Phönix vom Rande Europas – Portugal ist ein Glücksfall für Weinliebhaber

von Daniela Brack

Für viele mag der einst für den Export nach Großbritannien entwickelte Portwein noch immer die bekannteste Weinspezialität des Landes sein, doch Portugal ist auch ein Glücksfall für Weinliebhaber jenseits des Ports. Das milde Klima, rund 3.000 Sonnenstunden pro Jahr und eine 850 Kilometer lange Atlantikküste machen Portugal nicht nur zu einem gefragten Reiseziel, hier hat sich auch in Jahrhunderten geographischer und politischer Abgeschiedenheit eine Rebsortenvielfalt entwickelt und erhalten, wie es sie so nirgendwo sonst auf der Welt gibt.

Abb.: Sintra Castle, Sintra, Portugal; Bildquelle: Foto von Julia Solonina auf Unsplash

Portugals Landschaften zeigen sich voller Kontraste auf engem Raum: Vom grünen Norden des Minho zum heißen Süden der Algarve, von der starken atlantischen Seebrise im Westen bis hin zum trockenen Kontinentalklima im Osten je näher man der spanischen Grenze kommt. Die Varianz der unterschiedlichen Klimazonen wird durch die Vielzahl verschiedener Böden ergänzt: Sie reichen von feinem Sand über Schiefer bis hin zu hartem Granit.

Abb.: Quinta Nova; Bildquelle: Daniela Brack

Dass diese Kontraste aber weniger Hindernisse, sondern vielmehr Spielräume und Möglichkeiten für eine einzigartige Weinkultur eröffnen, erkannten in der Antike bereits die Römer. Es mag also nicht verwundern, dass sie ihre damalige Provinz im Westen der iberischen Halbinsel Lusitanien nannten – nach Lusus, dem Sohn des Weingottes Bacchus. Mehr noch: Die Römer brachten, zusammen mit ihrer Kultur, die Kunst des Weinbaus und ihre Rebsorten mit nach Portugal.

Bildquelle: Daniela Brack

Gemeinsam mit den Phöniziern, den Griechen und Mauren legten sie damit den Grundstein für ein bis heute einzigartiges Phänomen: Kein anderes Land verzeichnet eine solche Fülle an autochtonen, also nur hier heimischen Rebsorten, wie Portugal. Auf einer Rebfläche von rund 240.000 Hektar fasziniert das Land mit einer Vielfalt von 250 heimischen Rebsorten, die sich in Jahrhunderten der Isolation, abgeschnitten vom Austausch mit den weinerzeugenden Nachbarn Frankreich und Spanien, entwickeln und erhalten konnten.

Bildquelle: Daniela Brack

Diese Rebsorten werden heute auf einer ungewöhnlichen Terroir-Vielfalt mit gewachsenen, traditionellen Methoden der Weinbereitung wie auch modernster Kellertechnik zu überraschenden und feinen Weinen ausgebaut, die sich keineswegs hinter denen der Nachbarn im Norden oder Osten verstecken müssen. Ein weiteres Plus: Während ein Teil der Winzer nach wie vor ausschließlich auf die heimischen Rebsorten setzt, bringt der andere Teil internationale Sorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot oder Syrah mit ins Spiel und vermählten sie mit den regionalen Gewächsen zu bemerkenswerten Cuvées.    

Bildquelle: Daniela Brack

Damit ist Portugal ein Glücksfall für Weinliebhaber. Doch dies war nicht immer so.

Lange Zeit dämmerte der portugiesische Weinbau in einer Art Dornröschen-Schlaf, insbesondere in den Zeiten der Diktaturen von Ende der 1920er bis Mitte der 1970er Jahre, als zwar die Entstehung regionaler Genossenschaften staatlich gefördert wurde, der Hunger in großen Teilen der Bevölkerung viele Winzer aber dazu zwang, statt Wein Getreide und andere Nahrungsmittel anzubauen, um zu überleben. Erst mit Ende der „Nelkenrevolution“ und vor allem dem Beitritt Portugals zur Europäischen Union vor mehr als 30 Jahren hat sich das Bild gewandelt und das Land sich zu einer der spannendsten und innovativsten Weinregionen der Welt entwickelt.

