von Florian Asche
Katrin Eder ist Umweltministerin von Rheinland-Pfalz. 1967 wurde sie in Mainz geboren, ging in Mainz zur Schule und studierte Politikwissenschaft und Soziologie, ebenfalls in Mainz. Mainz ist die Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz mit über 200.000 Einwohnern. Nach ihrem Studium ging Eder als wissenschaftliche Mitarbeiterin einer Bundestagsabgeordneten für vier Jahre nach Berlin, einer Metropole mit knapp 4 Millionen Einwohnern. Danach zog sie nach Mainz zurück und wurde dort schließlich Umweltdezernentin. In dieser Funktion beschäftigte sie sich mit Straßenbahnen, Fahrradvermietung und Fahrradparkhäusern. Nun verantwortet die Bündnisgrüne den Entwurf für das neue Landesjagdgesetz. Allerdings sind Jagd, Wald und Flur eher weiße Flecken auf der geistigen Landkarte Eders. Wer sich hauptberuflich um fahrradgerechte Innenstädte kümmert, für den ist das Land in erster Linie Fläche zur Erzeugung nachhaltiger Windenergie und Raum für Solarpanels. Im Übrigen ist es für Grüne meist ein Ärgernis. Schließlich leben dort noch immer Leute, die Pflanzenschutzmittel verspritzen, Verbrennerautos fahren und die falschen Parteien wählen. Wenn sich ein Gesetz dann noch mit Menschen befasst, die in ihrer Freizeit Tiere töten, dann darf es nicht wundern, wenn eine bündnisgrüne Ressortleiterin keine eigene Expertise mitbringt.
Hier bedarf es kluger Ministerialbeamte, um ein brauchbares Gesetz aus der Taufe zu heben. Dafür sind die beiden Staatssekretäre, auf die sich Frau Eder verlassen muss, kaum die geeigneten Taufpaten. Michael Hauer ist ein typischer Technokrat aus dem Umfeld großer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wie Ernst & Young und PricewaterhouseCoopers (PWC), der nach Mainz geholt wurde, um die Energiewende in den windschwachen Süden zu pusten. Erwin Manz ist zwar studierter Biologe. Allerdings wurde er beruflich durch den BUND sozialisiert, quasi als natürlicher Fressfeind der Jägerschaft. Ob Kormoranabschuss oder Gänsejagd, Manz war immer ein verlässlicher Partner gegen die Interessen des ländlichen Raumes. Dass er es ohnehin eher mit Tieren hat, wurde während der Ahrtalflut deutlich als es um den Schutz von Menschenleben ging. Der frischgebackene Staatssekretär meinte damals, sein Ministerium habe nur die Aufgabe, Niederschlagsmengen in Pegelstände umzurechnen und diese Werte an die betroffenen Kommunen und Landräte zu melden. Den Rest sollten dann gefälligst die Landkreise machen. Ob diese Kompetenzreiterei 135 Menschen mit dem Leben bezahlten, das klärt gerade ein Untersuchungsausschuss.
Wenn eine Fahrradexpertin auf einen Windtechnokraten und einen BUND-Ideologen trifft, dann kann nicht viel Brauchbares für die Jagd dabei herauskommen. Dass der Regierungsentwurf des neuen Landesjagdgesetzes jedoch eine solche Mixtur von Dummheit und Böswilligkeit sein könnte, hat wahrscheinlich sogar die rheinpfälzischen Jäger überrascht, allen voran ihren Präsidenten, Dieter Mahr. Der hatte noch im vergangenen November einen Parlamentarischen Abend mit Eder und Manz veranstaltet, Titel: „Die Jagd ist mitten unter uns“. Eder und Manz verzehrten „leckere Wildhäppchen“ und schieden im besten Einvernehmen. Was sich die beiden Grünen unter Jagd in der Gesellschaft vorstellen, das wird erst jetzt deutlich:
Auf der Pralinenpackung des Regierungsentwurfs stehen die üblichen Schlagworte: „Entbürokratisierung“, „Modernisierung“, „Ökosystemgerechtigkeit“, etc. Wir alle kennen solche Euphemismen zur Genüge. Sie sind genauso glaubwürdig wie eine Erklärung unseres Bundeswirtschaftsministers zum guten Zustand der deutschen Industrie. Doch was steckt tatsächlich in der Packung?
