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt gelang es ihm. Weitere Besuche folgten nach der Wiedervereinigung. Jetzt legte der Künstler einen großen Bildband über die Serengeti und ihre Tierwanderung vor.

Abb.: Ein kapitaler Büffel, Kuhreiher, langhalsige Gerenuks und ein zartes Dik-Dik; Bildquelle: Reiner Zieger im Magazin Jagdzeit
Abb.: Mit viel Liebe zum Detail fängt Ziegler verschiedene Momente der ostafrikanischen Tierwelt ein; Bildquelle: Reiner Zieger im Magazin Jagdzeit

Im Jahr 2005 packte Reiner Zieger seine Staffelei, die Pinsel und Bleistifte und die anderen Utensilien in seiner Berliner Wohnung zusammen und zog in ein kleines Dorf in Brandenburg. Sein Domizil ist seitdem ein Vierkanthof aus 1874, vor dessen Toren sich Fuchs und Waschbär gute Nacht sagen und wo im Speicherfenster die Turmfalken brüten. In Arbeitsmappen und Schränken bewahrt er hier seine Aquarelle, seine Gemälde in Acryl, die Radierungen und die Zeichnungen mit Bleistift, Tusche, Kohle und Pastell auf. Über 3 000 Werke sind es inzwischen geworden – in seiner Bandbreite ein einzigartiges Werk.

Der 1939 in der Ringelnatz-Stadt Wurzen geborene Künstler hatte Ende der 1950er Jahre in Ost-Berlin an der Fachhochschule für Angewandte Kunst Grafik studiert. Tiere waren seit der Kindheit seine Leidenschaft und die Anstellung als wissenschaftlicher Grafiker im Tierpark Berlin die Erfüllung eines Traumes. In der dortigen Forschungsstelle (heute Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung) wirkte er von 1961 bis 1969. Dann machte er sich als freischaffender Künstler selbstständig. In der DDR mit ihrer Staatswirtschaft war das ungewöhnlich und gar nicht einfach, vor allem für einen jungen Vater eine wirtschaftliche Herausforderung.

Zieger illustrierte vorwiegend populärwissenschaftliche Bücher, Kinderbücher und gestaltete Briefmarken, Plakate und Schautafeln für Zoologische Gärten. Daneben widmete er sich der Grafik und Druckgrafik und der künstlerischen Malerei. Tiere waren sein Spezialgebiet. Die großen Säugetiere lagen ihm am besten.

Abb.: Ein besonderer Blick in die Savanna; Bildquelle: Reiner Zieger im Magazin Jagdzeit

Ein Tiermaler zwischen Ost und West

Weil er die Arbeit als unpolitisch verstand, fand er bereits in den achtziger Jahren Auftraggeber in Westdeutschland. Er illustrierte Sachbuch-Reihen über Tiere genauso wie in Grzimeks Tierleben. Die devisenhungrige DDR sah das gar nicht ungern, denn der Künstler durfte nur zwanzig Prozent der harten Westmark behalten. Der Rest wurde 1:1 in weiche Ostmark umgetauscht. Selbst die D-Mark sollte er eigentlichim Intershop für westliche Konsumgüter ausgeben. Zieger konnte dies aber umgehen, und seine ersparten Devisen ermöglichten ihm die Verwirklichung seines größten Wunsches – eine Reise in die Serengeti in Tansania. Er hatte den dortigen Vertreter der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft, Dr. Markus Borner, angeschrieben, und mein späterer Freund Markus, unkompliziert wie er war, lud ihn einfach nach Seronera ein. Als Schweizer Staatsbürger war er ohnehin der politischen Neutralität verpflichtet. Reiner Zieger musste jedoch viele bürokratische Widerstände im SED-Staat überwinden, bis er schließlich im Jahr 1981 in das „Land seiner Modelle“ reisen konnte. So hatte jedenfalls der von ihm verehrte große deutsche Tiermaler Wilhelm Kuhnert (* 1865; † 1926) das Buch über seine Safari durch Ostafrika betitelt.

Andere Malreisen vor und nach der Wende führten Zieger zu Tierstudien ins europäische Ausland, in die Mongolei, nach Nepal, Südasien, noch zweimal nach Tansania und inzwischen fünfmal nach Namibia und nach Südafrika.

Ein Jäger ist er nie geworden, aber ein Trophäensammler. Damit sind nicht seine vielen Abbildungen gemeint, mit denen er seine Erinnerungen an Wildtiere auf Papier festgehalten hat. Über die Jahre hat er zahlreiche Jagdtrophäen aus Afrika von älteren Jägern erwerben können, ebenso heimische Trophäen. Sie hängen heute an den Wänden seiner Archivräume.

