Krause Glucke eingeweckt

Rezeptvorstellung von Daniel Schoch

Eine recht alte Kindheitserinnerung lässt mich daran denken, wie ich bei meiner Oma in einem kleinen pfälzer Dorf in der Waldstraße übernachten durfte. Ich erwachte eines Sonntagmorgens unter der dicken Daunendecke in einem Bett, indem schon meine Mutter in Ihrer Kindheit geschlafen hatte, und Sonnenstrahlen fielen durch die Ritzen der alten Holzläden. Ich hörte leise die Glocken der Schranke am nahen Bahnübergang und in der Küche klapperte meine Großmutter mit Geschirr. Das Schellen der Türklingel hatte mich erwachen lassen. Wer das wohl sein mochte? Neugierig sprang ich aus dem Bett, zog mich schnell an und rannte die knarrende alte Holztreppe nach unten. Meine Oma stand am offenen Fenster, davor mein Onkel, in der Hand hielt er einen Kartoffelsack in dem mehrere große gelblich-beige Badeschwämme lagen. Dachte ich. Es waren Krause Glucken, also Pilze, die er gerade bei einem Spaziergang gesucht und gefunden hatte, und von denen er seiner Mutter welche abgeben wollte. Sie rochen intensiv und wunderbar nach Waldboden und schmeckten uns später, in Butter angebraten und mit Sahne und Bandnudeln ganz ausgezeichnet. Ein Geschmack, den ich nie vergessen habe, und eine Situation, an die ich mich immer gerne zurück erinnere, wenn es um diese außergewöhnlichen Pilze geht.

Abb.: Krause Glucke, küchenfertig; Bildquelle: Tanja Major

Vor etwa fünf Jahren, also geschätzte 30 Jahre später, suchte ich meinen mittlerweile etwas gebrechlich gewordenen Onkel auf und fragte ihn nach seinem damaligen Sammelgebiet. Er verwies mich in ein Waldstück, das man erreicht, wenn man am Ende der Waldstraße noch etwa 500m geradeaus übers Feld läuft. Tatsächlich besteht es hauptsächlich aus Kiefern, dem Baum, an dessen Fuß die Krause Glucke als Schmarotzer gerne sitzt. Mit Partnerin und Hund suchten wir damals etwa anderthalb Stunden, und fanden dann, schon auf dem Heimweg, endlich eine einzige, weitgehend von Laub und Kiefernnadeln bedeckt.

Nun, das Jahr 2022 war ein herausragendes Pilzjahr, und so spazierte ich Ende September mit meinem Deutsch-Kurzhaar durch den Wald, in dem unsere kleine Rinderherde Ihr Zuhause hat und suchte dabei halbherzig die Bereiche um die Kiefern ab, die in dem Mischwald verteilt sind. Tatsächlich fand ich recht schnell eine schöne Krause Glucke.

Abb.: Krause Glucke im Wald; Bildquelle: Tanja Major

Zuhause war sie dann nach der lästigen Putzerei bald weitgehend vom Waldboden befreit, wurde in Stücke zerteilt, die ich zu einer in Butter angeschwitzten Zwiebel in die Pfanne gab. Nach kurzem Dünsten löschte ich mit einem Schluck Riesling ab, schenkte mir bei der Gelegenheit ein Glas ein, gab kurz danach etwas Sahne daran, Salz und Pfeffer, und gab das Ganze dann über die frischen Bandnudeln. Ein Gedicht!

Nun war ich infiziert vom Krause-Glucken-Virus und verbrachte die nächsten zwei Wochen täglich ein, zwei Stunden in dem Waldstück. Täglich fand ich die Strüncke bereits abgeschnittener Krause Glucken, einmal elf Stück an einem Tag, aber wenn ich ganze Exemplare fand, dann immer nur sehr kleine. Nach einigen Tage besuchte ich die Kleinen dann täglich, schaute ihnen bei ihrem recht langsamen Wachstum zu und deckte sie immer wieder mit einer Hand voll Laub ab, um sie vor den anderen offensichtlich noch gierigeren Pilzsammlern zu verbergen. Ich fotografierte und merkte mir markante Bäume in ihrem Umfeld und fand sie so zuverlässig immer wieder auf Anhieb. Nach etwa zwei Wochen waren sie mir groß genug und meine Geduld am Ende. Außerdem hatte ich meiner Ex-Frau, die gerade aus dem schönen Portugal zu Besuch war, versprochen, dass sie welche essen durfte. Versprechen, die man besser einhält! Es wurde geerntet und genossen.

