von Daniel Schoch
Normalerweise ruht bei uns im Januar die Jagd auf Rehwild. Die Böcke sind noch im Bast, bei den Geißen ist die Keimruhe beendet und sie tragen schon kleine Föten in der Gebärmutter. Die Nahrung ist knapp, oft gibt es Eis und Schnee. Will man da noch zusätzlichen Stress ins Revier bringen? Nein, das will man nicht. Und auch, wenn ich ein ausgesprochener Fleisch-Jäger bin, dem die Gehörne der Böcke eher weniger wichtig sind, kann ich den Bock auch noch in den Mai laufen lassen, wenn er den Bast längst abgestreift hat. Seit letztem Sommer bin ich darauf gekommen, Blatter aus den Gehörnen zu bauen, wodurch sie für mich dann doch in ihrer Nutzbarkeit und im Wert gestiegen sind.
Also, im Januar den Ball flach halten, vielleicht mal vorsichtig den Sauen nachstellen, aber dem Rehwild die paar Monate Ruhe gönnen. Doch dieses Mal war alles etwas anders.
Wir jagen in einem Auwald-Revier, das umgeben ist von einem Altarm des Rheines, der unsere kleine Welt tatsächlich wie ein Arm umschlingt, sich in einem weiten Bogen darum legt.

Der Rhein begrenzt es auf der andern Seite, bildet ebenfalls eine Bogen, allerdings einen sehr flachen. Ein Zufahrtsweg bildet die einzige feste Verbindung zum übrigen Land, so dass es fast einer Insel gleicht. Wie der Rhein es vor seiner Begradigung getan hatte, tritt er hier noch immer gern über seine Ufer, meist ein bis zweimal im Jahr, in der Regel im Frühjahr, und setzt so weite Teile des Reviers unter Wasser. Das Wild zieht sich dann auf dem verbliebenen Land zusammen, manchmal rinnt es auch durch den Altarm auf das feste Ufer. Die Jagd ruht für uns auch in diesen Zeiten, denn die Natur muss mit dem Stress des Hochwassers zurecht kommen, das genügt. Da muss nicht noch der Jäger Unruhe rein bringen.

Nun kam aber ein Hochwasser im November vergangenen Jahres und überflutete gar die große Wiese, was für uns immer ein Alarmzeichen ist, denn dann hat es schon eine sehr ansehnliche Höhe erreicht. Und das, wo die Jagd auf Hochtouren laufen sollte, galt es doch, die letzten Rehe zur Abschusserfüllung zu erlegen. Gegen Ende des Monats ging es langsam zurück, um dann im Dezember erneut zu anzusteigen. Am 15. Dezember 2023 erreichte es mit 7,98 m seinen Scheitelpunkt. Zum Vergleich, der mittlere Pegelwert liegt bei ca. 3,60 m. Es war also ca. zwei Monate nicht an Jagd zu denken, und die Erfüllung der Abschussvereinbarung stand auf wackligen Füßen. So kam es, dass ich im vergangenen Jagdjahr das letzte Schmalreh erst am 25. Januar, als wenige Tage vor Beginn der eigentlichen Schonzeit für Rehe, erlegte.
Am nächsten Abend waren gute Freunde zum Essen geladen, und so passte es ganz gut, dass ich den Gästen ein frisches Reh-Herz anbieten konnte.

Es gab da gerade ein neues Kochbuch in meinem Regal, Wild genießen – Die einfache Kochschule für alle Jäger und Wildbegeisterte, in dem Christian Teppe, Yasmin und Kai Kochmann eine Reihe recht einfach zuzubereitender, aber äußerst schmackhafter Rezepte vorstellen.

Es gab also aus diesem Werk das Rehherz in Whiskybutter, und anschließend den Rehrücken auf Beluga-Linsen.
Das Herz wurde pariert und mit einer Mischung aus Kaffeepulver, Salz, Pfeffer, braunem Zucker und etwas Thymian gewürzt. So wurde es kurz und scharf angebraten und kam abgedeckt ein paar Minuten auf einem Teller zur Ruhe.
In einer zweiten Pfanne röstete ich einige hauchdünn mit Butter bestrichenen Scheiben Weißbrot an. Der Bratensatz vom Herz wurde mit etwas Bowmore Legend (mein üblicher Koch-Whisky) abgelöscht und mit wenig eiskalter Butter leicht gebunden.

