Der kultivierte Gärtner: Die Welt, die Kunst und die Geschichte im Garten

Buchvorstellung von Thomas E. Emmert

Eins vorweg: Es gehört nicht zu den Büchern, die man nicht aus der Hand legen kann. Im Gegenteil, das geht sogar sehr gut. Rebenichs Der Kultivierte Gärtner eignet sich daher hervorragend zum Beispiel dort als Bettlektüre, wo man sonst gerne über zerknitterten Seiten und Einbandspuren im Gesicht leicht verdutzt wieder aufwachte oder nach durchgelesener Nacht mit dunklen Ringen unter den Augen pandabärig in den Tag startete. Denn auf rund 200 Seiten finden sich -nebst nützlichem Register, Vor- und Nachwort – fünfzig unabhängige Kapitel in fünf Abteilungen, und keines dieser Kapitelchen ist länger als etwa zweieinhalb Seiten. Der Verlag hat hier, ökonomisch klug und systematisch sinnvoll, des Autors Beiträge für FAZ, (Kolumne: Gartenschule) SZ und NZZ, sowie einige bislang unveröffentlichte Essays aus den vergangenen zwanzig Jahren recycelt und dankenswerterweise an einem Ort gebündelt. Und wo die Buchform Raum zuließe, wird gleichwohl den gestrengen Zeichenzahlkriterien der ephemeren Ursprungsmedien im Kleinen sich weiter gebeugt: Kolumnen mögen dorisch-schlicht scheinbar himmelan reichen, dem Spaltensatz gehorchend ist jedoch am Seitenende Schluss, Punkt! Das schmerzt manchmal, hätte man sich doch die ein oder andere Fährte inhaltlich ausgeführter gewünscht. Man spürt: Der Autor könnte stundenlang erzählen. Das wünschte man sich. Andererseits bleibt der Kummer darob überschaubar. Die strenge Form lädt dazu ein, die Spur aufzunehmen: Ironischerweise klebt man nun deutlich länger an jenen zweieinhalb Seiten, als für gemeinhin anzunehmen wäre, wo -erwecktem Interesse geschuldet- man googelnd tiefere Einblicke sucht. Und Rebenich, der alte Polyhistor, scheint eine diebische Freude daran zu haben, in einem subtil dualistischen Zangenangriff auf des Lesers Ratio und Emotio eben dieses Interesse zu triggern.

Doch von vorne. „Dont judge a book by its cover”, sagt der Anglophone, nur um ein “you never have a second chance to make a first impression” hinterher zu schieben, wobei es doch die inneren Werte sind, auf die, gerne tröstend, so viel mehr Wert gelegt sein will. Wie so oft bleibt die Erkenntnis, folgte sie allein der Spruchweisheit, eine eindimensionale, und so geht beides: Nämlich dem äußeren Eindruck nach zu urteilen und dank der so generierten Aufmerksamkeit, diese inbändig vertiefend, dem Gesamtwerk Respekt und Anerkennung zu zollen. Besonders, wenn Form und Inhalt harmonieren und nicht nur einander folgen. Der Kultivierte Gärtner präsentiert sich in bedrucktem Leinen, mit Titelschild, festgebunden im handlichen Taschenbuchformat, was ein weiteres Argument für den Nachttisch ist. Ein schönes Buch. Der äußeren Form folgend bleibt die Haptik auch beim Blättern durch die Seiten angenehm, das Auge wird durch „vierfarbige Illustrationen“, wie der Verlag schreibt, jeweils zu Beginn der Abteilungen und durch zahlreiche Vignetten am Anfang, bisweilen auch am Ende eines Kapitels durch die Texte geführt. Dass diese Vignetten von Tom Chalky und also quasi von der Stange kommen stört weniger, Chalky liefert auch prêt-à-porter höchsten Ansprüchen genügend. Verwirrend ist allerdings, zumindest für den Sinnsuchenden, die arbiträre Zuordnung der Buchschmuckzeichen zu den Kapiteln: Selbst rudimentärstes botanisches Verständnis erkennt: Die Artischocke am Ende eines Kapitels über Tulpen ist eine Artischocke ist eine Artischocke ist eine Artischocke. Der eben noch gelobten Harmonie von Inhalt und Form tut das keinen Abbruch, weil die aufgeklärte Ästhetik der Gestaltung die Tonalität der Texte Rebenichs aufnimmt und liebevoll doch unaufdringlich begleitet wie Fahrstuhlmusik.