Anschließend wechselte ich nun das Revier, fand ein Waldstück mit Kiefern und relativ wenig Publikumsverkehr und fand dort in den nächsten Tagen noch einige wunderschöne Exemplare.  Als die dann alle gegessen oder verarbeitet waren, fiel meiner Mutter ein, dass sie auch gerne welche gehabt hätte. Mann, Mann, Mann, inzwischen wusste ich eigentlich nur noch ziemlich sicher, wo jetzt keine mehr standen, denn in meinen Pilz-Revieren hatte ich inzwischen sorgfältig jede einzelne Kiefer mehrfach besucht. Also besuchte ich nochmal das Revier meines Onkels, am Ende der Waldstraße, und siehe da, nach einer knappen Stunde hatte ich drei schöne Badeschwämme im Korb. Einen für meinen Onkel, einen für meine Mutter und einen für KRAUTJUNKER, denn es galt, ein Rezept auszuprobieren: Eingeweckte Krause Glucken, aus dem Buch Schätze aus Wald und Wiese von Tanja Major.

Im Oktober, einige Tage nach dem Einwecken der Pilze, hatte sich Besuch angekündigt, und zum Perlhuhn wurden Kürbisspalten mit Kastanien und eingeweckte Krause Glucken serviert.

„Alter, ist das Gehirn?“, rief einer der Gäste entsetzt aus. „Nein“, sagte ich „das ist ein Pilz. Gehirn gibt’s heut leider keins. Kann Dir aber gern eins zur Seite legen, wenn ich wieder ein Reh erlegt habe.“ [Schaut hier!] Das wollte er aber anscheinend genauso wenig, wie den Pilz. Naja, es gibt Leute mit Ess-Behinderung. Kann man nix machen.

Alle anderen probierten die Fette Henne, wie der Pilz auch genannt wird, und waren sich einig, dass der Essig den feinen Pilz-Geschmack zu sehr überlagerte. Es mag daran gelegen habe, dass ich etwa die Hälfte des Weißwein-Essigs durch Apfel-Essig ersetzt hatte, weil der andere gerade bei der Zubereitung ausgegangen war.

Ersetzte man allerdings die Gurke auf dem klassischen Pfälzer Leberwurstbrot mit der eingelegten Glucke, hat man eine herausragende Alternative gefunden!

Doch halt! Aufgemerkt!

Denn an dieser Stelle war der Text zur Krause Glucke ursprünglich beendet und sollte so zunächst veröffentlicht werden.

Doch einen Verriss wollten wir nicht veröffentlichen, weil wir vermuteten, dass der Fehler nicht bei Tanja Major lag, die wirklich was kann, wie man hier sieht. So vermittelte mir der KRAUTJUJNKER den Kontakt zur Autorin, die mir auf Nachfrage sehr freundlich antwortete.

Wir stellten zweierlei fest: Zum einen hatte man beim Verlegen des Buches anscheinend vergessen, die Menge der benötigten Pilze in Bezug auf die restlichen Zutaten zu erwähnen. Frau Major geht hierbei von einem Kilo Krause Glucken aus.

Zum andern schrieb sie mir, dass sie Ihren Essig selbst herstelle, und der eventuell milder wäre, als gekaufter Essig.

Nun hatte ich ja mit meinem Hang zur Improvisation zu Apfelessig gegriffen, während das Rezept eigentlich von mildem Weißweinessig ausging. Vielleicht lag da der Hund begraben, vielleicht erklärte das, warum das Eingemachte so sauer war.

Also besorgte ich mir in einem Feinkostladen im schönen Speyer einen milden Wein-Essig vom Fass und legte noch einmal einen schönen Pilz damit ein. Die Mengenverhältnisse wurden der Glucke angepasst und schon das nicht ganz so verzogene Gesicht meiner Freundin, die beim Aufkochen die Küche betrat, ließ Hoffnung auf ein besseres Ergebnis aufkeimen.

Es dauerte sehr lange, bis ich wieder eine Gelegenheit als günstig empfand, ans Eingemachte zu gehen. Wie die Verfasserin mir empfohlen hatte, servierte ich die Glucken, nicht als Sättigungsbeilage, sondern anstelle von Preiselbeeren oder Schwarze Nüsse, als Ergänzung, diesmal zu einem Rollbraten vom Wildschwein.

Der Geschmack war ganz anders, als der beißende beim Erstversuch. Ich vermute, dass auch das längere Ziehen im Glas einen Unterschied gemacht hatte, zudem natürlich der wesentlich mildere Essig und die angepassten Mengenverhältnisse.

Natürlich war Säure aus dem Essig da, und auch recht deutlich, aber auch das nussige Pilz-Aroma der Krause Glucke war deutlich schmeckbar, wurde wohl auch vom Walnuss-Öl ein wenig unterstrichen.

Zu der cremigen Sauce des Rollbraten, die mit eingemachten Kirschen und etwas dunkler Schokolade verfeinert, und dementsprechend fruchtig und vollmundig war, bildeten die immer noch knackigen Stückchen einen feinen Kontrast und eine wunderbare Ergänzung zum Rotkraut und den Brezelknödeln, die wir ganz klassisch zum Braten aßen.

