Die Abzüge der Flinte

von Norbert Klups

Nicht nur bei der Büchse, auch bei der Flinte hat der Abzug großen Einfluss auf den Jagderfolg. Ein guter Flintenabzug ist wichtig, um das Ziel auch sauber zu treffen. Wer von der Büchse her schon einen trocken stehenden Direktabzug mit geringem Abzugsgewicht gewohnt ist, weiß hervorragende Flintenabzüge zu schätzen. Ganz so leicht wie bei der Büchse steht ein Flintenabzug allerdings nicht. Nicht nur für den Schaft gilt, dass die Läufe schießen und der Schaft trifft. Auch die Flintenabzüge haben einen erheblichen Anteil am Treffen oder Fehlen.

Abb.: Klassische Flinte mit Doppelabzug


Hohe Abzugswiderstände und fühlbarer Abzugsweg führen schnell zum Verreißen oder Verdrücken der Flintenläufe beim Abziehen. Oft wird dadurch der Schuss verzögert ausgelöst und geht daher ins Leere. Am Abzug lässt sich schnell die Qualität einer Flinte erkennen, denn dabei ist neben einer guten Konstruktion auch zeitaufwendige Büchsenmacherarbeit notwendig. Selbst an vielen teuren Flinten sind häufig nur mäßige Abzüge zu finden. Oft verhindert die Schlosstechnik niedrige Abzugswiderstände, da es bei zu niedrigem Abzugsgewicht zum „Doppeln“ der Läufe kommen kann.

Abb.: Bei klassischen Querflinten sind Doppelabzüge auch heute noch eher die Regel als die Ausnahme


Auch bei Flinten mit Seitenschlossen, die als gute Basis für niedrige Abzugswiderstände gelten, lassen sich nur Widerstände von etwa zwei Kilogramm oder knapp dar- unter einstellen. Da nützen auch Fangstangen wenig, denn sie verhindern ja nur das Doppeln. Es hilft wenig, wenn nach dem ersten Schuss der zweite nicht abgegeben werden kann, weil das Schloss ausgelöst wurde.
Anson & Deeley-Schlosse erfordern ebenfalls recht hohe Abzugswiderstände. Sie sind zumindest im Bereich der Seitenschlosse anzusiedeln, meist aber noch geringfügig höher. Abzüge, die zwischen 1,8 und 2,5 Kilogramm auslösen, sind in diesem Fall bereits als gut anzusehen. Bei Blitzschlossen sind die Widerstände oft extrem hoch. 3,5 bis 4 Kilogramm sind bei günstigen Flinten keine Seltenheit. Ein sauberer, treffsicherer Schuss ist damit nicht möglich.
Ein großes Problem ist auch, wenn der zweite Schuss einen erheblich höheren Abzugswiderstand erfordert als der erste. Die Widerstände für beide Läufe sollten möglichst eng beisammen liegen. Der Idealfall ist, wenn das zweite Schloss mit maximal 100 Gramm höherem Abzugs- widerstand auslöst. Große Unterschiede führen hierbei oft zum Verreißen der Flinte beim zweiten Schuss.
Die besten Abzüge haben heute moderne Bockflinten. So haben die Abzüge einer Blaser F3 oder einer Browning B725 Widerstände von 1,5 Kilogramm. Da kommen selbst englische Luxusflinten nicht mit, die bereits über ausgezeichnete Abzüge verfügen.
Als sehr gut sind Abzugswiderstände anzusehen, die bei 1,8 Kilogramm beim ersten Schuss und unter 2 Kilogramm beim zweiten liegen. Alles, was darunter liegt, stellt die Ausnahme dar, ist aber natürlich der Idealfall. Es gibt auch durchaus Flinten mit Blitzschlossen, deren Abzugswider- stände um die 1,5 Kilogramm liegen. Dabei hat sich dann ein kundiger Büchsenmacher richtig Mühe gegeben.
Ebenso wichtig, wie nicht zu hohe Abzugswiderstände zu haben, ist aber auch, dass die Abzüge trocken stehen und keinesfalls vor dem Auslösen kriechen. Ein sehr leichter, jedoch extrem kurzer Vorzug ist meist nicht zu vermeiden, stört aber auch nicht.
Bei Selbstladeflinten sind meist höhere Abzugswiderstände die Regel. Unter 2,5 Kilogramm geht da kaum was. Einerseits ist das konstruktionsbedingt, andererseits sind Selbstladeflinten in der Regel eher günstige Waffen, bei denen nicht viel Zeit und Aufwand in die Justierung des Abzuges gesteckt wird. Das gilt ebenso für Vorderschaft-Repetierflinten. Ausnahmen sind hier echte Luxuswaffen, wie etwa die Selbstladeflinte von Cosmi, die einen exzellenten Abzug besitzt.

Abb.: Pumpflinten haben einfache Hahnschlösser. Die Abzüge stehen meist ziemlich hart.
Abb.: Bei Selbstladeflinten werden fast identische Abzugs- Systeme wie bei den Pumpflinten benutzt. Bei diesen ist jedoch die korrekte Einstellung sehr wichtig, damit die Flinte nicht mehrere Schüsse hintereinander abgibt.