Das Herz auf den Brotscheiben verteilt und mit der Sauce beträufelt gab das eine herrliche Vorspeise.

Die Gäste waren etwas zurückhaltend, ich fand es fantastisch. Ein leckeres, einfaches Gericht, dessen Aromen wunderbar miteinander harmonieren. Wichtig ist, das Herz nur kurz anzubraten, sonst wird es zu trocken und schmeckt entsprechend fade.
Vielleicht hätte ich einen etwas sanfteren Whisky verwenden sollen, um den Gästen etwas mehr entgegen zu kommen. Der Bowmore ist eben ein Islay Single Malt und dementsprechend recht rauchig. Ich liebe den rauhen und zugleich leicht süßlichen Geschmack den der Torfrauch beim Darren der Gerste verleiht, aber so mancher bevorzugt mildere Tropfen.
Bei der Hauptspeise kamen dann allerdings alle auf ihre Kosten. Meines Erachtens ist der Rückenstrang des Rehs das edelste Fleisch, dass in unseren Breiten zu bekommen ist. Seine Zartheit gepaart mit diesem einzigartig milden und doch wilden und intensiven Geschmack ist einfach wunderbar. Nur der Feldhase kann ihm noch das Wasser reichen, aber den gibt es im Auwald eher nicht.

Die Beluga-Linsen sind wie für Wildgerichte geschaffen. Tatsächlich waren sie mir bis zu diesem Rezept eher unbekannt, doch damit hab ich sie nun wirklich schätzen gelernt. Die schwarzen kleinen Beluga-Linsen mit ihrem leicht nussigen Aroma behalten etwas mehr Biss, als die üblichen hierzulande servierten Linsengerichte, und mit knappen 30 Minuten Garzeit sind sie auch schnell zubereitet. Der Rehrücken selbst darf ja auch nur kurz angebraten werden und gart im Ofen bei 20 Minuten bis zur Perfektion.
Es gibt kaum Schlimmeres, als ein übergarter Rücken, der das Fleisch des Tieres zum zweiten Mal tötet. Außer wenn das Bier alle ist…*
Man kann das ganze Gericht also problemlos zubereiten, wenn die Vorspeise verdrückt ist und die Gäste am Tisch sitzen. Ich genieße es immer sehr, in unserer offenen Küche am nächsten Gang zu arbeiten, während die Gäste am Tisch sitzen, plaudern und lachen, ab und an kommt jemand mit seinem Weinglas an die Kücheninsel geschlendert, um mir über die Schulter zu schauen. Gemeinsam essen ist soviel mehr als einfach gemeinsam zu essen. Es ist mir eine der liebsten Freizeitbeschäftigungen.
Der Rücken wurde mit Begeisterung gegessen und im Anschluss rundeten wir das Mahl mit einem Espresso und einem grandiosen Calvados von Monsieur Lebrec ab.
Noch ein paar Worte zum Buch: Christian Teppe, Rechtsanwalt und erfahrener Jäger, bildete den Jungjäger Kai Kochmann in seinem Revier aus. Gemeinsam mit Yasmin Kochmann, Hôtelière-Gastronomin, erarbeiteten die beiden dieses Buch, das neben einfachen Rezepten wie Kartoffelauflauf mit Hackfleisch und Lauch oder Amerikanischer Kohlsalat, durchaus auch ausgefalleneres wie Koreanische Wildschweinrippchen oder Asiatische Gyoza mit Wildschweinhack, bietet. So kann es sowohl dem Kochanfänger und Jungjäger, als auch dem erfahrenen Hobbykoch und dem Jagdherrn ans Herz gelegt werden.

Das Buch wird eingeleitet mit einem Vorwort und einer kleinen Jagdstory, in der Jungjäger Kai Kochmann von seiner ersten erfolgreichen Jagd berichtet.
Darauf folgt ein Kapitel mit Rezepten kleiner Gerichte wie Aufstrich mit Rehleber oder Mitternachts-Nierchen, dann eines mit großen Gerichten wie Schnelles Thai-Curry oder Leberfrikadellen Augustenborg. Nach den Beilagen (Maismehlbrot oder Glasierte Möhren mit Giersch) schließt der Rezept-Teil des Buches mit den Nachspeisen wie Maiwipfel in Schokolade oder Beerensorbet mit Schuss.
Am Ende informiert noch ein Kapitel über ein wenig Küchenpraxis und Bezugsquellen für Wildbret werden auch noch genannt.
*
*Musik-Tipp, Zitatgeber dieser Zeile: Die Kassierer – Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist
Rehherz mit Whiskybutter
von Yasmin Kochmann
Genau wie Leber wird ein Herz am besten direkt nach der Jagd genossen. Diese Zubereitung ist inspiriert von Abenden am Lagerfeuer nach der Jagd, an denen wir das Herz in einer gusseisernen Pfanne direkt über den Flammen zubereitet haben. Die Gewürzmischung bereite ich gerne schon im Voraus zu.

