Taste: Mein Leben für Küche und Kamera

Buchvorstellung von Reiner Grundmann

Wer kennt Stanley Tucci? …oder besser, wer kennt ihn nicht?

Abb.: Stanley Tucci, Berlinale 2017

Sein Buch Taste ist schon haptisch interessant, sobald man es zum ersten Male in die Hand bekommt. Tuccis halbiertes Konterfei in schwarz-weiß, wie weiland Mc Kilroy linst er über eine rote Banderole – prangt auf modernem kühlweißem Folieneinband. Geht man nun mit der Hand tiefer und schließt die Augen, um wie ein Blinder zu forschen, so fühlt man warme Stoffstruktur wie bei Einbänden von antiquarischen Büchern aus den 50er oder 60er Jahren üblich.

Geboren 1960 in New York, wuchs Stanley Tucci in Katonah auf, nach seinen Worten einer hübschen Kleinstadt nördlich von Manhattan.

Seine Frau, Kate Tucci, mit der er drei Kinder hat und seit 1995 verheiratet war, starb im Mai 2009 an Krebs. Im Oktober 2011 verlobte sich Stanley Tucci mit Felicity Blunt, der älteren Schwester der Schauspielerin Emily Blunt. Die Hochzeit fand im Sommer 2012 statt. Am 25. Januar 2015 kam der gemeinsame Sohn zur Welt, im April 2018 folgte eine Tochter.

Bekannt wurde der Hollywood Star aus New York bei uns durch eine Hauptrolle in Der Teufel trägt Prada und Julia und Julie mit Meryl Streep und Amy Adams in weiteren Hauptrollen…er spielt den Ehemann der unvergleichlichen Julia Child, die Pionierin aller Kochshows und die Missionarin amerikanischer Kochkunst. Auch Die Akte, eine ältere John Grisham Romanverfilmung mit Julia Roberts als Partnerin, ist erwähnenswert.

Er selbst outet sich auch als großer Fan von Julia Child.

Stars umgeben ihn – den Menschen, von dem wir nichts wissen, außer, dass seine Begleiter in Restaurants auf der ganzen Welt das „who is who“ des Amerikanischen Films sein könnten. In USA, Rom, Norwegen, oder Frankreich, wo er mit Meryl Streep ein denkwürdiges Abendessen hatte, wie auch bei anderen Gelegenheiten mit Marcello Mastroianni und bei den Dreharbeiten für The big night – ein Film von und mit ihm, der zum Kultfilm der Köche in USA wurde. Auch Isabella Rosselini durfte er am Filmset kennenlernen und nach Drehschluss in Italiens dolce vita entführen.

Mit Meryl Streep in der Normandie und nach dem Besuch des D-Day Memorials, bestellte man einstimmig Andouilette, Spezialität des Hauses in einem kleinen Restaurant unweit der Küste, eine französische Wurst-Spezialität aus diversen Tierdärmen. Nach dem Anschneiden der optisch fragwürdigen Riesenwurst verbreitete sich ein leichter Stallgeruch und so wanderte allerdings alles zurück in die Küche, unter dem Schmunzeln der Kellnerin, die es vorausgesehen hatte. Einhellig bestellte man als Ersatz weitaus harmloseres Omelette und Wein, incl. Genussgarantie – und philosophierte darüber, dass die Andouillette wohl der wahre Grund für die Vertreibung der Nazis aus Frankreich war – sie müssen wohl befürchtet haben, das zur Strafe täglich essen zu müssen. Nur diese eine Geschichte hat mir schon Lachtränen in die Augen getrieben – ich las sie in einer S-Bahn nach Bamberg, die Gesichter der Mitreisenden waren göttlich. Wer das verstehen will muss es allerdings schon lesen.