Wir wollen uns zwei Änderungen herausgreifen, die typisch für das ideologische Gedankengebäude aus Mainz sind. Da ist zunächst der offene Angriff auf das Reviersystem. Nachdem Brandenburg mit dem Versuch gescheitert ist, Kleinstflächen zu Jagdbezirken zu machen, startet Eder einen neuen Versuch, endlich Schluss mit der Revierverantwortung zu machen. Stellen Sie sich vor, dass Sie eine Wohnung gemietet haben, Sie ziehen ein, lassen die Wände nach Ihrem Geschmack streichen, möblieren neu und freuen sich auf die erste Nacht im eigenen Bett. Gerade haben Sie die Nachttischlampe ausgeknipst, als es an Ihrer Schlafzimmertür kraspelt. Im Dunkel hören Sie Schritte, die Bettdecke raschelt und plötzlich liegt neben Ihnen der Vater Ihres Vermieters. Er kuschelt sich an Sie, grunzt noch einmal wohlig und schon schnarcht er.
So ähnlich dürfen Sie sich das Reviersystem nach dem Wunsch von Frau Eder vorstellen. Jagdgenossenschaften sollen zwar weiterhin ihre Jagdbezirke verpachten können, Jagdgenossen mit Jagdschein steht es jedoch frei, ihre Flächen daneben selbst zu bejagen oder Dritten dafür zur Verfügung zu stellen. Es liegt auf der Hand, dass ein solches System die gemeinschaftlichen Jagdbezirke überwiegend unverpachtbar macht, wenn nämlich die „Sahnestücke“ durch Eigentümer nach eigenem Gusto genutzt werden können. Wer will schon 600 Hektar Acker pachten, wenn die Musik doch nur auf der großen Wiesenschlenke mit Feldgehölz und einer Größe von 50 Hektar spielt? Wer so etwas vorschlägt, dem muss bewusst sein, einen Keil in die dörflichen Solidargemeinschaften der Jagdgenossen zu treiben, von denen einige wenige zukünftig in Kleinstrevieren Wilddezimierung betreiben, während die anderen händeringend nach einem gutmütigen Trottel suchen, der ihnen die Wildschäden vom Hals hält. Tatsächlich fragt man sich zwangsläufig, ob es der grünen Hausspitze nicht genau darauf ankommt, die langfristig gewachsenen Jagdstrukturen des ländlichen Raumes ins Ungleichgewicht zu bringen. Wenn das Jagdwesen vor Ort nämlich nicht mehr funktioniert, dann öffnen sich die Pforten für eine staatliche Zwangsregelung durch Wildtiermanager nach Genfer Vorbild. Herzlich willkommen in der schönen neuen grünen Jagdwelt!
Dass die rheinpfälzische Jagdreise in Richtung staatlicher Dominanz führt, wird auch an der zweiten Grundsatzänderung des Jagdgesetzes deutlich. Seit jeher ist es die Aufgabe des Jagdrechts, die privaten Interessen des Jägers mit denen der Landnutzer, Förstern, Landwirte und Fischer in Einklang zu bringen. Die Wildbestände sollen deshalb der Landeskultur angepasst sein, damit möglichst wenig Schäden entstehen. Außerdem gibt es ein ausgeklügeltes Wildschadenersatzrecht. Kern des Jagdrechts ist dabei, dass es sich um einen Ausgleich privater und nicht öffentlicher Interessen handelt. Davon rückt der Regierungsentwurf des neuen Landesjagdgesetzes grundlegend ab. Die Forstbehörden stellen nun fest, ob die „forstlichen Belange“ gefährdet sind. Ist dies in einem erheblichen Maß der Fall, so werden seitens der oberen Jagdbehörde Mindestabschusspläne festgesetzt, deren Erfüllung mit Verwaltungszwang (Polizeijagden) vollstreckt werden kann. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Gefährdung forstlicher Belange wird dabei durch Schäden an allen Baumarten ausgedrückt, auch an Nebenbaumarten oder reinen Verbissgehölzen ohne forstlichen Nutzungswert (man denke an die Eberesche). Eigentlich gibt es für eine solche Regelung überhaupt keinen sachlichen Grund. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht Mitte der 90er Jahre festgestellt hat, dass die Forstwirtschaft grundsätzlichen Vorrang vor jagdlichen Interessen genießt, können Eigenjagdinhaber und Jagdgenossenschaften jeden Abschussplan erzwingen, den sie zur Schadensverminderung für notwendig halten. Der Ausgleich dieser Interessen ist damit Teil der Privatautonomie der Akteure vor Ort. Doch gerade das will die Regierung in Mainz ganz offensichtlich beenden. Ihr Regierungsentwurf will nicht mehr und nicht weniger als die absolute Deutungshoheit darüber, wie ein Wald auszusehen hat, ganz unabhängig davon, was der Eigentümer will. Man spricht jetzt von einem „allgemeinen Interesse an der Waldentwicklung“. Tatsächlich ist es aber das forstliche Machtinteresse einer grünen Lobby.
