Anständig trinken

Buchvorstellung

Dieses Buch ist eine Empfehlung aus Schecks kulinarischer Kompass: Köstliches und Kurioses aus meiner Küche und aller Welt. In Kingsley Amis entdeckt der Leser nicht nur einen großen englischen Romancier, sondern auch einen anständigen Trinker. Das 1972 erschienene Handbuch informiert und unterhält Gelegenheits- wie Gewohnheitstrinker mit Anleitungen wie dem Aufbau einer wohlsortierten Hausbar, Ernährungstipps für Trinker und wie man sich als trinkender Gast oder Gastgeber verhalten sollte, um möglichst viel Spaß zu genießen.

Das Kultbuch zur Trinkkultur wurde von Eugen Egner illustriert, der seit Veröffentlichung seines einzigartigen Werkes „Aus dem Tagebuch eines Trinkers (Das letzte Jahr)“ als Angstgegner aller Abstinenzler gilt.

Kingsley Amis Empfehlung nach einer durchzechten Nacht lautet, nichts zu essen, um den Magen zu entlasten. »Kaffee ist erlaubt, allerdings sollten Sie sich nichts davon erhoffen, außer dass Sie sich noch wacher fühlen.« Grundsätzlich möge der Verkaterte das Zusammentreffen mit Freunden vermeiden. Sein Geheimtipp zum Auskurieren ist, sich einen Underberg »in einem Zug reinp(zu)feifen«. Die Wirkung auf die Eingeweide entspricht der eines Golfballs, der in eine leere Badewanne gefeuert wird.  Wer jetzt noch nicht ganz bei sich ist, möge einen halbstündigen Flug in einem offenen Propellerflugzeug unternehmen.

Da diese illustrierte Ausgabe bei den Erben von Kingsley Amis keinen Beifall fand, untersagten sie weitere Auflagen. Ein trauriger Beleg dafür, dass der englische Humor auch nicht mehr das ist, was er einmal war und ein weiterer Grund zum Trinken.

Ich bitte um Beachtung der lesenswerten Pressestimmen unter dieser Buchvorstellung, welche in diesem Fall ausnahmsweise länger als meine Rezension sind. Cheers!

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Pressestimmen

Als On Drink 1972 im Original erschien, stand der Wert des Pfundes bei rund neun Mark, und man konnte damit eine Flasche Beaujolais kaufen. Dennoch wird man dieser Tage, ach was, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten kaum ein Buch finden, das mehr Witz und Wahrhaftigkeit enthält als Anständig trinken von Kingsley Amis. Dass der gerne einen oder auch zwei über den Durst getrunken hat, weiß man aus der Autobiografie von Sohn Martin Amis (Die Hauptsachen). Recht so, denn damit hat sich der Daddy das enorme Wissen erarbeitet, das hier mit leichter und keineswegs zittriger Hand vor den bald lachtränenfeuchten Augen des Lesers ausgebreitet wird. Dass zahlreiche Rezepte zum Selbermixen dargeboten werden, ist schon mal gut. Noch viel besser ist, dass sie mit Angaben wie »1 ziemlicher Schuss Gin« oder »man nehme 38 Liter schot­tisches Ale und einen schlachtfrischen Hahn« aufwarten. Im Detail mag man einige Vorlieben und Neigungen des Autors (Biergläser mit Henkel, heiße Drinks, Geiz gegenüber Gästen) für fragwürdig erachten. Aber angesichts der philosophischen und toxikologischen Tiefe seiner Ausführungen kommt ihnen allenfalls der Status einer liebenswerten Schrulle zu. Bereits im ersten von insgesamt zehn »unumstößlichen Grundsätzen« verrät Amis dafür seine wahre, mit der schnöseligen Affektiertheit selbsternannter Weinkenner unvereinbare Kompetenz: »Quantität vor Qualität«. Anständig trinken nähert sich dem exzessiven Suff durchaus aufgeschlossen, keineswegs aber kritiklos. Über den gern mit dem bloß physischen gleichgesetzten »metaphysischen Kater« etwa ist wohl kaum je so schonungslos präzise Auskunft erteilt worden (inklusive Hinweise auf geeignete Begleitlektüre und -musik von Solschenizyn bis Miles Davis). Und über eine Tatsache will sich auch dieses exzellent übersetzte und von Trinkerbuch-Illustrationsprofi Eugen Egner mit kongenialen Krakeleien versehene Büchlein nicht hinwegschwindeln: Gegen den Kater kann man nur ansitzen, nicht antanzen.
– Cicero