Bildquelle: Reiner Grundmann

Nein erstrangig ist nicht seine Rolle als Schauspieler in diesem Leben, wie wir jetzt erstaunt lesen dürfen – für ihn ist es ein Job geworden, und wenn er heim nach New York jettet zu seiner zweiten Ehefrau und den Kindern, dann freut er sich vor allem auf eines:

Kochen und essen, ausnahmsweise vielleicht noch essen und kochen und trinken – und er ist seiner Mutter unendlich dankbar, dass sie ihm ganz natürlich die ganz besondere Küche Italiens zugänglich gemacht hat, es ist ein Geschenk. Im Familienkreis wird mehrgängig gespeist, und man redet über das Essen von heute und… über das Essen von gestern und morgen. Irgendwie kocht immer jemand in italienischen Familien – den ganzen Tag und wenn es sein muss auch die halbe Nacht. Freunde von Stanley – in Schultagen hatten sie es einmal herausgefunden, dass es in Italien und bei Italienern ganz normal ist spontan unangekündigte Gäste zu haben und an den Tisch zu bitten, flüchteten vor den mütterlichen Tiefkühlkostkulinarien. In der Schule beneideten sie Stanley um sein Pausenbrot, üblicherweise Reste der abendlichen Kost vom Vortag, und verglichen es mit ihrem eigenen. (…haben Sie schon einmal zerquetschte Marshmallows auf Sandwich gegessen, ein beliebtes Pausenbrot in USA – ich nicht, richtig gut finde ich allerdings das auch in Tuccis Familie geliebte Sandwich mit Erdnussbutter und Erdbeermarmelade.)

Ein Kommilitone von der Schauspielschule hat ihn einmal gefragt:
»„Stan ich kaufe dieselben Sachen im selben Geschäft – wieso schmecken sie bei dir einfach besser?“«

Taste ist ein Feuerwerk an liebevollen Anekdoten aus Stanley Tuccis Familie und mit vielen Rezepten der mütterlichen Küche, aus Restaurants – vor allem in Italien – teils langjährigen besten Freunden Stanleys mit selbstverständlichem Zugang in die Küchen – und auch von eigenen Kochgeschichten.

„Magst du einen Drink“, war die ganz selbstverständliche Frage von Stanley Tucci sen. an seine Gäste.

Sein ganz spezielles Rezept für den Lieblingsbegrüßungstrunk seines Vaters sei hier wiedergegeben – Stanley muss nichts neu erfinden, denn gerade in der Schlichtheit mancher bekannten Zutaten liegt der Lebensgenuss.

»Negroni Up für 1 Person:
50 ml Gin
25 ml Campari
25 ml guter Wermut
Eis
1 Orangenscheibe

…Gut schütteln, in eine Cocktailschale abseihen, mit einer Orangenscheibe garnieren, hinsetzen, trinken. Jetzt geht die Sonne im Bauch auf.«

Abb.: Negroni; Bildquelle: Wikipedia

Der Negroni wurde in Florenz im Caffè Casoni (heute Caffè Giacosa) in der Via de‘ Tornabuoni erfunden. Er ist nach dem Grafen Camillo Negroni benannt, der beim Barkeeper (Folco Scarselli) zwischen 1919 und 1920 zum ersten Mal einen mit Gin verlängerten Americano bestellte. Wiki

Tucci schreibt: »Wenn der Freitag nahte, herrschte Ebbe in unserer Haushaltskasse, und so wurden am Wochenende einfache, preiswerte Speisen serviert. In Anbetracht der italienischen Fähigkeit aus fast nichts noch etwas Gehaltvolles zu zaubern, mussten wir freilich kaum darben… Das einfachste und am häufigsten zubereitete Rezept war „pasta con aglio e olio.“«…Paprika ist dabei, Käse jedoch nicht erlaubt, schreibt er.

Das Ethniengemisch in Amerika brachte kulturell bedingt völlig neue Gefühlswelten hervor. Tucci:
»Als ich ein Junge war, kam den Feiern zum Unabhängigkeitstag (am 4. Juli) ein hoher Stellenwert zu. Damals waren die meisten Familienmitglieder, die als Teil der großen italienischen Einwanderungswelle nach Amerika gekommen waren, noch am Leben. Verglichen mit der schrecklichen Armut in Süditalien, gab ihnen also Amerika alles, was ihnen ihre Heimat nicht bieten konnte oder wollte. In Amerika hatten sich ihre Träume von einem neuen erfolgreichen Leben erfüllt.
(…)
Die italienische Küche war gewissermaßen das Bindeglied, das sie ein ums andre mal zusammenbrachte: in ihren Häusern und Gärten, auf Veranden und Campingplätzen, an Stränden und in ihren Herzen. Wein brachte dann das Räderwerk der Emotionen in Schwung und manchmal war er auch der Brennstoff für dunkle schlummernde Gefühle.«

Nachdenkliche Episoden, Rezepte, fröhliche Anekdoten aus Familie und Film und haarsträubende Geschichten wechseln einander in wild geordneter Reihenfolge ab.

