Einschießen des Drillings

von Norbert Klups

Neulich auf dem Schießstand traf ich einen Jungjäger, den druckfrischen Jagdschein in der Tasche und im Futteral einen nagelneuen Drilling. 16er-Schrotläufe, einen Kugellauf für die 8 x 57 IRS, im rechten Schrotrohr einen Einstecklauf für die .22 Hornet – lauflang und von vorn verstellbar, versteht sich – und oben drauf thronte ein variables Zeiss-Zielfernrohr neuester Bauart. Das Schaftholz konnte sich sehen lassen und an Gravuren hatte er auch nicht gespart. Mit stolzgeschwellter Brust legte er die Waffe in das Einschießgestell und dann ging es los. Die dicke Pille rein, gestochen – raus war der erste Schuss. Abgeknickt, die nächste Patrone rein und Sekunden später knallte es wieder. Nach zwei Minuten waren fünf Schüsse raus und auf meinen fragenden Blick erklärte er mir wissend: „Immer Gruppen schießen, ein Schuss sagt gar nichts, haben wir im Jungjägerlehrgang so gelernt!“ Nun ja, als dann die Scheibe kam, war er nicht mehr ganz so stolz, der Streukreis betrug wohl so an die 25 cm. Richtig blass war er. So eine teure Waffe und dann streute das gute Stück über die ganze Scheibe, das konnte doch wohl nicht sein. Schließlich hatte der Büchsenmacher ihm die ausgezeichnete Schussleistung ausdrücklich versichert. Ob es wohl an der Montage liege oder die Munition nichts tauge, fragte er mich. Meine Antwort: „Das liegt eher am Schützen, und ein Drilling will anders behandelt werden“, entgegnete er zwar zunächst mit einem: „Schießen kann ich, bei der Prüfung hab ich 48 Ringe geschossen“, aber dann fragte er doch, was ich denn damit meine.
„Immer schön langsam“, antwortete ich ihm. „Dein Drilling hat ein fest verlötetes Laufbündel. Nach dem Schuss verbiegt – einfach ausgedrückt – der warme Kugellauf, der mit den kalten Schrotläufen fest zusammengelegt ist, das gesamte Laufbündel, da die kalten Schrotläufe die wärmebedingte Ausdehnung nicht mitmachen können. Da das Zielfernrohr das ja nicht mitmacht, verändert sich zwangsläufig die Treffpunktlage – und zwar in der Regel bei unten liegendem Kugellauf nach oben. Bei schnellen Schüssen ,klettert‘ eine mehrläufige Waffe mit fest verlöteten Läufen“. „Was kann man dagegen machen“, fragte er. „Das Laufbündel muss nach jedem Schuss völlig auskühlen, so 15–20 Minuten Pause muss man da schon einkalkulieren.“
Am nächsten Tag traf ich ihn wieder und zufrieden zeigte er mir ein Schussbild von 40 mm mit fünf Schüssen. „Na siehste, geht doch, die Waffe schießt einwandfrei. Jetzt probier noch aus, um wie viel der zweite und der dritte Schuss höher liegen als der erste, damit du bei der Jagd auch weißt, wo du bei einem Folgeschuss anhalten musst. Die meisten Waffen schießen den zweiten Schuss noch mit kaum merkbarer Abweichung und auch beim Dritten sind es oft nur ein paar Zentimeter nach oben, die leicht korrigiert werden können, wenn man es weiß.“ „Werde ich machen“, versprach er, „aber die Waffe muss sowieso zum Büchsenmacher, denn mit dem Zielfernrohr stimmt etwas nicht. Gestern schoss sie noch genau Fleck auf 100 m und heute liegt die Treffpunktlage gut 20 cm tiefer. Umgefallen ist sie nicht, da muss wohl am Glas oder der Montage etwas kaputt sein“. „Zeig mal her“, sagte ich und sah mir Glas und Montage genau an. Zu sehen war nichts Verdächtiges, aber die Waffe erschien mir heute leichter als gestern und ein Blick in die Patronenlager der geöffneten Waffe zeigte auch sofort den Grund. „Wo ist der Einstecklauf “, fragte ich. „Zu Hause“, war die Antwort, „heute will ich nur mit der großen Kugel schießen, da brauche ich den nicht“. „Den Gang zum Büchsenmacher kannst du dir sparen, bau ihn wieder ein und der große Kugellauf schießt wie gewohnt.“ Der fragende Blick sprach Bände und so erklärte ich ihm die Zusammenhänge: „Die Masse des in den Schrotlauf eingelegten Einstecklaufes verändert das Schwingungsverhalten des Laufbündels. Die Treffpunktlage des Kugellaufes verändert sich, wenn der Einstecklauf entfernt wird. Viele Waffen sind so empfindlich, dass sich die Treffpunktlage des Kugellaufes sogar verändern kann, wenn die Patronenlager der Schrotläufe leer sind. Wird ein Drilling eingeschossen, ist es also immer ratsam, auch die Schrotläufe zu laden, wie es auf der Jagd ja auch der Fall ist.“ „Das sehe ich ja ein, aber was mache ich, wenn ich den Drilling auch mal ohne die Hornet führen will?“ „Da bleibt nur die Möglichkeit, herauszufinden, um wie viel sich die Treffpunktlage ohne Einstecklauf ändert und die Verstelleinrichtung des Zielfernrohres mit einer entsprechenden Markierung zu versehen. Eine Marke für die Verwendung mit Einstecklauf und eine für den Einsatz ohne. Bei modernen und hochwertigen Zieloptiken ist das kein Problem, die Verstelleinrichtung arbeitet sehr präzise.“ „Ganz schön kompliziert, so ein Drilling“ meinte er, „drei Schlosse, zwei Abzüge, Stecher, separate Kugelspannung, Sicherung und dann auch noch das Zielfernrohr verdrehen, wenn die Waffe mit oder ohne Einstecklauf geführt wird, hoffentlich passiert mir da mal nicht ein Fehler, wenn das Jagdfieber auch noch dazu kommt.“ „Na, da wärst du nicht der Erste, Drillinge sind schon recht komplizierte Waffen. Wenn der Besitzer nicht wirklich damit vertraut ist, kann schnell etwas schief gehen. So manchem Bock ist schon eine Schrotladung angetragen worden und auch der eine oder andere Keiler wurde mit der .22 Hornet erlegt, weil der aufgeregte Jäger den falschen Schieber bedient hat. Wenn Schrot, Schonzeitkaliber und Hochwildkugel immer zur Verfügung stehen, ist das ja eine feine Sache, aber auch gefährlich, wenn die menschliche Unzulänglichkeit dazu kommt. Wer einen Drilling führt, muss stets sorgfältig die ,Einstellungen‘ an seiner Waffe überprüfen, bevor er den Abzug betätigt. Der Drilling ist eine wunderbare Waffe, aber auch eine Prinzessin auf der Erbse, was die Technik anbelangt und die vielfältigen Möglichkeiten bei der Laufwahl verlangen große Sorgfalt. Nichts für Choleriker, sondern eher für den ruhigen, besonnenen Jäger.“ „Da werde ich wohl beim ersten Bock lieber nur den Kugellauf laden, damit nichts schief gehen kann“, meinte er noch. „Probier aber vorher aus, ob sich die Treffpunktlage ändert, wenn die Schrotläufe leer sind“, rief ich ihm noch nach, aber da war er schon mit sorgenvoller Miene zur Tür hinaus.

