Die Entwicklungsgeschichte und Technik des Drillings

von Norbert Klups

Der Drillingsbau ist fast ausschließlich auf den deutschsprachigen Raum beschränkt. Lediglich in Italien und Frankreich gibt es heute noch Hersteller, die sich mit diesem Waffentyp beschäftigen. In Schweden hat früher Husqvarna Drillinge hergestellt. Die technische Entwicklung im Drillingsbau ist so bunt und vielfältig wie sonst nur in wenigen anderen technischen Bereichen. Es ist heute kaum noch möglich, alles zusammenzutragen, was in über 100 Jahren Entwicklungsgeschichte an Konstruktionen entstanden ist. Das meiste ist nach kurzer Zeit wieder verschwunden und nur ganz wenige Konzeptionen haben sich durchgesetzt. Sie bilden die Grundlagen unserer heutigen Drillinge und die Weiterentwicklungen beziehen sich meist auf eine Reduzierung der Herstellungskosten.

 

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Abb.: Auch der Heidedichter Hermann Löns war ein „Drillingsmann“, wie auf diesem zeitgenössischen Foto zu sehen ist

 

Die Kostenfrage ist wohl das größte Hindernis im Drillingsbau, denn der hohe Anteil an Handarbeit macht den Drilling zu einer der teuersten Jagdwaffen überhaupt.
Zu Beginn der Feuerwaffen-Entwicklung spielten kombinierte Waffen wie der Drilling keine Rolle. Zunächst wurden immer bessere und praxistauglichere Schlossmechanismen entwickelt und die Lauffertigung perfektioniert. Waffenentwicklung war hauptsächlich Sache des Militärs und die frühen jagdlichen Feuerwaffen gingen in der Regel aus den Militärmodellen hervor und wurden der jagdlichen Nutzung entsprechend angepasst. Die eigentliche Weiterentwicklung der Jagdwaffen wurde durch die jagenden Adeligen vorangetrieben, die das nötige Geld für neue Entwicklungen aufwandten. Wann genau erstmals Schrot- und Kugellauf in einer Waffe zusammengefasst wurden, lässt sich heute nicht mehr genau feststellen. Es ist aber davon auszugehen, dass dies etwa gegen Ende des 17. Jahrhunderts geschah, denn erst mit dem französischen Batterieschloss (1690) war es überhaupt möglich, mit Schrot flüchtiges Wild zu treffen. Die Tropfturm-Technik zur Herstellung wirklich runder Schrotkugeln entstand sogar noch später: zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Erst jetzt machte es überhaupt Sinn, einen Büchsen- und Flintenlauf zu kombinieren. Der erste Perkussionsschloss-Drilling entstand erst Mitte des 18. Jahrhunderts in Süddeutschland. Genau lässt sich das nicht mehr feststellen, denn erst am 1. Juli 1877 trat das Reichspatentgesetz in Kraft und ermöglichte es den Büchsenmachern, sich ihre Entwicklungen schützen zu lassen. Damit stehen ab diesem Zeitpunkt verlässliche Daten zur Verfügung. Am 3. Februar 1878 ließ sich der Münchener Büchsenmacher Peter Oberhammer unter der Patentnummer 2795 ein exzentrisches Piston schützen, das mittels Hebel gestellt werden kann. In der Patentschrift ist ein Drilling abgebildet, bei dem sich mittels des schwenkbaren Pistons der rechte Schrotlauf oder der untenliegende Kugellauf bedienen lässt. Hierbei handelte es sich um eine Waffe mit Roux-Verschluss, zwei Hahnschlossen und zwei Abzügen.

 

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Abb.: Früher Hahndrilling mit Rouxverschluss

 

Jetzt war der Siegeszug des Drillings als Jagdwaffe nicht mehr aufzuhalten, er wurde fleißig weiterentwickelt und die Konstrukteure wetteiferten miteinander. Der Drilling wurde bald zur Standardwaffe der Förster und fand in der Jägerschaft sehr schnell Verbreitung.