Dies ist das Buch für alle, die gern trinken, die gern mehr trinken würden, die nicht zum Trinken kommen, dem Trinken noch nicht ganz abgeschworen haben. Für eingestandene, ausgesprochene und einschenkende Liebhaber von Wein, Schnaps und Bier, für Cocktailschlürfer, Martini-Oliven-Liebhaber und Brandy-Nachteulen. Für Anfänger und Fortgeschrittene. Es ist, das sei ausdrücklich hier gesagt, kein Montagsbuch, sondern eigentlich ein Mittwoch-kaufen-Donnerstag-lesen-Freitag-umsetzen-Buch. Vor allem ist es ein Buch für jene, denen der literarische Anspruch über den Alkoholkonsum geht. Kingsley Amis, ruhmreicher britischer Autor und Trinker, macht seinem Ruf wie Donnerheil in diesem Klassiker über die Kunst des Trinkens alle Ehre. On Drink, 1972 im Original erschienen, liegt es jetzt erstmals, von Joachim Bessing flüssig übersetzt, auf Deutsch vor: Anständig trinken enthält neben Gedanken, Einsichten und Beobachtungen, etwa zur Typologie des Katers, Rezepte für Drinks, die nicht nur steife englische Oberlippen erzittern lassen dürften, und handfeste, praktische Ratschläge, etwa wie man mit Weinbanausen fertig wird oder welche Musik zu welchem Trinkanlass oder Trunkenheitsstadium passt (»das Trompetenkonzert von Joseph Haydn. Wer da nicht mitschnipst, ist schon tot«). Manche der geschilderten Gebräuche haben sich überlebt, Amis‘ Humor aber hat Bestand.
-Frankfurter Allgemeine Zeitung

In tugendhaften Zeiten wie diesen, in denen jeder permanent um seine Fitness und seine Employabilität besorgt ist, damit alle ›gemeinsam erfolgreich für Deutschland‹ sein können, ist Kingsley Amis’ kleines Buch die charmanteste Aufforderung zur Devianz, die man sich vorstellen kann.
Kingsley Amis (1922-1995) hat in Deutschland – anders als in Großbritannien – keinen großen Namen. Amis’ Leben ist ebenso bunt wie sein literarischer Output. In seiner Jugend ein ›zorniger‹ Linksintellektueller wandelte sich Amis später zum konservativen Tory. Seine Universitätslaufbahn gab er in den 1960er Jahren zugunsten einer Schriftstellerexistenz auf. Er schrieb Essays und Gedichte, gab Anthologien heraus, schrieb Horror- und Kriminalromane sowie eine Reihe bemerkenswerter dystopischer Zukunftsromane. Außerdem war Amis der Erste, der nach dem Tod des von ihm verehrten Ian Fleming die James-Bond-Romanreihe fortsetzen durfte. Sein Sohn ist der bekannte Romanautor Martin Amis.
Worum geht es in diesem Büchlein, das im Original bereits vor über vierzig Jahren (1972) erschien und in der vorliegenden deutschen Ausgabe nur 128 Seiten dick ist? Es geht ums Trinken, genauer gesagt: um die Kunst des Trinkens. Und um Missverständnisse auszuschließen: Gemeint ist das stilsichere Trinken von alkoholischen Getränken. Das Buch bietet thematisch zunächst das, was man erwartet: Informationen über ›echte Drinks‹ (inklusive Anleitung), über notwendiges Zubehör (vom Korkenzieher bis zu den richtigen Gläsern), über das ›wohlsortierte Schnapsregal‹, über Weinsorten, den fachgerechten Umgang mit Weinen sowie den Weinerwerb (inklusive Preisnennungen, die ihren Informationswert nach über vierzig Jahren eingebüßt haben dürften) und schließlich noch über die ewige Frage, welches Getränk zu welcher Speise passt.
Das klingt recht konventionell, ist es aber nicht. Denn die Art, wie Amis seine Trinkkunde aufbereitet, ist mindestens so anregend und vergnüglich wie der Genuss der beschriebenen Getränke selbst. Amis’ Zugang zum Thema ist auf der einen Seite präzise und pragmatisch. Doch das Ganze ist andererseits durchsetzt mit idiosynkratischen Bewertungen und der Schilderung persönlicher Eindrücke, wobei Amis eine Ironie vom Feinsten und einen knochentrockenen Witz pflegt. Von äußerst handgreiflichen und nützlichen Ratschlägen vermag Amis fast übergangslos bei famosen Absurditäten zu landen. Das alles ist natürlich very british. Und dazu gehört selbstverständlich auch, dass Stilsicherheit sauber vom Snobismus unterschieden wird. Anständig trinken zu können ist, so Amis, nicht abhängig von großen finanziellen Mitteln oder dem Besitz irgendeines Geheimwissens. Für das ›Brimborium‹, das vermeintliche Weinkenner oftmals veranstalten, hat Amis nur Spott und Verachtung übrig. Er führt vor, wie man auch mit einfachen Mitteln anständig trinken kann, – man muss es eben nur auf die richtige Art und Weise tun.
Und weil Amis auf diese sehr britische Weise gleichermaßen volkstümlich und pragmatisch ist, dehnt er seine Ratschläge in den letzten Kapiteln seines Buches auch auf Gegenstände aus, die normalerweise nicht in der entsprechenden Ratgeberliteratur auftauchen. Im Kapitel über den ›geizigen Gastgeber‹ listet er beispielsweise Strategien auf, mit denen es gelingen kann, Gästen möglichst wenige und billige Getränke zu servieren, wenn man nur über beschränkte Mittel verfügt oder einfach seine Trinkvorräte nicht opfern möchte. Worum es im vergleichsweise langen Kapitel geht, das ›Der Kater‹ betitelt ist, muss nicht erläutert werden. Erwähnenswert allerdings ist die begriffliche Differenzierung izwischen dem ›physischen‹ und dem ›metaphysischen Kater‹. Es schließen sich noch je ein Kapitel zur ›Trinkerdiät‹ und zur Frage an, wie man (auf Partys) möglichst lange nüchtern bleibt. Bei Letzterem stößt Amis’ Ratgeber allerdings an seine Grenze. Alle üblicherweise empfohlenen Methoden können Amis nicht wirklich überzeugen. Um möglichst lange nüchtern zu bleiben, hilft sicher nur eines: weniger trinken. Doch was das angeht, muss Amis bekennen: »Bitte fragen Sie nicht ausgerechnet mich, wie Sie das hinkriegen sollen.«
Amis’ Spott ist gerecht verteilt. Natürlich trifft er den europäischen Kontinent, der sich aus britischer Sicht aus lauter unzivilisierten Ländern zusammensetzt (siehe Kapitel: ›Trinken im Ausland‹). Er trifft Sozialdemokraten genauso wie Aristokraten (denn Snobismus ist keine Sache der politischen Ausrichtung). Er trifft aber auch die britische Lebensart. Und nicht zuletzt – das sollte inzwischen klar sein – macht sich Kingsley Amis liebend gerne über Kingsley Amis lustig.
Ein Buch, das als Ratgeber sicherlich nur in Grenzen nützlich, aber dafür grenzenlos komisch ist. Kaufen!
-Amazon-Leser-Rezension von Estragon