Durch das Jahr, um die Welt, in der Geschichte, in der Kunst („Mit Feder und Pinsel“), für die Gesellschaft. Rebenich schreibt über Gärten als Ideal in Raum und Zeit. Und jedes Wort ist fein gewählt. Feinheiten, die zu entdecken sich lohnt. Die einem manchmal aber unfein vor die Füße geworfen werden. So findet sich im Inhaltsverzeichnis in der Abteilung In der Geschichte ein Kapitel Frühe Hochkulturen. Schlägt man Seite 94 auf findet man, schelmisch ausgeführt, die Überschrift Die Entdeckung des Hochbeets: Frühe Hochkulturen. Als aufmerksam sich einlassender Leser möchte man dem Autor am Ende des Kapitels mit Ausführungen über frühe und reichhaltige Ernte versprechende Hochbeete bei den Inka und Maya und der pragmatischen Kritik an neuzeitlichen Hochbeeten ein „ich bin schon groß, ich kann das selber“ entgegenschleudern, augenzwinkernd verbündet man sich jedoch lieber mit Rebenich und freut sich darauf, weitere und weniger offensichtliche Frechheiten nämlicher Art in seinen Texten zu finden. 

Die Texte, die sich vordergründig in einer akademischen Nüchternheit zu verlieren scheinen, die an Schotts Sammelsurium gemahnt, streuen dem Leser formgeschuldet krumengleich Häppchen aus einer eigenartigen Welt der Gärten vor die lesenden Augen, und ohne ihr Heil im Poetischen des Ausdrucks zu suchen, umwabert sie doch oft durch bloße kontrastive Konstruktion jene zärtlich- romantische Aura, die einen glauben macht, im Grünen sei alles gut.

Bildquelle: Thomas E. Emmert

»Am 30. August 1942 hatte das Afrikakorps bei El Alamein seine letzte Offensive auf ägyptischem Boden gestartet. Am 6. September war der deutsche Generalfeldmarschall Erwin Rommel gescheitert. Im fernen Stalingrad begann sieben Tage später die sechste Armee ihren Sturm auf den Stadtkern. In diesen beiden blutigen Wochen des Zweiten Weltkrieges erschienen in der Neuen Zürcher Zeitung drei Artikel zum Thema Der Mensch und die Blume

So beginnt ein Kapitel voller Tragik und Schönheit über den Verfasser dieser drei Artikel, den deutschen Schriftsteller und Gartenliebhaber Rudolf Borchardt, Autor des postum [sic!, natürlich] veröffentlichten Der leidenschaftliche Gärtner. Und auch hier finden sich mehr oder weniger versteckt oder offensichtlich – eine Frage der Perspektive – Allusionen, die, wie Chalkys Vignetten das Auge führen, den Geist des informierten Lesenden unweigerlich, des Lesenden unterschwelliger in eine Borchardts Lebenslage entsprechende Verzweiflung lenken: Lasciate ogni speranza.

Man könnte anführen, dass Rebenich als Historiker lediglich berufsbedingt die Welt über ihre Verhältnisse zu erfassen gewohnt sei, muss aber unterstellen, dass er als Altphilologe um die rhetorische Wirkung solcher Fügungen sehr wohl weiß. Dieses Inbezugsetzen, das den Stil der Essays überwiegend charakterisiert, wirkt kommentierend, organisch leicht und trübt den Geist des eben noch nur Informationen verarbeitenden Lesenden doch schnell und en passant mit einer sublimen Sehnsucht nach der Ordnung und der Freiheit eines Gartens, wie ihn Rebenich versteht, als »Lebensraum und Kulturobjekt«. Und es spiegelt die Grundidee seines kultivierten Gärtners wider: »Es ist ein Gärtner, der sich nicht nur mit seinem eigenen Garten beschäftigt, sondern diesem Thema in der Welt, in der Kunst und in der Geschichte nachspürt«. Vergilgleich nimmt Rebenich den Leser an die Hand und führt ihn klug und unterhaltsam vom Usambaraveilchen über die Kulturgeschichte der Hortologie in den Rosengarten des Weißen Hauses unter Trump, Kennedy und Roosevelt. Erleuchtend!

