von Joachim Orbach
Der Bedarf nach schnell verfügbarer Information, rascher Wandel, Schnelllebigkeit und Vergänglichkeit sind herausragende Merkmale unserer Zeit. Was gestern noch galt, ist heute oft schon überholt – oder wird als „Schnee von gestern“ abgetan. Im Bemühen, mit neuen Entwicklungen Schritt zu halten, geraten die Werte früherer Generationen leicht in Vergessenheit. Dabei ist uns oft nicht mehr bewusst, dass unser heutige Stand an Wissen, Technik und Kultur auf überliefertem Wissen gründet.
Das gilt auch für einen Bereich, der den Menschen seit jeher begleitet: die Jagd – und mit ihr die Jagdhunde, die zur Ausübung der Jagd unerlässlich waren und sind.
Es wäre ein Armutszeugnis für unsere Generation, wenn es uns nicht gelänge, diesen wichtigen Teil unserer Kultur an künftige Generationen weiterzugeben und zu bewahren.
Schon der griechische Schriftsteller Arrian (*95; 180 n.Chr.) berichtete über die Jagd mit Hunden bei den Donaukelten. Die Kelten setzten den feinnasigen Segusierhund (auch Keltenbracke) zur Wildsuche ein – eine Aufgabe, die später der Leithund bei den Parforcejagden des Mittelalters übernahm. Für die Hetzjagd hingegen nutzte man Windhunde. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich Jagdformen, Hundezucht und deren jagdlicher Einsatz stetig weiter – ebenso wie die Methoden zu ihrer Ausbildung / Einarbeitung. Dazu gehörten auch Hilfsmittel, etwa zur Herrichtung von künstlichen Schweiß- bzw. Wundfähren – sowie die Kenntnisse über die Nasenleistung unserer Jagdhunde.
Bereits Heinrich Wilhelm Döbel (*1699; † 1759 ) empfahl in seinem Werk Eröffnete Jäger-Praktika oder Der wohlgeübte und erfahrene Jäger (1746), das Gescheide eines Bockes in einem Netz 100 Meter zu schleppen und als dann zu verstecken.

Sicherlich wurde mit einer derartigen Schleppfährte möglichst erreicht, dass die Witterung vom Schweiß und Gescheide – und nicht vom Fährtenleger als sogenannten Beigeruch – vom Hund gearbeitet wurde. Aber von einer richtigen künstlichen Schweiß-Wundfährte, so wie wir sie in der heutigen Zeit verstehen, kann man nicht sprechen.
Ein erstes brauchbares Gerät zur Herrichtung (legen) einer Kunstfährte wurde offensichtlich um die Wende zum 20. Jahrhundert von Oberländer (Carl Rehfuß, * 1857; † 1927) entwickelt, die Schweißtrommel – ein drehbarer, trommelförmiger Drahtkorb in den Gescheide gefüllt wurde und an einem Seil gezogen wurde.
Fast zur gleichen Zeit kamen die Fährtenräder -nach Merrem, Mühe und Zeitz auf. Das Fährtenrad nach Merrem wurde vom Fährtenleger an der Deichsel hinter sich hergezogen. Zwischen Deichsel und Rad befand sich ein Behältnis das mit einem schweißgetränkten Schwamm gefüllt wurde, an dem die am Speichenrad befestigten Läufe beim Ziehen vorbeistreichten.

In seiner Wirkung ähnlich war das Mühesche Fährtenrad, was man jedoch ziehen und schieben konnte. Eine weitere vereinfachte Ausführung war die nach Zeitz.

Von diesen Schweißfährtenräder ist man allerdings schon längst abgekommen. Entweder werden in der heutigen Zeit künstliche Fährten mit der Spritzflache gespritzt, mit einer Tropferflasche getropft, mit dem Tupfstock (ein Stock, an dessen unterem Ende eisn etwa 6 Quadratzentimeter und etwa 2 Zentimeter dickes Schaumgummistück befestigt ist) oder mit einem Tupfstock mit eingebautem Schweißbehälter getupft. Dann gibt es noch den Fährtenschuh, mit dem die Fährten getretten werden. Die ersten Fährtenschuhe bestanden aus einer Sohle in welche diverse Konstruktionen für die Aufnahme von Schweiß, Gescheide und Befestigungen für die Wildläufe ein – bzw. angearbeitet waren. Die weiter entwickelten und heute gebräuchlichen Fährtenschuhe haben keine Aufnahmen für Schweiß und Gescheide. Sie verfügen lediglich über eine Befestigungsaufnahme für Wildläufe von Hochwild.

Die Verwendung von Rehläufen macht keinen Sinn, weil Rehwild bedingt durch sein Gewicht kaum Bodenverwundung ( z.B. durch Trittsiegel) verursacht und solche Fährten, wenn praxisnahe, von einem Kleinkind getretten werden müssten. Zusätzlich wird bei solchen Fährten eine geringe Menge (0,1 Liter) Schweiß wie z.B. bei einer Verbandsfährtenschuhprüfung (VFsP) gesondert getropft oder getupft.

Neben der Entwicklung von Hilfsmitteln und dem Wissen über die Stehzeiten künstlicher Fährten, entstanden im Laufe der Zeit auch die heutigen Prüfungen und Prüfungsordnungen zur Herrichtung von Kunstfährten.

Die Erkenntnisse über die Stehzeiten von Fährten wurden in die entsprechenden Prüfungen und Prüfungsordnungen durch den Jagdgebrauchshundverband (JGHV), dessern Mitgliedsvereine (wie dem DTK) sowie für die Brauchbarkeitsprüfungen (BP) der Länder eingearbeitet.
*
Joachim Orbach

Seit 1968 führt Joachim Orbach Jagdhunde (Erd – u. Vorstehhunde). Im gleichen Jahr meldete er auch seinen Zwinger für die Teckelzucht an. Einige Jahre später führte er dann auch Deutsch Drahthaar und Kleine Münsterländer. Ab 1983 begann er damit Artikel für Jagdzeitungen, Mitteilungsblätter des JGHV und Zuchtvereine sowie Jagdblogs zu schreiben. Eine Liste seiner Veröffentlichungen findet sich auf www.jagfibel.de (Suchbegriff Joachim Orbach eingeben). Auch ist er für die Redaktion der Jagdfibel (s. Impressum), Pressesprecher der Bergischen Arbeitsgemeinschaft Schweiß sowie für den JGV Oberbergischer Jäger e.V. tätig. Er ist Mitglied im Forum lebendige Jagdkultur sowie Zucht – und Prüfungsvereinen für Jagdhunde.
***

Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Porzellantassen. Weitere Informationen hier.
Entdecke mehr von KRAUTJUNKER
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.
Herzog Wilhelm in Bayern schrieb in den 30erJahren in seinem ansonsten sehr guten Buch „Die Jagd im Gebirg“ dazu: „Nun lese ich, dass es schon Leute gibt, die mit eigens präparierten Schweißschuhen die Fährte legen. Da frage ich mich, ob Leute mit Schweißfüßen nicht viel besser dafür geeignet wären.“Wie gesagt: ansonsten ist das Buch sehr gut.
LikeGefällt 1 Person