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Kingsley Amis

Bildquelle: Wikipedia

Sir Kingsley Amis, 1922 in London in eine Familie der unteren Mittelklasse geboren, studierte Anglistik in Oxford und diente im Zweiten Weltkrieg als Leutnant beim Fernmeldekorps. Von 1948 bis 1961 lehrte er als Englisch-Dozent in Swansea und Cambridge. In seiner Jugend war er Mitglied der Kommunistischen Partei und wurde als junger Schriftsteller zu den sozialkritischen sogenannten zornigen, jungen Männern gezählt. Mit den Jahren wurde er ein Rechter und trat der Tory-Partei bei.
Aus seiner ersten Ehe mit Hillary Bardwell, während der er viele außereheliche Affären pflegte, entstammt der ebenfalls große Schriftsteller Martin Amis (* 1949 in Oxford, England; † 2023 in Lake Worth Beach, Florida, USA). Kingsley Amis war von 1965 bis 1983 in zweiter Ehe mit der Schriftstellerin Elizabeth Jane Howard verheiratet.
Neben Science Fiction-Romanen und dem ersten Fortsetzungsroman der James Bond-Reihe nach Ian Flemings Tod, zählen vor allem Romane mit gesellschaftskritischem Hintergrund zu seinen Werken. Er schrieb über Erziehung, Politik, Sprache, Film, Fernsehen, Gastronomie und Alkoholgenuss. Glück für Jim (es gibt auch eine Veröffentlichung mit dem Titel Jim im Glück), sein mit dem Somerset Maugham Award prämierter Debütroman, machte ihn in Nordamerika und Europa sehr bekannt. Vom US-amerikanischen Magazin Time wurde Glück für Jim zu den besten englischsprachigen Romanen gekürt. 1986 erhielt Kingsley Amis für seinen Roman The Old Devils den angesehenen Booker Prize. Kingsley Amis wurde, wie später auch sein Sohn, der sich an seinem Vater abarbeitete, zum Ritter geschlagen.

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel: Anständig trinken

Autor: Kingsley Amis

Übersetzung: Joachim Bessing

Illustration: Eugen Egner

Verlag: Rogner & Bernhard GmbH & Co. Verlags KG, Berlin

ISBN:  978-3-8077-1044-0

Anständig trinken ist im Sortiment des Verlags vergriffen, jedoch in verschiedenen Ausgaben antiquarisch verfügbar. Idealerweise Titel und Autor unter Erweiterter Suche bei Buchhai eingeben und sofern möglich, Amazon vermeiden, da dieses Unternehmen u.a. Verlage knebelt.


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Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. Herrliches Buch! So ein Buch wird man heutzutage vergeblich suchen. Schon bestellt!

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