Im Endeffekt wird also eine Expertin für Fahrradparkhäuser in Mainz darüber entscheiden, wieviel Wild die Rheinpfälzer im eigenen Wald halten dürfen. Wir sind also wieder dort angelangt, wo wir vor 1848 waren. Damals durften die Menschen vor Ort nicht darüber entscheiden, was und wie gejagt wurde. Man musste nur von Itzenplitz heißen und schon hatte man die Deutungshoheit über Wald und Jagd. Heute muss man nur bei den Grünen eintreten und schon darf man sich anmaßen, dem ländlichen Raum zu erklären, wie er zu leben hat. Der Geburtsadel ist durch einen Bekenntnisadel abgelöst worden.
Es wird nun darauf ankommen, ob das kleinste Licht der Ampel, die FDP, das neue Landesjagdgesetz tatsächlich mitträgt. Christian Lindner, selbst Jäger und eigentlich ein rationaler Praktiker, müsste nur in Mainz anrufen und fragen, was seine Parteifreunde eigentlich geraucht haben, um ein solches Gesetz durch den Landtag zu tragen. Tatsächlich bildet sich die FDP noch immer ein, die Partei der bürgerlichen Rationalisten zu sein und kein Wasserträger für grüne Ideologen. Doch die letzten zwei Jahre der Berliner Ampel haben uns gezeigt, dass man durchaus bereit ist, ganze grüne Krötenfarmen zu schlucken, wenn es um den Machterhalt geht.
Damit vergrault die FDP allerdings ihre eigene Stammwählerschaft. Ob Energiewende, AKW-Abschaltung, Deindustrialisierung, Wärmepumpen und Verbrenner-Aus, die FDP hat sich auf den letzten Metern immer wieder in die Koalitionsdisziplin zwingen lassen. Sie sollte nicht vergessen, dass ihre Wähler auch ein Gedächtnis haben. Noch im November 2021 verkündete sie zum Beispiel: „…Die Jägerinnen und Jäger in Rheinland-Pfalz tragen wesentlich zu einem funktionierenden Arten- und Naturschutz bei. Wir Freie Demokraten stehen fest an der Seite dieser Branche.“
Wenn drauf eine solche katastrophale Politik folgt, dann braucht man sich über die Erosion eigener Wählerstimmen nicht zu wundern. Es liegt nun ausschließlich an der FDP, ob die Jagd in Rheinland-Pfalz durch Gesetzesideologie zur Wildvertilgungsmaschine wird.

KRAUTJUNKER-Kommentar: Dieser Text erschien heute auf dem Facebookprofil von Dr. Florian Asche.
*
Florian Asche

Der Rechtsanwalt Dr. Florian Asche ist Vorstandsmitglied der Max Schmeling Stiftung und der Stiftung Wald und Wild in Mecklenburg-Vorpommern.
Einem breiten Publikum wurde er bekannt durch seinen literarischen Überraschungserfolg über den göttlichen Triatlhon: Jagen, Sex und Tiere essen (siehe: https://krautjunker.com/2017/01/04/jagen-sex-und-tiere-essen/& https://krautjunker.com/2017/09/19/sind-jagd-und-sex-das-gleiche/)
Website der Kanzlei: https://www.aschestein.de/de/anwaelte-berater/detail/person/dr-florian-asche/
*
Mehr von Dr. Florian Asche: https://krautjunker.com/?s=florian+asche
***

Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.
Entdecke mehr von KRAUTJUNKER
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.
Sehr schön zusammengetragene traurige Fakten aus meinem Land.
LikeGefällt 1 Person
Im real existierenden Sozialismus der Deutschen Demokratischen Republik hat die Nomenklatura die Funktion eines degenerierten Adels eingenommen. Jetzt glauben einige Menschen, in den fünf neuen Ländern eher viele, dass auf Postdemokratie Neofeudalismus folgt, sie sehen dort eine Analogie. Diese Tendenzen waren in der Bundesrepublik für mich in Ansätzen schon in der Ära Kohl erkennbar. Wer den Wählerwillen, nicht nur den der eigenen Wähler, ganz offen gering schätzt, hat den Begriff Gemeinwesen offensichtlich nicht verstanden.
LikeGefällt 1 Person
Der Philosoph Karl Jaspers hat bereits 1966 in seinem Buch „Wohin treibt die Bundesrepublik?“ die Entwicklung einer Parteienoligarchie prophezeit.