Bildquelle: Daniela Brack

Während sich der große Nachbar Spanien langsam vom Image des Massen-Produzenten zu befreien sucht, stellt sich Portugal gerade in Zeiten internationaler Vereinheitlichung von Rebsorten und Weinen standhaft gegen die geschmackliche Egalisierung. Und in Portugal scheint der Spagat zwischen Tradition und Moderne auf‘s Beste zu gelingen: Eine neue Generation von jungen, engagierten und selbstbewussten Winzern, hochqualifiziert und mit internationaler Erfahrung, die ihre kulturelle Identität, gewachsene Familiengeschichte und traditionelle Weinbaumethoden mit modernen Prozessen der Weinbereitung und zeitgemäßer Technik behutsam, aber gekonnt verbinden, zeichnet das Bild der Weinnation Portugal neu.

Bildquelle: Daniela Brack

Das Ergebnis sind Weine, die sortenrein oder als Cuvées ausgebaut, unglaublich spannend sind und nationale wie internationale Experten zunehmend begeistern. Dem Reiz des Weinlandes Portugal und seiner Möglichkeiten sind seit einigen Jahrzehnten auch ausländische Winzer erlegen. In fast allen der 14 Regionen des Landes finden sich mittlerweile Weingüter internationaler Eigentümer aus Australien, den USA, Großbritannien, der Schweiz, Dänemark, Frankreich und auch Deutschland. Sir Cliff Richard, geadelter britischer Sänger und Weingutsbesitzer im Süden Portugals, ist gar zu einem der feurigsten und prominentesten Erneuerer der Weinkultur der Algarve und weltweiter Botschafter portugiesischen Weines geworden.

Bildquelle: Daniela Brack

Eine Weinwelt also voller Unbekannter und Unterschiede, allenfalls etwas für Kenner? Keinesfalls. „Portugal ist noch immer eine Art Underdog in der Weinwelt“, so Hendrik Thoma, Master-Sommelier und Portugal-Experte, über den Reiz des Landes. „Es ist wie das gallische Dorf bei Asterix, das sich gegen die geschmackliche Gleichmacherei stellt – es ist authentisch, ursprünglich und freundlich. Jeder, der sich für Wein interessiert, kann hier etwas finden.“  

Abb.: Wine & Soul; Bildquelle: Daniela Brack

Und diese Vielfalt macht nicht vor dem Geldbeutel halt, denn während sich das Niveau der portugiesischen Tropfen durchgehend seit Jahren stetig gesteigert hat, sind die Weine bezahlbar geblieben. Das ist freut nicht nur den Weingenießer, sondern verschafft der kleinen Weinnation Portugal im harten internationalen Wettbewerb einen klaren Vorteil.

Abb.: Casa Relvas; Bildquelle: Daniela Brack

Also: Zeit etwas Portugiesisch zu lernen! Starten wir mit: „Saúde“ – „Zum Wohl“!

Bildquelle: Daniela Brack

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Daniela Brack

Daniela Brack ist Volkswirtin mit einer gewissen Betonung des zweiten Wortteiles, ohne jemals die Theke von der arbeitsreichen Seite bespielt zu haben. Als Fliegenfischerin ist sie den Umgang mit Verwerfungen gewohnt; als Freundin der Jagd versteht sie es, eine Treiberwehr auch in herausforderndem Terrain zur Turbodrückerkolonne anzuspornen, oft und gerne mit tatkräftiger Unterstützung des #Leihhund-DDs. Als Journalistin hat sie bei der SZ für das Wirtschaftsressort geschrieben; mit „Irish Whiskey: Phönix von der grünen Insel“ hat sie das deutschsprachige Standardwerk vorgelegt. 

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Anmerkungen

Bildquelle: Constantin Müller

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