Also, liebe Frau Major, sollten Sie diesen Beitrag lesen, so sehen Sie mich bitte in einer Verneigung, die sowohl als Entschuldigung für den von mir verschuldeten und beinahe der Öffentlichkeit ohne weiteres präsentierten einigermaßen misslungenen Erstversuch, als auch als Geste der Dankbarkeit für das – dann doch – sehr bereichernde Rezept, und ebenso als Geste der Achtung vor Ihrer Arbeit als Autorin.

Da hatte ein einziger Koch den Brei verdorben. Soll nicht wieder vorkommen…

Abb.: Krause Glucke eingeweckt; Bildquelle: Tanja Major

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Rezept von Tanja Major

Der brüchige Fruchtkörper der bis zu 50 cm großen Exemplare ist ein delikater Speisepilz.

Zutaten für 4 Einweckgläser (à ca. 250 ml)
¼  l milder Weißweinessig
½ TL Bergsalz
8 Pfefferkörner
4 frische Lorbeerblätter
4 Zweige Dost
20 grob gehackte Walnusskerne
4 EL Walnussöl

Zubereitung
Die Krause Glucke in kleine Stücke zerteilen und mit einem Pinsel sorgfältig säubern.

Den Essig, die Gewürze und die Kräuter etwa 5 Minuten in ¼ l Wasser kochen lassen.

Die Pilze in dem Sud einmal aufkochen lassen und kochend heißt mit den Walnüssen in die Einweckgläser füllen. Mit der kochenden Flüssigkeit übergießen. Etwas Walnussöl zugeben und die Gläser sofort verschließen.

Die Einweckgläser bei Zimmertemperatur auskühlen lassen.

Tipp: Serviere die eingelegte Krause Glucke zu Wildgerichten wie Hirschgulasch oder Hasenrücken – oder zu einem Schafskäse als Nachtisch!

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Daniel Schoch

Daniel Schoch ist Jäger, Angler, Imker, Geflügelhalter, Selbstversorger, Schreiner und Spinner. Seine Wurzeln liegen in der sonnigen Pfalz, zwischen Rhein und Reben. Nach einem mehrjährigen Ausflug ins schöne Portugal, zog er vor neun Jahren wieder in die alte Heimat. Seitdem isst er die Wälder und Flüsse des Mittelrheingrabens etwas leerer.
Er liebt und lebt für gutes Essen, gute Getränke, für die Jagd und für den Punkrock.

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Verlagsvorstellung der Autorin

Bildquelle: (c) Melanie Flemme

Die in Sallach, Niederbayern, lebende Foodautorin und Fotografin Tanja Major hat sich in den vergangenen 20 Jahren einen Namen in der Food-Fotografie geschaffen. Zum Erfolg kam es, indem sie kulinarisches Fachwissen der Gastronomie, das sie in bekannten Sterne-Restaurants erworben hat, mit ihrem siebten Sinn für optimale Beleuchtung und ausgefeilte Komposition kombiniert.

Ihre redaktionellen Arbeiten erscheinen in zahlreichen Kochbüchern, sowie das Magazin Essbare Wildpflanzen. Zu ihrem Portfolio zählen auch einige preisgekrönte, opulente Bildbände wie Dream Cakes BLV Verlag (GAD Silbermedaille), Affinieren – die Kunst der Käse Veredelung Ulmer Verlag (GAD-Goldmedaille), Vegetarisch Geniessen GU Verlag (GAD Silbermedaille) die ausgezeichnet wurden.

Tanja Majors zweite Leidenschaft ist die Natur dort verbringt viel Zeit und verfügt über ein umfangreiches Fachwissen zu essbaren Wildkräutern, -früchten und Pilzen. In Kursen begeistert sie Interessierte mit ihrem Wissen rund um Natur und Genuss.

Weitere Informationen zu Tanja Major unter www.tanja-major.de
Website der Autorin zu Wildpflanzen unter www.phyto-kitchen.de
Website der Autorin zu Pilzen unter www.myko-kitchen.de

Video: BUGA 23: Plattform „Mykologie – den Pilzen auf der Spur
Artikel „Pilze: mal süß – mal herzhaft“ mein Mannheimer Morgen

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel: Schätze aus Wald und Wiese: Die Speisekammer der Natur entdecken

Autorin: Tanja Major

Verlag: BLV Verlag

ISBN: 978-3-96747-066-6

Verlagslink: https://blv.de/products/57327-schaetze-aus-wald-und-wiese

Buchvorstellung auf KRAUTJUNKER: https://krautjunker.com/2023/01/03/schatze-aus-wald-und-wiese-die-speisekammer-der-natur-entdecken/

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