In Tuccis Familie wurde auch geschlachtet.
»Die Ziege, deren Milch wir Kinder direkt aus der Zitze tranken, wurde am Ende ihres Lebens in den Keller gebracht und an ihren Hinterbeinen aufgehängt. Dann wurde ihr die Kehle durchgeschnitten und der Körper, nachdem er ausgeblutet war, geviertelt….

Mein Vater, wie ich aus zuverlässiger Quelle weiß, war kurz nach der Verlobung bei einer dieser Schlachtungen zugegen, sein künftiger Schwiegervater hatte bedauerlicherweise ein Messer gewählt, das viel zu stumpf war für die Aufgabe. Als mein Vater sah, wie schrecklich das arme Tier litt und wie es aus lauter Angst auf alle Anwesenden urinierte, fiel er prompt in Ohnmacht. Kaum dass meine Großmutter ihren angehenden Schwiegersohn ausgestreckt auf dem Boden erblickte, drehte sie sich zu ihrer Tochter um und fragte: „Den willst du heiraten? «

In loser Reihenfolge findet man die Rezepte im Text – mal mit Zutaten und der Zubereitung ausführlich, manchmal auch einfach in seinen Geschichten und Anekdoten verarbeitet. Mangels eines Rezeptverzeichnisses muss man also tatsächlich auf die Leserreise durch Taste gehen, will man alle entdecken.

Erwähnt seien hier nur einige Highlights wie Ragù Tucci, ein Rezept nach meinem Geschmack mit Rotwein, Knoblauch, Eiertomaten und Zwiebeln und einigen Raffinessen wie Rippchen und Kochfleisch vom Rind. Getrockneter Kabeljau Baccalà in Salz gab es unter weiteren Gängen an Weihnachten, wie Blaubarsch oder Pasta und einer Hommage an das Leben in USA, Turducken – ein Gericht aus dreierlei Geflügel – entbeinte Ente, Huhn, Pute oder Gans – ein Vogel wird immer in den nächsten größeren gestopft und Röstkartoffeln britischer Art.

Erwähnenswert ist auch noch Spaghetti alla Bottarga und Pino Posteranos Fettucine mit Ragù alla Bolognese.

Heute, mit über 60 Jahren darf Stanley Tucci zurückblicken auf eine langjährige Filmkarriere, zwei glückliche Ehen, lange Jahre des Kampfes gegen eine Krebserkrankung mit Chemotherapie, dem Verlust des Geschmackssinnes in Folge und einer vollständigen Genesung nach 4 Jahren, nebst der Verwirklichung seines lebensbejahenden und von italienischem Dolce Vita sprühenden Buch.

Pasta Nerano nach Claudia della Fratina. Tucci. Foto: R. Grundmann

Aus dem Buch – Stanley Tucci lässt sich von Claudia della Frattina bekochen, Sekretärin eines römischen Produzenten.
»…Während wir über dieses und jenes plauderten, füllte sie einen großen Topf mit Wasser und stellte ihn zum Kochen auf den Herd. Dann nahm sie zwei kleine Zucchini, die sie in dünne Scheiben schnitt, und eine Knoblauchzehe, die sie der Länge nach halbierte. Sie goss einen Schuss sehr dunkelgrünen Olivenöls extra vergine in eine Pfanne und gab den Knoblauch zusammen mit mehreren Peperoncini hinein. Nach einigen Minuten nahm sie Knoblauch und Peperoncini wieder aus der Pfanne, gab zwei Handvoll Spaghetti in das mittlerweile kochende Wasser und sautierte die Zucchini. Als die Spaghetti gar waren, goss sie diese ab und vermischte sie in der Pfanne unter Zugabe von etwas stärkehaltigem Nudelwasser mit den anderen Zutaten.

Abgesehen von der Freitagabendspezialität meines Vaters Pasta con Aglio e olio, war das vielleicht das einfachste Pastagericht, das ich jemals gegessen hatte. Das intensive wohlschmeckende Olivenöl umhüllte die süßen Zucchini und half ihnen, sich der Pasta anzuschmiegen. Vom Knoblauch machte sich nur ein Hauch bemerkbar, und die Peperoncini verliehen allem eine feine Schärfe. …ich weiß, dass es lächerlich klingt, aber von allen Mahlzeiten, die ich gegessen habe, ist diese immer noch eine meiner liebsten.

