Nachruf auf den Dackel Filou, König der Krummbeinigen selig

von Max Götzfried

Ich muss es hervorholen, um ihn auch fünf Jahre danach zu ehren. Er hat jede Ehre verdient.

Bildquelle: Max Götzfried

Das unaussprechlich Böse ist nicht mehr. Nicht nur nicht mehr böse, sondern einfach gar nicht mehr.

Du hattest ein Talent dafür, Dir in jeder Dornenhecke den möglichst größten Gegner auszusuchen. Hast Dich furchtlos in jeden Kampf gestürzt, Macken und Narben wie Ehrenmale davongetragen. In Deinem letzten, schlimmsten und schmerzhaftesten Kampf gegen den kleinsten aller Gegner hattest Du nie eine Chance: der Aujeszky-Virus tötet. Immer. Ausnahmslos.

Weißt Du noch, wie Du in unser Leben gestolpert bist, klein, dick, flauschig, tolpatschig?

Bildquelle: Max Götzfried

Wie Du größer, schneller, stärker wurdest, Deinen Charakter, Deinen eigenen, sturen Dackel-Kopf entwickelt hast? Was wir zusammen erlebt, was durchgestanden haben?

Bildquelle: Max Götzfried

Zuhause wusstest Du genau, wen Du wie manipulieren konntest, bei wem Du wie betteln musstest. Meinen Vater und mich, uns hast Du respektiert. Meine Mutter hast Du geliebt und hättest sie bis aufs Blut verteidigt. Aber wenn sie es wagte, um 08.30 Uhr noch kein Futter bereitgestellt zu haben, wurde sie gnadenlos aus dem Schlaf gebellt und auf dem Weg nach unten in die Fersen geknappt, um ihr Tempo zu erhöhen. Und um 15.30 war gefälligst Gassi-Gehen angesagt, wenn schon kein Jagdtag war. Abends vor dem Fernseher hast Du Dir turnusmäßig bei jedem Deine Streicheleinheiten geholt, von einem zum anderen und zurück. War ich bei Dir und bin ins Bett gegangen, dann war es immer das Gleiche: nach zwei Minuten warst Du sicher, dass ich nicht mehr runterkommen würde. Ursprünglich solltest Du immer in der Küche schlafen, aber wer konnte Dir jemals auf Dauer etwas abschlagen? Niemand.

„Klick-Klick“, bist Du von der Couch gesprungen, auf leisen Sohlen die Treppe hochgeschlichen. War ich wach, bist Du stürmisch aufs Bett gesprungen und hast Dich einmal durchknuddeln lassen, um dann unter die Decke zu kriechen. Habe ich mich schlafend gestellt, dann bist Du klammheimlich am Fußende eingestiegen und hast Dich zusammengerollt. So oder so, nach 5 Minuten war es Dir zu warm, Du bist auf die Couch gegenüber umgezogen. Dort hast Du mich bis morgens bewacht. Jede Nacht. Immer. Hast mich jede Nacht gesucht, wenn ich mal weg war. Immer.

Solltest Du morgens vor die Tür und es hat geregnet, dann hast Du uns beleidigt angeschaut und bist wieder auf Deine Fuchsdecke. Hast nur im Notfall den Garten betreten, auf Zehenspitzen von Stein zu Stein tippelnd. Außer, wir waren jagen. Du wusstest genau, welche Zeiten an welchem Tag ungewöhnlich waren. Welche Klamotten was bedeuten. Hast gepackte Koffer besetzt, falls man es wagen sollte, Dich zu „vergessen“. Grüne Klamotten? Hochspannung! Du konntest stur sein wie ein Panzer, taub wie Stahlbeton, ungeliebte Befehle überhören wie kein zweiter. Aber wenn ich die richtigen Hosen anhatte, dann reichte ein Augenzwinkern und Du bist aus der Tür geschossen wie eine Rakete – am Anfang. Später wurde das immer gelassener, wichtiger –Du wusstest, wir brauchen Dich eh. Jagd war Dein Leben, unser Leben. Du warst passioniert bis in jede Haarspitze, hast alles „da draußen“ geatmet, inhaliert, aufgesogen und gelebt.

Bildquelle: Max Götzfried

Wie oft habe Dich verflucht, wenn Du mal wieder den erstbesten unbewachten Moment genutzt hattest und plötzlich irgendwo Dein heller Laut ertönte. Kaum hatte ich Dich endlich eingeholt und angeschrien, hast Du nur kurz die Entfernung abgeschätzt – war ich zu weit weg, um Dich greifen zu können, ging die wilde Hatz einfach weiter. DU hast entschieden, wann Du wiederkommen wolltest. Müde, abgekämpft –aber mit Deinem sehr glücklichen Dackelblick.