Für 4 Portionen
15 Min. Zubereitung
Für die Gewürzmischung
2 TL gemahlener Kaffee
1 TL Salz
1/2 TL Pfeffer (frisch gemahlen)
2½ TL brauner Zucker
1/4 TL getrockneter Thymian
Für das Rehherz
1-2 Rehherzen
1EL Öl
2 EL Whisky
2 EL kalte Butter
Alle Zutaten für die Gewürzmischung vermengen. Von den Herzen alles Weiße (Fett, Venen und Bindegewebe) entfernen (s. S. 178). Das Herz in Scheiben schneiden und mit der Gewürzmischung bestreuen. Reste der Gewürzmischung aufheben.
Das Öl in einer Pfanne erhitzen und das Fleisch darin kurz scharf anbraten. Das dauert pro Seite 1-4 Min. je nach Dicke des Fleisches. Es sollte innen noch leicht rosa sein. Das Fleisch auf einem Teller 5 Min. ruhen lassen. Den Bratensatz in der Pfanne mit Whisky lösen, dann die kalte Butter hinzugeben. Die Sauce über das Fleisch träufeln und mit Krustenbrot servieren.
Rehrücken mit Belugalinsen
von Yasmin Kochmann
Die Inspiration zu diesem Gericht habe ich aus meiner Zeit in den USA mitgebracht. Auch das Gros der in Deutschland erhältlichen Beluga-Linsen stammt aus den USA und Kanada. Der amerikanische Jäger liebt sie zu Wild. Sowohl Beluga- als auch Puy-Linsen behalten nach dem Garen eine festere Konsistenz als andere Linsensorten und passen sehr gut zu zarten Fleisch. Das Ragout können Sie gut vorbereiten. Wenn die Gäste vor der Tür stehen, muss es nur kurz erwärmt werden.

Für 6 Portionen
50 Min. Zubereitung
Für die Rehrücken
2 ausgelöste Rehrücken
Salz
2 EL mittelscharfer Senf
1 EL Rapsöl
1 EL Butter
Pfeffer (frisch gemahlen)
Fleur de Sel
Für das Linsenragout
1 Knoblauchzehe
1 Zwiebel
1 große Möhre
200 g Beluga-Linsen (ersatzweise Puy-Linsen)
1 EL Olivenöl
1 EL Tomatenmark
1 Lorbeerblatt
1 Zweig Thymian
600 ml Gemüsebrühe
Salz schwarzer Pfeffer
(frisch gemahlen)
1 TL Aceto balsamico
1 EL fein gehackte Petersilie
Für die Rehrücken das Fleisch 1-2 Std. vor der Zubereitung aus dem Kühlschrank nehmen, von Fett und Sehnen befreien und mit 1 EL Salz bestreuen. Den Backofen auf 100 °C Ober-/ Unterhitze vorheizen.
Rehrücken vor dem Braten mit Küchenpapier trocken tupfen und mit Senf bestreichen. Öl und Butter in einem Bräter erhitzen und die Rehrücken darin auf allen Seiten anbraten. Immer wieder mit dem Fett übergießen. Das Fleisch auf einem Grillrost mit darunter-liegendem Backblech im heißen Ofen (Mitte) in 20-25 Min. fertig garen. Den Bräter nicht säubern, sondern für die Zubereitung der Linsen benutzen.
Idealerweise nach 20 Min. die Kerntemperatur vom Rehrücken prüfen. Sie liegt für Rehrücken zwischen 50 und 60 °C – je nachdem, welcher Gargrad gewünscht ist (leicht rosa oder eher durchgegart). Ich persönlich finde 54 °C optimal. Bedenken Sie, dass das Fleisch in der Ruhezeit noch etwas nachgart.
Den Ofen ausschalten, das Fleisch locker mit Alufolie abdecken und 10-15 Min. im Ofen bei leicht geöffneter Tür ruhen lassen.
Während das Fleisch im Ofen gart, für das Linsenragout Knoblauch und Zwiebel schälen und fein hacken. Die Möhre putzen, schälen und fein würfeln. Linsen waschen, bis das Wasser klar bleibt.
Das Olivenöl in dem Bräter, in dem Sie bereits das Fleisch gebraten haben, bei mittlerer Hitze erwärmen. Knoblauch, Zwiebel und Möhre darin etwa 5 Min. anbraten. Tomatenmark, Lorbeerblatt und Thymian hinzufügen und 2 Min. weiterbraten. Linsen, Brühe, Salz und Pfeffer hinzufügen und zum Kochen bringen. Dann die Hitze reduzieren und das Ragout 25 Min. offen köcheln lassen, bis die Linsen weich sind. Aceto balsamico hinzugeben.
Den Saft, der während der Fleischruhe ausgetreten ist, zu den Linsen geben. Das Fleisch mit Pfeffer und Fleur de Sel würzen und in Scheiben schneiden. Linsen auf Teller verteilen, mit Petersilie bestreuen und das Fleisch darauf anrichten.
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Christian Teppe