Das liegt zum Teil daran, dass meine liebe Freundin Claudia, halb Deutsche, halb Italienerin, diese für mich gekocht und mit mir geteilt hat.«

Anmerkung: Einige Limoncelli, Pasta Nerano nach Tucci und Espresso aus der Bialetti waren der Treibstoff für diese Rezension.

*

Pressestimmen

»Köstliche Unterhaltung!«
Marlene Kohring, BARBARA

»Filmstar Stanley Tucci serviert einen neuen Leckerbissen und erzählt locker und liebevoll von seiner italo-stämmigen Familie, von Hollywood – und der Küche seiner Kindheit.«
Christa Thelen, Für Sie

»Bisher war Stanley Tucci einfach nur Hollywoodstar. Doch seit seinem Buch TASTE wollen alle viel lieber mit ihm übers Kochen und seine kalabrischen Rezepte sprechen.«
Katja Nele Bode, Brigitte Woman

»Für Menschen, die schon beim Mittagessen darüber sprechen, was es zum Abendessen wohl geben könnte, ist TASTE eine unterhaltsame Lektüre.«
Anna Vollmer, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

»Anhand von Gerichten und Szenen aus seinem Familienleben erzählt Stanley Tucci seine persönliche Geschichte und teilt seine Begeisterung für alles, was schmeckt. Bringen Sie Appetit mit auf das Essen, die Cocktails, den Klatsch und den Lesegenuss!«
–Yotam Ottolenghi Published On: 2022-11-17

»Es ist unmöglich, dieses Buch zu lesen, ohne Heißhunger zu bekommen!«
Nigella Lawson

»Die Lektüre dieses Buches wird Sie aufmerksamer machen für das glorreiche – oder bescheidene – Essen auf Ihrem Tisch und für die Menschen, mit denen Sie es teilen dürfen.«
Washington Post

»Dieses großartige Buch bereichert die Leser*innen und macht Tucci zu einer der weisesten und großzügigsten Persönlichkeiten unserer Zeit.«
Daily Mail

»Der Mann, der Mythos, die ›Der Teufel trägt Prada‹-Legende Stanley Tucci hat unsere hungrigen Seelen mit einer kulinarischen Autobiografie gesegnet, um unseren wachsenden Appetit auf den Witz, die Wärme und, seien wir ehrlich, die engen Polohemden des Schauspielers und Kochs zu stillen. Er verrät uns einige seiner schönsten Erinnerungen und die Geschichten hinter seinen Lieblingsrezepten – rechnen Sie damit, dass Sie traurig sein werden, wenn das Buch zu Ende ist.«
Evening Standard

»Tucci erzählt seine Geschichte und teilt seine Begeisterung für alles, was schmeckt.«
Yotam Ottolenghi

»Jetzt schon ein Klassiker! Fesselnd, pur, betörend und so süchtig machend wie das beste italienische Essen.«
Stephen Fry

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Reiner Grundmann

Geflogen ist er eigentlich überall. Europa, Russland, USA. Wo er hingekommen ist hat er, wie die alten Chinesen – alles probiert und gegessen, was essbar aussah. Roten Kaviar und Sprotten in St. Petersburg, Kottlett Kiew in der Ukraine, Knoblauchhuhn und Gambas al Ajillo in Barcelona, Dorade aus der Salzkruste in Marseille, Marzipantörtchen am Flugplatz Bigginhill in London, Lobster in Santa Barbara und Vitello Tonnato in Mailand. Und gekocht hat er irgendwie auch schon immer.
Seine ersten Rezepte stammten aus dem Roman um den Geheimagenten wider Willen Thomas Lieven, alias Jean Leblanc, alias Pierre Hunebelle, Es muss nicht immer Kaviar sein von Johannes Mario Simmel.
Reiners Motto lautet: „Reisender, wenn du nach Franken kommst wisse, dass du nicht mehr in Deutschland bist – aber auch noch nicht in Bayern!

Besucht Reiners Blog! https://theflyingfish.blog/

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Emaille und Porzellan. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel: Taste: Mein Leben für Küche und Kamera

Autor: Stanley Tucci

Verlag: Arche Literatur Verlag AG

Verlagslink: https://www.politycki-partner.de/projekt/taste/

ISBN:  978-3716028131


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