Jägerlatein – Jenseits der Wahrheit

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von Florian Asche

Reisen bildet. Das war schon früher so. Als Gaius Julius Caesar vor 2000 Jahren die Grenze zwischen Gallien und Germanien besuchte, da trieb ihn nicht nur der Wunsch nach militärischem Ruhm. Er interessierte er sich vornehmlich für die Sitten und Gebräuche der dort lebenden Kelten und Germanen. Was aßen und tranken sie? Wie gingen sie mit der Familie um? Wie funktionierte ihr Staatswesen? Da die Jagd schon damals eine besondere Rolle spielte, fragte er natürlich auch, wie die blonden Naturburschen des Nordens den Wildtieren nachstellten. Wie erlegte man beispielsweise so einen riesigen Elch? Die Ureinwohner waren um eine Antwort nicht verlegen. Staunend hörte der Römer, dass dieses Wild seltsamerweise keine Gelenke habe. Elche, so erzählten ihm die Jäger, lehnten sich zum Schlafen immer an einen Baum, den man nur ansägen müsse. Wenn dann der Gigant mit dem Stämmchen zusammenbrach, dann brauchte man die Beute nur einzusammeln. Caesar war baff. Gutgläubig berichtete der Tourist daheim von seinen aufregenden Erkenntnissen. Heute stehen sie als Schullektüre im bello gallico und verkünden jedem Gymnasiasten, dass Caesar vom Vorfahren eines Eifelförsters reingelegt wurde. Und der Römer war nicht das letzte Opfer des Jägerlateins.

So berichtet der Mineraloge und Naturwissenschaftler Franz von Kobell 1859, Alexander der Große habe manchmal ein gefangenes Rotwildkalb mit angelegtem Halsband wieder freigelassen und auf diesem die Jahreszahl eingegraben. Es fände sich die Angabe, dass einmal ein Hirsch mit solchem Halsband gefangen worden sei, und dessen Alter sich der Inschrift nach zu 85 Jahren ergeben habe. Daher sei der Wunsch bei den Alten sprichwörtlich gewesen: „cervinos annos vivere“, so lang leben wie ein Hirsch. Der Naturwissenschaftlicher fährt fort: „So viel ist gewiss, dass der Hirsch über 70 Jahre alt werden kann, denn man kannte einen solchen im Park des Grafen Hardegg zu Schmider bei Wien, von welchem die Abwürfe des Geweihs gesammelt wurden. Es war ein Hirsch der gewöhnlich 20 bis 24 Enden aufsetzte und im 72. Jahre, wo er noch ganz frisch sich zeigte, von einem Wildschützen erschossen wurde.“

Bei allem Vertrauen zum österreichischen Hoch- und Uradel, wenn die Geschichte stimmen würde, dann hätten unsere Hegegemeinschaften noch größere Probleme, altersreife Hirsche zu finden. Woher kommt solches Jägerlatein? Der Grund dafür liegt in den Machtspielchen der Wissenden. Da kommt ein Unerfahrener, Argloser daher und ist das Opfer par excellence für die kleinen und großen Schwindeleien, die er staunend und mit offenem Mund in sich hineinschlürft. Der Genuss ist auf Seiten des Schwindlers, der weiß, wie es wirklich um die Dinge steht. Was müssen die Jäger beim Grafen Hardegg gelacht haben, als Kobell mit seiner Geschichte abzog.

Bildquelle: Kevin Erdvig auf Unsplash

An diesen intellektuellen Machtverhältnissen hat sich bis in unsere Zeit nichts geändert. Im Gegenteil, wo früher arglos geflunkert wurde, da geht es heute um Geld und Einfluss. Das beweist schon ein Blick in die WILD und HUND des Jahrgangs 1983. Da heißt es im Pfingstheft auf Seite 6: „Bayrische Landestagung in Bad Füssing: Waldsterben heißt Wildsterben“. An einer Diskussionsrunde über die Waldentwicklung in Deutschland nahm damals die Creme de la Creme der Forstwissenschaft und der Jagdpolitik teil. „Einhellig waren die Experten der Meinung, dass es 5 Minuten vor 12 sei.“ Von Panik geschüttelt beschwor man schon damals das Ende des deutschen Waldes. Es muss so gewirkt haben, als stünde Greta Thunberg im Raum. Dabei hätte ein forsthistorischer Blick ausgereicht, um den Teilnehmern zu verdeutlichen, dass gerade einmal 35 Jahre vor ihrer Tagung ein Waldsterben die Nachkriegszonen schüttelte, das vom Ausmaß her weit katastrophaler war. Und dennoch sah der SPIEGEL schon damals ein Ende des Deutschen Waldes innerhalb weniger Jahre und konnte sich dabei auf die absolute Mehrheit aller „seriösen Wissenschaftler“ stützen.

Haben die großen Experten der damaligen Zeit ihr Jägerlatein genossen? Man wird es wohl annehmen müssen. Schließlich hebt jedes Schreckenszenario in dem die kleinen und großen Schwindeleien gedeihen, auch den Einfluss der Schwindler. Sich selbst im Zentrum des Sturms zu sehen, dass schmeichelt ihrer Eitelkeit. Heute kommt das Jägerlatein mehr und mehr aus dem Munde der naturschützenden Nichtjäger. Ob eine Dieselkrise herbeigeredet wird oder der Klimawandel die Umverteilung des Weltvermögens nach sich zieht, unsere Apologeten der drohenden Katastrophen stehen fröhlich lächelnd vor den Kameras und genießen unsere Panik. Wir hingegen ziehen davon wie Caesar oder Kobell, als brave Trottel.

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Florian Asche

Der Rechtsanwalt Dr. Florian Asche ist Vorstandsmitglied der Max Schmeling Stiftung und der Stiftung Wald und Wild in Mecklenburg-Vorpommern.Einem breiten Publikum wurde er bekannt durch seinen literarischen Überraschungserfolg über den göttlichen Triatlhon: Jagen, Sex und Tiere essen (siehe: https://krautjunker.com/2017/01/04/jagen-sex-und-tiere-essen/https://krautjunker.com/2017/09/19/sind-jagd-und-sex-das-gleiche/)

Website der Kanzlei: https://www.aschestein.de/de/anwaelte-berater/detail/person/dr-florian-asche/

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Mehr von Dr. Florian Asche: https://krautjunker.com/?s=florian+asche

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Anmerkungen

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2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Also ich kenne das hauptsächlich als Anglerlatein.

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    1. KRAUTJUNKER sagt:

      Am meisten übertreiben die Schürzenjäger mit ihren angeblichen Erfolgen…

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