Christian Teppe ist nicht nur renommierter Fachanwalt und Rechtsexperte im Bereich Agrarrecht und Jagd, sondern selbst seit über 25 Jahren Jäger. Seit vielen Jahren schreibt er Fachbeiträge für diverse Jagdzeitschriften, seit einiger Zeit verantwortet er zudem die Gesamtbearbeitung des BLV-Standardwerks „Krebs, Vor- und nach der Jägerprüfung“. Sein Podcast Teppe und Schwenen op Jagd ist auf allen großen Musikplattformen zu hören.
Kai Kochmann

Kai Kochmann ist Kommunikationsberater und seit über 20 Jahren als Coach, Moderator und interkultureller Trainer tätig. Zusammen mit seiner Frau Yasmin konzipiert er seit 2015 deutschlandweit Liberale Salons als kulinarische und kulturelle Netzwerk-Abende der besonderen Art. Zu diesen Anlässen werden regelmäßig Wildbret-Spezialitäten zu einem kühlen Bier oder ausgesuchten Weinen serviert. In seiner Freizeit frönt Kai Kochmann seinem großen Hobby, der Jagd, und er trainiert seinen Labrador-Retriever für jagdliche Wettbewerbe im Deutschen Retriever Club.
Yasmin Kochmann

Yasmin Kochmanns Leidenschaft zu kochen begann schon in ihrer Kindheit. Durch Auslandsaufenthalte in Asien, Afrika, Europa und den USA hat sie die Vielfalt unterschiedlicher Gewürze und Kochtechniken kennengelernt. Nach ihrem Architekturstudium und Diplom an der Schweizerischen Hotelfachschule Luzern wurde aus ihrem Hobby eine Profession. Lange Zeit hat sie vegetarisch gekocht, doch durch die Freundschaft zu Christian Teppe und Kontakte in die Jägerschaft, entdeckte sie die Faszination der Wildbretküche für sich.
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Daniel Schoch

Daniel Schoch ist Jäger, Angler, Imker, Geflügelhalter, Selbstversorger, Schreiner und Spinner. Seine Wurzeln liegen in der sonnigen Pfalz, zwischen Rhein und Reben. Nach einem mehrjährigen Ausflug ins schöne Portugal, zog er vor neun Jahren wieder in die alte Heimat. Seitdem isst er die Wälder und Flüsse des Mittelrheingrabens etwas leerer.
Er liebt und lebt für gutes Essen, gute Getränke, für die Jagd und für den Punkrock.
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Anmerkungen

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Titel: Wild genießen: Die einfache Kochschule für alle Jäger und Wildbegeisterte
Autoren: Christian Teppe, Yasmin Kochmann, Kai Kochmann
Verlag: BLV Verlag
Verlagslink: https://blv.de/products/63522-wild-geniessen
ISBN: 978-3-96747-120-5
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Herz-lich! Ja, Herz ist ein wunderbares Stück Fleich, mMn das Beste überhaupt: Kalbsherz, Rehherz, Lammherzen oder auch ne Riesenpfanne Hühnerherzen – alles wunderbar! Da kommt kein Filet mit. – Euer TT
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Das wiederum erinnert mich an ein Bonmot des von der seriösen Kritik unterschätzten Autors Stephen King: „People think that I must be a very strange person. This is not correct. I have the heart of a small boy. It is in a glass jar on my desk.”
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Hahahaha
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