Abb.: Beim Einschießen sollten optimale Voraussetzungen herrschen.

Diese kleine Geschichte zeigt, dass ein Drilling sorgfältig und ohne Hast eingeschossen werden will. Das Laufbündel muss völlig abkühlen, bevor der nächste Schuss abgefeuert wird. Die Waffe sollte so geschossen werden, wie sie auch im Revier geführt wird – mit Einstecklauf und Schrotpatrone im linken Lauf, oder wenn kein Einstecklauf vorhanden ist, mit zwei Schrotpatronen. Auch der Schrotschuss über das Zielfernrohr ist unbedingt zu kontrollieren. Je nach Montagehöhe und Durchmesser des Zielfernrohres kann es hier zu Höhenabweichungen kommen, auch wenn die Läufe gut zusammengelegt sind und über die offene Visierung mit dem Kugellauf zusammen schießen. Gerade beim Drilling wird sehr oft mit Schrot über die optische Visierung geschossen. Das Flintenlaufgeschoss wird so überprüft wie in der Praxis auch geschossen wird: im Anschluss an den Kugelschuss. Kaum jemand wird zuerst mit der Brenneke feuern und dann den Kugellauf verwenden. Der linke Schrotlauf muss das Flintenlaufgeschoss präzise auf den Punkt schießen, wo vorher der Kugelschuss saß.

Abb.: Auch die Schussleistung mit dem Flintenlaufgeschoss sollte überprüft werden

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KRAUTJUNKER-Kommentar: Der veröffentlichte Textteil beinhaltet ungefähr 1/3 des 11. Kapitels. Die folgenden Textteile lauten wie folgt:
* Richtige Auflage

* Atemtechnik und richtiges Anziehen
* Immer in Gruppen schießen

Es wurden schon mehrere weitere Leseproben von Norbert Klups veröffentlicht. Die Weblinks finden sich in den Anmerkungen.

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Verlagsinformation zum Autor:

Norbert Klups.

Norbert Klups, geboren 1960, besitzt seinen Jagdschein bereits seit 1979. Seit 1984 ist er als freier Mitarbeiter bei verschiedenen Jagd- und Waffenzeitungen für Produkttestberichte aus den Bereichen Waffen, Munition, Messer und Jagdausrüstung tätig. Außerdem ist er Verfasser von 12 Fachbüchern aus dem Bereich Waffen und Munition, Kreisjagdberater und Mitglied des Jägerprüfungsausschusses sowie Schießtrainer für Seminare der RWJ-Akademie.

Deutsches Jagdlexikon: http://www.deutsches-jagd-lexikon.de/index.php?title=Klups,_Norbert

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER existiert eine Facebook-Gruppe.

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Titel: Der Drilling

Autor: Norbert Klups

Verlag: Heel Verlag GmbH

Verlagslink: https://www.heel-verlag.de/Der%20Drilling.htm

ISBN: 978-3958435582

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Bereits veröffentlichte Leseproben von Norbert Klups:

https://krautjunker.com/?s=Norbert+Klups

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