Ferlacher-Drillinge und -Vierlinge

von Norbert Klups

Die Hochburg der Drillings-Entwicklung lag zweifellos im Suhler Raum, doch auch in der Waffenmetropole Ferlach wurden viele Drillinge gebaut. Meist als Einzelstücke nach Kundenwünschen, doch Franz Sodia ging auch in eine regelrechte Serienproduktion. Sodia-Drillinge und auch Bockdrillinge mit Blitz-System wurden in den 60er-Jahren von Frankonia-Jagd per Katalog verkauft. Besonders das Leichtmodell 590 SL, das trotz Stahlsystemkasten nur 2,85 kg wog, war sehr beliebt. Sodia baute die Drillinge in klassischer Ausführung mit doppelter Laufhakenverriegelung, Greener-Querriegel, Greener-Sicherung an der linken Seite, automatischem Visier und klassischer Schäftung mit deutscher Backe. Die Bockdrilllinge hatten einen Kersten-Verschluss und ließen sich mittels eines gesicherten Schiebers auf dem Kolbenhals umschalten. Preislich waren die Sodia-Drillinge damals durchaus konkurrenzfähig, sie lagen nur gering über einem Sauer & Sohn- oder Krieghoff-Drilling.
Heute werden in Ferlach nur noch Einzelstücke gefertigt, dafür ist aber alles möglich, was technisch machbar ist. So gibt es Drillinge mit drei übereinander- oder auch nebeneinanderliegenden Kugelläufen, Bockdrillinge in allen erdenklichen Laufanordnungen oder auf Wunsch auch wieder Hahndrillinge oder Schienendrillinge. Preislich liegen sie heute in der absoluten Oberklasse. So baut etwa die Firma Fanzoj Kugeldrillinge – wie einen sogar sehr führigen und eleganten Schrotdrilling im Kaliber 28.

 

Fanzoj SchienendrillingAbb.:  Fanzoj baut heute auch wieder Schienendrillinge

 

Aus früheren Zeiten sind aber auch noch viele gute Drillinge erhalten, die heute noch im Jagdeinsatz stehen. Manchmal ist aber die Zuordnung zu einem der Ferlacher Meisterbetriebe nicht ganz einfach, weil nicht immer der Hersteller auf der Waffe angegeben ist. Oft finden sich nur Initialen oder bei vielen Nachkriegswaffen nur eine Nummer – die sogenannte Hausnummer. Diese Nummern sind für Ferlach typisch und ergaben sich aus dem Umstand, dass die Büchsenmacher im Jahre 1945 ihre Waffen bei den englischen Besatzungsmächten abgeben mussten, wo alle fortlaufend nummeriert wurden. Dieses Erkennungszeichen wurde dann später beibehalten. Nachfolgend alle Ferlacher Büchsenmachernummern, an denen sich der Hersteller einer Waffe leicht feststellen lässt:

 

Winkler Bockdrilling

Abb.: Typischer Ferlacher Bockdrilling

 

20 = H. Scheiring Düsel
(bis Ende der 50er-Jahre Stefan Düsel)
21 = Johann Fanzoj
22 = Josef Hambrusch
23 = Karl Hauptmann
24 = Josef Just
25 = Josef Kruschitz
26 = Jakob Koschat
27 = Simon Kalischnig
28 = Peter Mischitz
29 = Josef Mischitz
30 = Josef Orasche
31 = Michael Pegam
32 = Anton Sodia
33 = Franz Sodia
34 = Johann Sigott
35 = Walter Outschar
36 = Wincenz Urbas
37 = Benedikt Winkler
38 = Genossenschaft der Büchsenmachermeister
39 = Fachschule für Handfeuerwaffen
40 = Ludwig Borownik
41 = Johann Michelitsch
42 = Josef Winkler
43 = Thomas Kulnig
44 = Walter Gratzer
45 = Erich Achatz
46 = Josef Schönlieb
47 = Lorenz Schaschl
48 = Johann Fanzoj
49 = Franz R. Schmid
50 = Franz Schmied
51 = Gottfried Juch
52 = Valentin Roesenzopfs Erbe
53 = Wilfried Glanznig
55 = Herbert Scheiring