Bleibt die Frage bei doppelläufigen Flinten, ob Ein- oder Doppelabzug. Grundgedanke des Doppelabzuges war es, für jedes Schloss einen Abzug zu haben. Das spricht für hohe Zuverlässigkeit. Man kann unabhängig vom anderen Schloss jedes Schloss über einen dazugehörigen Abzug auslösen. Neben der Zuverlässigkeit hat der Doppelabzug den Vorteil, dass bei bestimmten Jagdsituationen je nach Bedarf rasch der Lauf mit der jeweils engeren oder weiteren Streuung abgefeuert werden kann. Es ist nicht erforderlich, wie beim selektiven Einabzug, zunächst einen Umschalthebel oder Drücker zu betätigen. Das hat eine deutlich schnellere Schussabgabe beim ersten Schuss zur Folge.
Aus zwei Abzügen resultiert jedoch ein Umgreifen, wodurch Unruhe in die Handhabung kommt sowie eine Zeitverzögerung beim Auslösen des zweiten Schusses entsteht. Bei einer Sportflinte für Trap und Skeet, wo die Schussfolge fest steht, ist ein Einabzug die bessere Wahl. Bei einer Parcours- oder Jagdflinte sieht es hingegen ganz anders aus. Hier muss der Schütze entscheiden können, mit welchem Lauf er zuerst schießt. Ob das dann ein Doppelabzug oder umschaltbarer Einabzug ist, bleibt Geschmackssache. Besonders Schützen, die Einabzüge gewöhnt sind, tun sich schwer mit der Umstellung auf zwei Abzüge. Diese erfordern viel Übung und Gewohnheit. Bei Linksschützen sollte die seitliche Abzugsanordnung seitenverkehrt sein.
Bei zwei Abzügen kann es ferner schnell zum Doppeln kommen, wenn man am vorderen Züngel abrutscht und der Finger unbewusst auf den hinteren Abzug fällt und dadurch auslöst. Um ein Fingerprellen am vorderen Abzugszüngel bei Bedienung des zweiten Abzugs zu vermeiden, wird bei guten Flinten in das vordere Züngel ein Rückgelenk eingesetzt. Beim rückseitigen Anstoßen am Züngel bewegt es sich ohne starken Widerstand nach vorne, knickt also ab. Beim Doppelabzug sollten Züngelabstände und Abzugs- bügel so groß sein, dass ein Schießen mit Handschuhen problemlos erfolgen kann.

Abb.: Bockflinten, besonders wenn sie sportlich eingesetzt werden, haben meist einen Einabzug, der entweder mechanisch oder durch den Rückstoß des ersten Schusses umschaltet.


Beim Einabzug ist kein Umgreifen nötig. Man muss lediglich abziehen. Nach dem ersten Schuss ist es jedoch wichtig, den Abzug nicht gedrückt zu halten, sondern loszulassen, da sonst keine erneute Schussabgabe möglich ist. Beim Einabzug ist bei vielen Modellen das Abzugszüngel längs verstellbar, um den Abstand für den Abzugsfinger individuell zu justieren. Auch sind die Züngel bei etlichen Flinten austauschbar, um die Wahl zwischen verschiedenen Züngelformen zu genießen.
Bei Flinten mit Einabzügen kann es zum sogenannten „manuellen Doppeln“ kommen. Der zweite Schuss wird ausgelöst, weil der Schütze den Abzugsfinger fest am Abzug liegen hat und der zweite Schuss durch den Rückstoß auslöst. Systeme an hochwertigen Flinten, wie das Blaser-Inertial-Block-System (IBS), verhindern das. Durch eine sehr kurze Verzögerungsschaltung wird verhindert, dass der Schütze unbeabsichtigt einen zweiten Schuss auslöst. Jeder, der schon mal eine doppelnde Flinte an der Schulter hatte, wird dieses System zu schätzen wissen.
Die Umschaltung beim Einabzug geschieht entweder mechanisch oder durch den Rückstoß des ersten Schusses, gesteuert durch ein Schwunggewicht. Das funktioniert auch mit unterschiedlich starken Laborierungen sehr zuverlässig. Die höchste Zuverlässigkeit wird jedoch mit einer mechanischen Einabzugsfunktion erzielt. Nach dem Auslösen des ersten Schlosses wird rein mechanisch auf das zweite Schloss umgeschaltet, unabhängig davon, ob ein Schuss abgefeuert wurde. Auch bei einem Patronenversager beim ersten Auslösen kann so umgehend der zweite Lauf abgefeuert werden.
Bei vielen modernen Flinten, und auch bei einigen alten Modellen, lässt sich das Abzugssystem ohne Werkzeug von Hand entfernen. Das ist sehr praktisch und erleichtert die Pflege enorm. Ein paar Tropfen Öl zwischendurch sind so kein Problem. Hat die eigene Flinte Abzüge, mit denen man nicht zufrieden ist, sollte man sich an einen erfahrenen Büchsenmacher wenden, um zu überprüfen, ob eine Verbesserung möglich ist. Häufig lassen sich die Abzüge spürbar leichter einstellen. Gut investiertes Geld, das zu einer deutlich höheren Trefferquote führen wird.

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Verlagsinformation zum Autor Norbert Klups:

Norbert Klups.

Norbert Klups, geboren 1960, besitzt seinen Jagdschein bereits seit 1979. Seit 1984 ist er als freier Mitarbeiter bei verschiedenen Jagd- und Waffenzeitungen für Produkttestberichte aus den Bereichen Waffen, Munition, Messer und Jagdausrüstung tätig. Außerdem ist er Verfasser von 12 Fachbüchern aus dem Bereich Waffen und Munition, Kreisjagdberater und Mitglied des Jägerprüfungsausschusses sowie Schießtrainer für Seminare der RWJ-Akademie.

Deutsches Jagdlexikon: http://www.deutsches-jagd-lexikon.de/index.php?title=Klups,_Norbert

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Anmerkungen

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Titel: Die Flinte: Waffenedition Bd.4

Autor: Norbert Klups

Verlag: HEEL Verlag GmbH

Verlagslink: https://www.heel-verlag.de/die+flinte.htm

ISBN-13 : 978-3958436336

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