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Weißt Du noch, wie Du immer dem Schnallen entgegen gefiebert hast? Wie Du gezittert und mich angestarrt hast? Wie Du vor lauter Energie beim Schnallen erst einmal in die Luft gesprungen und dann in drei Richtungen gleichzeitig gesprintet bist? Du wurdest routiniert, bist sicher 150 große und kleine Jagden gelaufen, kanntest Dich aus. Wie oft war ich stolz auf Dich, wenn andere nach der Jagd respektvoll fragten, wem denn „der Dackel gehört“.

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Wenn erfahrene, gestandene Hundeführer Dich lobten. Du warst der Kleinste unserer Meute, aber jeder wusste, er kann auf Deinen Laut bauen. Ich war stolz, wenn Dein Standlaut mich herbeirief. Wie oft bin ich diesen Laut angegangen, wie oft hast Du Dich umgeschaut, wann ich wohl endlich komme. Ich konnte mich zu 100% auf Dich verlassen, Du hast mir blind vertraut. Wenn mein Schuss brach, flogst Du sofort durch die Luft und hast gepackt – ich würde das schon gerichtet haben.

Bildquelle: Max Götzfried

Unangenehme Rufe hast Du gerne ignoriert – waren wir jagen, konnte ich Dich mit einem Fingerzeit dirigieren, Dich leise anfeuern. Wir waren eins, ein Wahnsinns-Team. Immer.

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In letzter Zeit warst Du gerne etwas beleidigt, weil wir drei neue Welpen im Haus hatten. Keine Angst, Du warst einzigartig. Ich war stolz, wenn ich gesehen habe, wie Deine kleine Nachfolgerin in Eurer kurzen, gemeinsamen Zeit von Dir gelernt hat, an Dir gewachsen ist. Ich musste erkennen, dass Du älter, die Jagden für Dich anstrengender, die Tierarztbesuche häufiger wurden. Immer öfter habe ich mich in letzter Zeit dabei ertappt, wie ich erste kleine Tränen in den Augen hatte, weil ich wusste, irgendwann würde der Tag Deiner letzten Jagd kommen. Aber niemals hättest Du mir verziehen, hätte ich Dich zu Hause gelassen. Niemals. Hätte Dir jemand angeboten, drei Jahre länger zu leben, aber dick und fett auf einer Couch zu versauern, Du hättest ihn verächtlich angeschnaubt, wärst mir vorausstolziert und jagen gegangen, was sonst. Nach mir umgedreht hättest Du Dich da nur kurz – Du wüsstest, ich wäre eh hinter Dir. Immer.

Bildquelle: Max Götzfried

Letzten Samstag war Dein letzter großer Tag. Wie immer warst Du kaum zu zügeln, nur ungern gehorsam. Vollgas in die Hecke, als es endlich losging. Hell jubelte Dein Laut über den aufgestöberten Fuchs, schnell warst Du zurück. Eine andere Stimmlage, das konnten nur Sauen sein, Deine jagdliche Leibspeise. Es knallte, kurz darauf warst Du still: Keine Zeit mit unnötigem Standlaut verplempern, schon hieltest Du knurrend das verendende Stück und schütteltest es nach allen Regeln der Kunst. Es war Dein letztes.

Den ganzen Tag über hattest Du Deinen zweiten Frühling. Warst überall im Treiben zu finden, überschlugst Deine Stimme bei schnellen Rehen, buchstabiertest gewissenhaft wiedergehende Hasen aus. Wie so oft sammelte ich nachher auf irgendeinem Waldweg ein. Als Dein Taxi endlich kam, sprangst Du wie immer zur Fahrertür rein, hast kurz zur Begrüßung gewedelt und Dich zufrieden zusammengerollt. Abends hast Du fest geschlafen und heftig jiffend geträumt – wer konnte da ahnen, dass der Tod schon in Dir war, sich langsam, unaufhaltsam seinen Weg in Dein Hirn bahnte? Gestern hast Du gemerkt, dass etwas nicht stimmt, hast mich überall gesucht. Ich war nicht da. Du hast so gelitten, so gekämpft, wie es selbst die erfahrene Tierarzthelferin noch nie erlebt hatte – bis sie es nicht mehr ertragen konnten und Dich erlösen mussten. Du wurdest beschlagnahmt, wir dürfen Dich nicht mal beerdigen.