Neben den hier näher beschriebenen Drillingskonstruktionen gibt es noch eine Vielzahl weiterer interessanter Entwicklungen, wie etwa den Drilling von Frank mit abnehmbarem Kugellauf, der ebenfalls eine Rarität darstellt, den Sicherheits-Einabzugs-Drilling Stresu von Franz Stempel, Suhl. Oder die Konstruktionen von Dreyse, der zum Beispiel Drillinge mit selbstspannender Schlosseinrichtung, drei Schlossen und auch drei Abzügen baute, oder der Perfekt-Drilling von Marhold & Sohn, bei dem Sicherung und Umschaltung für alle drei Schlosse in einem oben hinter dem Verschlusshebel liegenden Schieber vereint sind. Auch das Modell Waidmannsfreund von Burgsmüller & Söhne hatte eine so arbeitende Umschaltung und Sicherung. Auch die großen Jagdversender und Großhändler wie Kettner, Frankonia, Burgsmüller oder AKAH boten eine Vielzahl von Drillingen an, teils aus eigenen Werkstätten, teils von Büchsenmachern oder Kleinbetrieben hergestellt. Zum Teil wiesen sie interessante Details auf, so etwa der Frankonia-Drilling mit Schlagstücksicherung, dessen drei Blitzschlosse sich alle über einen auf der linken Schloss­platte liegenden Hebel sperren ließen. Kettner lies 1969 sogar einen Drilling in Japan fertigen und vertrieb ihn unter der Modellbezeichnung Prinz-Drilling. Die Waffe war als preisgünstige Alternative zu den deutschen Drillingen gedacht, war aber klassisch mit doppelter Laufhakenverriegelung, Greener-Querriegel und Blitzschlossen gefertigt. Um preisgünstig ein Zielfernrohr montieren zu können war die Laufschiene als Prismenschiene für Aufkippmontagen vorgefräst. Signalstifte und automatisches Visier gab es hier aber nicht. Heute ist dieser Drilling ein gesuchtes Sammlerstück.
Würden nur annähernd alle bekannten Konstruktionen behandelt, müsste dieses Buch drei Bände umfassen. So weit nicht auf gesicherte Patentdaten zurückgegriffen werden konnte, erwies sich die Recherche der frühen Konstruktionen als sehr schwierig und auch die Angaben in der zeitgenössischen Literatur waren teils widersprüchlich. Bei den technischen Beschreibungen konnte zum Glück größtenteils auf Realstücke zurückgegriffen werden. Durch die Modellvielfalt der meist in Einzelanfertigung gebauten Drillinge kann es aber durchaus zu Abweichungen zu anderen Drillingen des gleichen Fabrikates kommen. Drillinge waren – und sind – eben immer sehr individuell.

Vierling FerlachAbb.: Wer noch mehr Universalwaffe will als der Drilling bietet, kann auch zum Vierling greifen. Hier ein Modell von Karl Grund, Ferlach.

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Websites noch bestehender Firmen, die im Text genannt wurden:

Sodia – Jagdwaffen u. Bekleidungen: http://www.sodia.cc/ueber-uns/geschichte

Johann Franzoj: https://fanzoj.com/de/

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Verlagsinformation zum Autor:

Norbert Klups.

Norbert Klups, geboren 1960, besitzt seinen Jagdschein bereits seit 1979. Seit 1984 ist er als freier Mitarbeiter bei verschiedenen Jagd- und Waffenzeitungen für Produkttestberichte aus den Bereichen Waffen, Munition, Messer und Jagdausrüstung tätig. Außerdem ist er Verfasser von 12 Fachbüchern aus dem Bereich Waffen und Munition, Kreisjagdberater und Mitglied des Jägerprüfungsausschusses sowie Schießtrainer für Seminare der RWJ-Akademie.

Deutsches Jagdlexikon: http://www.deutsches-jagd-lexikon.de/index.php?title=Klups,_Norbert

 

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER existiert eine Facebook-Gruppe.

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Titel: Der Drilling

Autor: Norbert Klups

Verlag: Heel Verlag GmbH

Verlagslink: https://www.heel-verlag.de/Der%20Drilling.htm

ISBN: 978-3958435582

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Bereits veröffentliche Leseproben aus Buch:

https://krautjunker.com/2018/05/30/die-entwicklungsgeschichte-und-technik-des-drillings/

https://krautjunker.com/2018/09/14/prinz-bockdrilling/

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