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Pressestimmen

Stefan Rebenich gelingt es auf eine sehr schöne Art und Weise durch die Gartengeschichte zu schreiben, aber auch Gartengeschichten zu erzählen. […] Es ist eine Gartengeschichte auf eine andere Art und Weise, die aber eine ganze Menge Wissen vermittelt.
― Jens Hentschel, MDR Garten, 03. Juli 2022

Der Althistoriker Stefan Rebenich will die Deutschen endlich zu ehrgeizigen Gärtnern erziehen […] Also Helm ab vorm Beet! Und erst mal Rebenich lesen.
― Jens Jessen, Die Zeit

Vom Blumentopf bis zur Gartenschau und zur Schädlingsbekämpfung reichen die Themen, die den ›kultivierten Gärtner‹ Rebenich beschäftigen – ein Brevier, das Mut macht, sich selbst zu vertrauen.
― Dierk Wolters, Gießner Allgemeine Zeitung

Eine lohnende Lektüre nicht nur für Ferientage im Garten!
―  Josef Rabl, Latein und Griechisch in Berlin und Brandenburg

[E]in schön gestaltetes Gartenbuch, das die Magie des Gartens und des Gärtnerns in unterschiedlichen Aspekten einfängt.
― Christoph Killgus, Dega Gartenbau

Wer nach der Lektüre nicht lauthals ›Geh aus mein Herz, und suche Freud‹ singt und rockschwingend um die letzte Linde im Dorf tanzt, der sollte bitte getrost seinen Vorgarten zementieren.
― Hella Kemper, Zeit Wissen

[E]in faszinierendes Mosaik aus spannenden grünen Momenten der Weltgeschichte!
― Gartenträume

Ein Gartenbuch der besonderen Art. […] Mit großer Liebe zur Gartenkunst und mit beeindruckender Kenntnis ihrer Geschichte erkundet Stefan Rebenich die grandiose Vielfalt der Gartenfreuden auf der ganzen Welt.
―  Angela Perez, Eschborner Stadtmagazin

›Der kultivierte Gärtner‹ ist ein exzellentes und begeisterndes Buch, welches die Freude am heimischen Garten während der Lektüre auf zauberhafte Weise vertieft.
― lebensart – das Montagsmagazin im Norden

Eine unterhaltsame und überaus nützliche Anleitung fürs Leben.
―  Hans Durrer, Durrer Intercultural Blogspot

Das elegante Büchlein nach alter Schule ist lehrreich und unterhaltsam, außerdem beständig und von persönlichen Ansichten geprägt.
― Juliane Fischer, Falter

Wahrlich kultivierter könnte kein gartenbegeisterter Mensch sein!
―  Editha Weber, Ulrich-Travelguide

Dies ist in jeder Hinsicht eine Lektüre für Gartenliebhaber, die mehr wollen, als Pflanzen aus dem Baumarkt in den eigenen Lebensraum hinein zu retten.
―  Sabine Bovenkerk-Müller, Schreiblust

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Stefan Rebenich

Stefan Rebenich, geboren 1961, studierte von 1980 bis 1985 Klassische Philologie und Geschichte an der Universität Mannheim sowie Alte Geschichte an der Universität Oxford. 2003 wurde Rebenich Professor für Alte Geschichte an der Universität Bielefeld. 2005 wechselte er auf einen Lehrstuhl für Alte Geschichte und Rezeptionsgeschichte der Antike bis in das 20. Jahrhundert an die Universität Bern. Er schreibt für die NZZ, SZ und FAZ.

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Thomas E. Emmert

Thomas E. Emmert. Jahrgang 1968. In der Kurpfalz geboren. Vom Rheinland geprägt. Reifend in Salzlandkreis. Ein Leben am Fluss. Studium der Indogermanistik. Berufliches Toben auch als Dozent und Dramaturg. Heute verantwortlich für Haus, Hof, Hund und Hühner.

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Porzellantassen. Weitere Informationen hier.

Titel: Der Kultivierte Gärtner. Die Welt, die Kunst und die Geschichte im Garten

Autor: Stefan Rebenich

Verlag: Klett-Cotta

Verlagslink: https://www.klett-cotta.de/produkt/stefan-rebenich-der-kultivierte-gaertner-9783608986341-t-5172#

ISBN: 978-3-608-98634-1

Hinweis des Rezensenten: Als E-Book verfügbar aber völlig überflüssig.

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