Bildquelle: Max Götzfried

Ich weiß, man sollte das alles nicht vermenschlichen. Aber ich kann nicht anders, ich werde Dich vermissen wie einen von uns. Du warst ein Familienmitglied, einer von uns, vom Jagdhausteam, führender Kopf unserer Hunde. E s wird mir fehlen, Dich nicht mehr in Deinen „Fuchsgarten“ zu schicken, den Du so perfekt im Griff hattest. Dein Laut, Deine Mimik, Deine Macken, nichts ist mehr da. Du warst nicht mein Freund, sondern mein Bruder. Wrestler sagen selten Kluges, aber einer hat es mal getroffen: „The best who was. The best who is. The best who ever will be“. Die unversfständlich Lisfspelnde und ihre beiden Kampfschwestern treten ein schweres Erbe an, wünsche ihnen Glück!

Bildquelle: Max Götzfried

Ich weiß auch, dass es kitschig klingt, aber ich hoffe, es gibt ein „da drüben“ für Dich. Ein neues Revier, mit den alten Kumpels. Grüß mir Deine Vorgänger, Mirko und Joschi – sie waren gute Jungs, gib Ihnen ne Chance. Grüß auch den dusseligen Hugo, sag ihm, er soll besser auf Züge aufpassen. Und grüß Jürgen´s Yuma, sie hat denselben chancenlosen Kampf verloren wie Du jetzt. Ich weine seit Stunden immer wieder, wie ein Kind –aber ich muss lächeln, wenn ich mir vorstelle, dass Ihr Vollchaoten wirklich irgendwo anders zusammen findet. Ich weiß, das ist der Gipfel der Kitschigkeit – aber ich wäre froh und stolz, wenn ich irgendwann wieder ein Teil von Euch sein dürfte.Ho, Rüd´, ho, König der Krummbeinigen. Auf dann.

Bildquelle: Max Götzfried

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Max Götzfried

Max Götzfried, Jahrgang 1975, sind die Freude an der Jagd und ihren Hunden sowie der Schreiberei offensichtlich in die Wiege gelegt worden, denn auch sein Vater Roderich ist hochpassionierter Jäger und führt eine sehr humorvolle Feder (siehe: https://krautjunker.com/?s=G%C3%B6tzfried).

Er ermöglichte seinem Sohn, der inzwischen zu einem echten Sauenschreck gerne auch in ausländischen Jagdgefilden geworden ist, die ersten jagdlichen Schritte. Max lebt für die Jagd, ist Anwalt und vierfacher Hundeführer einer bunten Truppe, gibt Sauenpirschseminare, handelt mit Nachtsichttechnik und schreibt gelegentlich für Jagdmagazine oder taucht in entsprechenden Filmen auf. Sehr engagiert verteidigt er die gemeinsame Passion in nicht nur sozialen Medien und freut sich über jeden Tag „da draussen“.

Roderich Götzfried hat neben einem von Bertram Graf Quadt gesprochen Hörbuch fünf Jagdbücher herausgebracht, eines davon, Bei Fuß, mein Sohn! haben die beiden zusammen verfasst.

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es nicht nur eine Facebook-Gruppe, sondern jetzt auch Outdoor-Becher aus Emaille…

Titel: Bei Fuß, mein Sohn

Autor: Roderich Götzfried

Verlag: Neumann Neudamm

Verlagslink: https://www.jana-jagd.de/buecher/jagdbelletristik/erzaehlungen/6830/goetzfried/goetzfried-bei-fuss-mein-sohn

ISBN: 978-3788811303

4 Kommentare Gib deinen ab

  1. Eine Hunde-"närrin" sagt:

    Sehr treffend beschrieben! Es war mir eine Freude diesen Nachruf lesen zu können.
    Nomen est omen – ein Filou mit Dackelprinzipien. 😉
    Ihr Verlust tut mir sehr leid.😔
    Ho-Rüd-Ho, Filou! 🐗🐇🦡🦊

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  2. Anja sagt:

    So toll geschrieben, mein beileid, ich
    kann deinen Verlust gut nach empfinden

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  3. Hans Rieth sagt:

    So ungefähr war es mit unserem DJT. Nur bei ihm war es das Alter.
    Wer einmal so einen Kumpel hatte kann das verstehen.
    Ein ganz toller Nachruf und ich sitz hier mit feuchten Augen weil ich dieses scheiss Gefühl kenne.
    Aber das Leben geht weiter und jetzt zeigen die Nachfolger was sie können. Kopf hoch und waihei.

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    1. KRAUTJUNKER sagt:

      Vielen Dank für diesen berührenden Kommentar und Deine lebensweise Einsicht in den Lauf der Dinge. Ich bin kein Fußballfan, schließe mich jedoch Dragoslav Stepanovics Aussage an: „Lebbe geht weider!“

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