Gerne zitiere ich den Liberalen Carlos A. Gebauer:
„Bedenke, dass die Bibel kein elftes Gebot kennt, das besagt: Du sollst die wesentlichen Grundentscheidungen für Dein Leben in die Hände von Studienabbrechern und Berufsversagern legen, denen Du nie begegnet bist, die Dich zu allem zwingen können und Dir zwar die Früchte Deiner Arbeit nehmen dürfen, die aber für keinerlei Schäden verantwortlich sind, die sie Dir und anderen zufügen.“
LikeLike
Die nicht so schöne Situation nur zu beklagen, greift für uns Jäger wohl etwas zu kurz. Wir sollten Lösungswege aufzeigen und uns als Jägerschaft nicht spalten lassen. Wir können mehr Jugendarbeit leisten und junge Jäger einladen, mit uns zu jagen, ihnen unsere Vorstellung von Jagdkultur und Naturschutz vorleben. Diese Vorstellungen in Teilen zu hinterfragen und für neue Erkenntnisse offen zu sein, wird zu einem langfristig lösungsorientierten Miteinander beitragen, nicht wahr?
LikeGefällt 1 Person
Zur Erinnerung: Karl Schiller und die SPD
Prof. Karl Schiller war seit 1966 Bundeswirtschaftsminister. In dieser Funktion hatte er besondere Erfolge erzielt bei der Überwindung der Rezession 1966/1967. Willy Brandt, 1971 wegen überzogener Wirtschaftsprognosen des Kanzleramts in die Enge getrieben, übertrug ihm 1971 zusätzlich das Ressort des Bundesfinanzministers, nachdem Alex Möller zurückgetreten war, weil seine Warnungen vor Einnahmeausfällen kein Gehör bei Brandt und seinen Kabinettskollegen gefunden hatten. Damit war ein in der Geschichte der Bundesrepublik nicht dagewesenes Ausmaß an Verantwortung auf einen Minister allein übertragen worden. In diesem Zusammenhang wurde seinerzeit durch die Medien der Begriff des Superministers erstmals auf Karl Schiller übertragen.
Als im Juni 1972 im Zuge internationaler Währungsturbulenzen die Bundesbank Devisenkontrollen einführen wollte, wurde Schiller als zuständiger Minister zunächst nicht davon unterrichtet. Als Vertreter einer marktwirtschaftlichen Position, die sich bereits 1966/1967 als richtig erwiesen hatte, fand sich Schiller dann mit seiner Ablehnung solcher Beschränkungen im Kabinett allein. Hieraus zog er die Konsequenz und bat im Juli 1972 Willy Brandt um seinen Rücktritt. In seinem Rücktrittsschreiben vom 02. Juli 1972 (erschienen in der Welt vom 17. Juli 1972) hatte Karl Schiller klar und unmissverständlich die Sachkonflikte im Kabinett dargestellt.
Daraufhin versuchte die verlassene Fraktion, besonders Herbert Wehner, aus wahltaktischem Kalkül immer wieder aufs Neue, persönliche Beweggründe und eben nicht den wirtschaftlichen Sachzwang als Rücktrittsgrund zu unterstellen. Schließlich begann auch der Spiegel mit der Behauptung, gegen Zusagen auf ein kommendes Ministeramt oder einen bevorzugten Platz auf einer Landesliste sei Karl Schiller bereit gewesen, auf seinen Rücktritt zu verzichten. Dagegen musste sich Karl Schiller verwahren, denn auch Kritiker sollten einen sachlichen Entschluss respektieren. Wer sich zu unsäglichen Verdächtigungen oder Unterstellungen hinreißen lässt, der tut dem freiheitlichen System keinen Gefallen.
Interessanterweise war es Helmut Schmidt, der zunächst als Verteidigungsminister den Sparappellen Schillers vehement entgegegen getreten war und mehr Geld für seinen Haushalt forderte, dann genau die von Schiller vorbereiteten und notwendigen Sparmassnahmen durchführte.
Karl Schillers Sorge um den Kurs der deutschen Wirtschaftspolititk und sein parteiübergreifendes Auftreten mit Ludwig Erhardt wurde als ‚Politik der Nadelstiche‘ gegen die damalige Bundesregierung missdeutet. Als moralische Instanz und unübertroffen in seiner wirtschaftspolitischen Lehre hatte er nicht nur Freunde, nein!
Der Phantomschmerz ist heute noch spürbar. Der Facettenreichtum aus Politiker, der nie Gefangener der politischen Situation war; aus Wissenschaftler, der nie langweilig war; als Intellektueller, der im Leben gut war; als Lehrer, der rüberkam; als Womanizer, der durchaus wertekonservativ war; schlicht, als stilvoller Ausbrecher war und ist er eine Ausnahmefigur. Er dachte weitblickend, über den Tellerrand hinaus und liess sich nicht vor den Karren spannen. Sein Alterswerk (erschienen in seinem Todesjahr 1994) ‚Der schwierige Weg in die offene Gesellschaft‘ hat nicht an Aktualität verloren.
LikeGefällt 1 Person