Abb.: Gnus und Sekretäre sind typische Arten Ostafrikas; Bildquelle: Reiner Zieger im Magazin Jagdzeit

Endlos ziehende Herden

Vor drei Jahren dokumentierte der Verlag DOM Publishers die Breite seines handwerklichen und künstlerischen Schaffens in dem Buch Die Tierwelten von Reiner Zieger: Kunst und Gebrauchsgrafik 1960 bis 2020. Jetzt hat der Verlag Natur + Text einen prächtigen, großformatigen Bildband mit Gemälden, Zeichnungen und Skizzen herausgebracht, in denen Reiner Zieger seine Eindrücke der tansanischen Serengeti wiedergibt. Der Titel trifft den Inhalt: Endlos ziehende Herden – Ein Tiermaler in Ostafrika. In den Texten zu den Bildern schildert Zieger zum einen seine Erlebnisse auf der Safari durch die Serengeti, zum anderen beschreibt er ganz subjektiv, aber von großem Fachwissen getragen, die Tiere, die er in ihrem Lebensraum künstlerisch kraftvoll, aber gleichzeitig naturgetreu ausbalanciert abbildet.

Zieger zeigt mit seinem Buch eine der letzten großen Tierwanderungen, die es gibt und die der Mensch noch nicht zerstört hat. Seine Kunst ist authentisch. Sie atmet seine Begeisterung für die Natur, vor allem die Tiere, die auf den Betrachter überspringt. Wer die Serengeti und die alljährliche Migration von zwei Millionen Gnus, Gazellen und Zebras mit den sie begleitenden Löwen noch nicht gesehen hat, der wird sie kennenlernen wollen, wenn er Ziegers Buch aus den Händen legt.

Der Künstler will uns aber nicht nur unterhalten und erfreuen. Er will unser Verständnis für die ökologischen Zusammenhänge fördern, wofür sich gerade die hochkomplexen Abläufe einer Tierwanderung besonders eignen. Und er will uns dafür begeistern, diese biologische Vielfalt in einer sich immer rascher wandelnden Welt zu erhalten.

Abb.: Reiner Zieger in Afrika; Bildquelle: Magazin Jagdzeit

„Tiere, Pflanzen, Naturphänomene müssen wir bewahren, wollen wir nicht eines Tages in völlig verarmter Umwelt das Fürchten erfahren. Sie sind auch ein Teil ´Kulturgut`; verlieren wir sie, sind sie auf immer verschwunden. Kein Restaurator könnte sie rekonstruieren, kein Magier die konservierten Museumsexemplare wiederbeleben… Ich möchte mit meiner Arbeit aufmerksam machen auf die Vielfalt der Natur. Ich möchte hinweisen auf die Schönheit der Lebewesen aus dem Tierreich. Ich versuche sie darzustellen, damit wir sie nicht aus den Augen verlieren.“
Reiner Zieger in Neue Zeit vom 30. April 1990

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Rolf D. Baldus

Dr. Rolf D. Baldus ist ein deutscher Diplom-Volkswirt und Jagd- und Wildschutzfachmann. Jahrgang 1949, stammt gebürtig aus Gebhardshain im Westerwald und wuchs in ländlicher Umgebung auf. Im Alter von siebzehn Jahren legte er, mehr aus praktischen Erwägungen und Gelegenheit, die Jagdprüfung ab, ohne zunächst dem Waidwerk nachzugehen.
Nach seinem Studium der Volkswirtschaft an der Universität zu Marburg, über das er zu seinem Interesse am Wildtiermanagement kam, war Dr. Rolf D. Baldus, der 1976 über sozialistische Dorfgemeinschaften unter dem ersten tansanischen Präsidenten Julius Nyerere promovierte, als freiberuflicher Gutachter für internationale Entwicklungshilfe-Projekte tätig. Über diese Tätigkeit erhielt er die Gelegenheit, eine Stelle im deutschen Entwicklungshilfeministerium anzutreten, um später ins Bundeskanzleramt zu wechseln und 1987 als Referatsleiter von 1987 bis 1993 nach Tansania zu gehen. Dort war Rolf D. Baldus im Auftrag der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) mit der Sanierung des heruntergekommenen Wildreservats Selous, so benannt nach dem britischen Großwildjäger Frederick Courteney Selous, befaßt.
Danach kehrte er als Berater Helmut Kohls ins Bundeskanzleramt zurück um von 1998 bis 2005, dann als Berater der tansanischen Regierung bei Projekten wie der Unterschutzstellung des Saadani-Nationalparks und des Selous-Niassa-Wildtierkorridors, noch einmal in Ostafrika zu wirken.

Abb.: Rolf D. Baldus (Vierter von links) und Bernd Kamphuis (Fünfter von links)Bildquelle: Haralds Klavinius

Seine Berufslaufbahn klang mit der Tätigkeit im Bundesministerium für Entwicklungszusammenarbeit von 2005 bis 2010 aus. Ehrenamtlich war der Jagd- und Wildschutzfachmann viele Jahre im International Council for Game and Wildlife Conservation (CIC) als Präsident der Kommission für Tropenwild tätig und hat etliche Beiträge und Bücher über Wildschutz- und Jagdthemen in Afrika verfaßte.
Dr. Rolf D. Baldus lebt im Ruhestand in Bad Honnef.

Dieser Text erschien in dem Magazin JAGDZEIT 3/2025. Ich danke Rolf D. Baldus und dem Chefredakteur Bernd Kamphuis.

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Titel: Endlos ziehende Herden: Ein Tiermaler in Ostafrika

Künstler: Reiner Zieger

Verlag: NATUR & TEXT

Verlagslink: https://naturundtext.de/index.php/neuheiten/endlos-ziehende-herden

ISBN: 978-3942062718


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