Stuckenbrock
Abb.: „Aste“ Hahn-Drilling mit kurzen Schlössern und dreifachem Roux-Verschluss

 

Die universellen Einsatzmöglichkeiten waren auch zu offensichtlich, und selbst als Reichsmarschall Hermann Göring, Oberbefehlshaber der Luftwaffe, die Firma Sauer & Sohn beauftragte, ein Überlebensgewehr für Piloten zu bauen, war das ein Drilling. Der kurzläufige Sauer-Luftwaffendrilling in den Kalibern 12/65 und 9,3 x 74 R wurde in einer speziellen Holzkiste hinter dem Pilotensitz mitgeführt und sollte hinter den feindlichen Linien abgestürzten Piloten dienen. Luftwaffendrillinge sind heute gesuchte Sammlerstücke.

 

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Abb.: Luftwaffendrilling von Sauer & Sohn. Zeitgenössisches Foto von 1943

 

Im Laufe der Jahre veränderte sich dann die Stellung des Drillings in der Jägerschaft immer mehr. War der Dreiläufer erst Arbeitspferd und gehörte zur normalen Ausrüstung des Jägers, so wandelte er sich nach dem Zweiten Weltkrieg immer mehr zur Prestige-Waffe und es gab immer weniger Jäger, die mit dem Drilling das ganze Jahr über jagten. Grund war zum einen das zunehmende Aufkommen von Spezialwaffen für jeden Zweck und zum anderen ständig steigende Preise für Drillinge. Bei dieser handwerklich gefertigten Waffe ist ein hoher Zeitaufwand erforderlich und die steigenden Lohnkosten trieben den Verkaufspreis stetig in die Höhe. Repetierbüchsen und Flinten ließen sich durch die zunehmende Industrialisierung weitaus preisgünstiger herstellen als ein Drilling, bei dem der Maschineneinsatz bedeutend geringer ist. Besonders das Garnieren des Laufbündels ist auch heute noch nicht maschinell möglich und erfordert versierte Spezialisten. Schließlich müssen die drei Läufe des Drillings mehr oder minder genau zusammenschießen. Bestellt der Kunde gar noch eine ausgesuchte Schussleistung mit dem Flintenlaufgeschoss nach der sogenannten Langenhagener Norm, die von der in Langenhagen bei Hannover ansässigen Firma Brenneke aufgestellt wurde, muss sehr genau gearbeitet werden, damit Flintenlaufgeschoss und Kugel auch wirklich beieinander liegen. Nach der Langenhagener Norm darf der Gesamtstreukreis aller drei Läufe auf 50 m nicht über 15 cm liegen. Durch die erfolgreiche Weiterentwicklung bei den Flintenlaufgeschossen ist das heute möglich.
1981 meldete der am 27. Juni 2016 verstorbene Filmund Fernsehschauspieler, Stuntman, Schwimmer, Sänger, Komponist, Fabrikant, Drehbuchautor, Modedesigner, Musikproduzent und Erfinder Bud Spencer, unter seinem bürgerlichen Namen Carlo Pedersoli, in Deutschland ein Patent für einen Drilling an.

 

Portrait by Michél Buchmann
Abb.: Buds Spencer

 

Da die Jahresgebühr aber nicht bezahlt wurde, erlosch das Patent bereits wenige Jahre später und das Gewehr wurde nie produziert.

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Abb.: 1969 ließ die Firma Kettner einen Drilling in Japan fertigen und verkaufte ihn unter der Modellbezeichnung Prinz-Drilling

 

Moderne Drillinge sind zwar extrem teuer, doch an ihrer Universalität hat sich nichts geändert. Im Gegenteil, durch zunehmend kleiner werdende Reviere und die eingeschränkten Jagdzeiten muss der moderne, leider meist nicht reich mit Zeit gesegnete, Jäger jede Chance wahrnehmen, um seinen Abschussplan zu erfüllen und das Raubwild und Raubzeug kurz zu halten. Hier ist der Drilling in seinem Element. Für die Jagd auf Schalenwild steht der Kugellauf zur Verfügung, wer auf dem Weg zum Ansitz erst noch mal am Bach entlang pirscht, hat die Möglichkeit, schnell noch eine Ente mitzunehmen und sollte im letzten Licht ein Waldhase zum Feld ausrücken, wird er wildbretschonend mit der kleinen Kugel des Einstecklaufes erlegt. Beim Nachtansitz erlaubt der Drilling den Schrotschuss auf Raubwild; bei größerer Entfernung wird auf den Einstecklauf umgeschaltet. Wer an der Kirrung ansitzt, wird den linken Schrotlauf mit einem Flintenlaufgeschoss laden und hat so eine schnelle, zweite Chance. Auch bei Bewegungsjagden bevorzugen viele Praktiker den Drilling, denn bei nicht allzu großer Schussentfernung sind Kugel und Brenneke schnell hintereinander abgefeuert, taucht ein Fuchs auf, ist die Chance, ihn mit der Schrotpatrone zu erwischen, weitaus größer als wenn nur die Kugel zur Verfügung steht. Ein guter Drilling ersetzt also einen ganzen Schrank voller Waffen. Sicher, seine Kritiker führen an, dass er für nichts wirklich optimal ist – dafür hat man aber immer alles dabei.

 

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Verlagsinformation zum Autor:

Norbert Klups.

Norbert Klups, geboren 1960, besitzt seinen Jagdschein bereits seit 1979. Seit 1984 ist er als freier Mitarbeiter bei verschiedenen Jagd- und Waffenzeitungen für Produkttestberichte aus den Bereichen Waffen, Munition, Messer und Jagdausrüstung tätig. Außerdem ist er Verfasser von 12 Fachbüchern aus dem Bereich Waffen und Munition, Kreisjagdberater und Mitglied des Jägerprüfungsausschusses sowie Schießtrainer für Seminare der RWJ-Akademie.

Deutsches Jagdlexikon: http://www.deutsches-jagd-lexikon.de/index.php?title=Klups,_Norbert

 

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER existiert eine Facebook-Gruppe.

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Titel: Der Drilling

Autor: Norbert Klups

Verlag: Heel Verlag GmbH

Verlagslink: https://www.heel-verlag.de/Der%20Drilling.htm

ISBN: 978-3958435582

7 Kommentare Gib deinen ab

  1. Luisa sagt:

    Sehr interessant… Erscheint mir aber etwas überingenieurt. Gibt es gar keine pump guns in Deutschland? Ich finde die so schrecklich nützlich und simpel im Vergleich zu allen deutschen Flinten, von denen ich bis jetzt gehört habe.
    Viele Grüße,
    Luisa

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    1. KRAUTJUNKER sagt:

      Also bitte, Luisa, Du bist doch eine deutsche Maschinenbau-Ingenieurin. Du weisst doch, dass man in Deutschland nichts simples und billiges bauen darf, auch wenn dies für die Praxis ausreichen könnte. Bei der Architektur, meinem Metier, ist es genauso.

      Im nächsten Kapitel steht über neue Drillinge: „Komplett ausgestattet, also bestückt mit einem hochwertigen Zielfernrohr und einem passenden Einstecklauf, übersteigt der Preis leicht die 7000-Euro-Grenze.“

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      1. Luisa sagt:

        Ach du grüne Neune, der Preis übersteigt meine schlimmsten Befürchtungen!
        Ich fürchte Nordamerika hat schon ein wenig auf mich abgefärbt was die Abwesenheit nicht dringend benötigter Regularien angeht. Und gerade der dünnbesiedelte Norden ist das letzte Stück wilder Westen.
        Allerdings gilt das nicht für Fluggesellschaften, von daher bin ich beruflich meiner Abstammung noch treu 😉
        doch privat bevorzuge ich meine pump gun, die für umgerechnet 227€ gute Arbeit verrichtet und dazu noch pflegeleicht ist.
        Viele Grüße aus dem Land der Gesetzlosen 🙂
        Luisa

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      2. KRAUTJUNKER sagt:

        Lies mal diesen Beitrag über eine us-amerikanische Jägerin in Deutschland:
        https://www.jagderleben.de/praxis/larysa-unleashed-amerikanerin-saujagd-deutschland

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      3. Luisa sagt:

        Dankeschön 🙂
        mit dem Brauchtum und Jägerlatein in Deutschland kann ich auch nicht viel anfangen, daher habe ich mich dort auch nicht für die Jagd interessiert.
        Eigentlich komisch, es kommt doch auf das gleiche hinaus.

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