Flinten von Verney-Carron

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von Norbert Klups

Das Unternehmen wurde 1820 vom Waffenhersteller Claude Verney (1800 bis 1870) gegründet. Als Claude Verney 1870 starb, übernahm sein ältester Sohn Jean zusammen mit seinen Brüdern das Unternehmen, woraufhin es zu Verney-Carron Frères umbenannt wurde. Als es dann an Jean‘s Sohn Claude überging, wurde es wieder in den alten Namen zurückgeführt. Zum Ende des Ersten Weltkrieges übernahm Verney-Carron 1926 die Mitarbeiter und Maschinen der Firma Auguste Marze und gründete die neue Verney-Carron SA. In der Weltwirtschaftskrise stellte das Unternehmen vom Direktvertrieb zum Verkauf über ein Netzwerk von Waffenhändlern um.

Der Zweite Weltkrieg brachte das Unternehmen in erhebliche Schwierigkeiten und man hielt sich mit der Produktion von Angelausrüstungen und Fahrrädern über Wasser. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurde es in einer Kooperation aus sechs Firmen unter dem Namen Groupement d‘Exploitation des Fabricants d‘Armes Réunis (GEFAR) wieder aufgebaut. In dieser Zeit wurden über 150.000 Schusswaffen hergestellt, die meisten davon unter der Markenbezeichnung Pionnier. 1954 unterzeichnete das Unternehmen die Lizenz mit einem wenig bekannten italienischen Hersteller, der gerade die Entwicklung einer sehr leichten Selbstladeflinte abgeschlossen hatte, und fertigte diese Waffe. 1963 übernahm Verney-Carron SIFARM, eine Kooperation der ehrwürdigen Hersteller Berthon Frères, Francisque Darne, Didier-Drevet, Gerest und Ronchard-Cizeron, zusammen mit dem berühmten Laufhersteller Jean Breuil.

Mit dem Modell Sagittaire brachte Verney-Carron 1966 die erste in Serie produzierte französische Bockflinte auf den Markt. Von 1970 bis 1975 verdoppelte sich die Produktion. In den 1980er-Jahren erhielt Verney-Carron den Auftrag zur Herstellung von Baugruppen für das neue Sturmgewehr der französischen Armee, genannt FAMAS. Dieser Vertrag lief zehn Jahre und brachte dem Werk eine erhebliche Modernisierung ein. 1985 kam die Bockflinte Sagittaire als Leichtmodell mit einem Systemkasten aus Aluminium. Die leichte Flinte war in Frankreich ein großer Erfolg und ist bis heute im Programm. Drei Jahre später, 1988, wurde mit der neuen Super 9 eine Trapflinte eingeführt. Sie ersetzte nach und nach die ältere Sagittaire-Linie. 1994 kam dann eine neue Sagittaire-Modellreihe, die sich kostengünstig herstellen ließ.

Abb.: Die Super 9 ersetzte die alte Sagitaire-Baureihe; Abb.: Die XS ist das Leichtmodell; Bildquelle: Die Flinte: Waffenedition Bd.4

Die Sagittaire-Modellreihe ist heute sehr umfangreich. Im aktuellen Katalog sind über 20 Modell-Varianten aufgeführt. Hinzu kommen noch zwei Selbstladeflinten, ein Gasdrucklader sowie ein Rückstoßlader. Der Rückstoßlader Matrix ist in vier Ausführungen mit Nussbaum- und Kunststoffschäften sowie in verschiedenen Lauflängen zu haben, alle im Kaliber 12, eingerichtet für Wechselchokes. Verney-Carron verwendet dabei das sehr funktionssichere Inertia-System. Der Gasdrucklader der V-Linie umfasst die Modelle V-One, V12, V20 und V28. Die Kaliber sind in diesen Fällen namensgebend, außer bei der V-One, die in 12/76 Magnum gefertigt wird. Auch in diesem Fall stehen Kunststoff- sowie Nussbaumschäfte zur Auswahl und besitzen die Läufe Wechselchokes.

Ein echtes Kuriosum ist die Veloce, die von der Matrix abstammt, aber nicht mehr selbstständig nachlädt. Sozusagen ein halber Halbautomat. Nach dem Schuss fährt der Verschluss zurück und wird in der hinteren Stellung gefangen. Rechts neben dem Systemkasten ist ein großer Drücker positioniert. Wird der vom Schützen betätigt, fährt der Verschluss wieder nach vorn. Warum wird so etwas konstruiert? Die Antwort liegt in der Gesetzgebung einiger europäischer Staaten, in denen Selbstladeflinten nicht erlaubt sind. Die Veloce kann dort verkauft werden und mit etwas Übung ist die Schussfolge fast so schnell wie bei einer halbautomatischen Flinte. Die Veloce-Modellreihe umfasst drei Modelle. Alle anderen technischen Details entsprechen der Matrix.

Ergänzt wird das Flintenprogramm noch durch die Pumpflinte P12. Die Systeme baut Verney-Carron dafür nicht selbst, stattet die Flinten aber mit eigenen Läufen aus. Die P12 Gros Gibier verfügt über einen Hastings-Paradox-Lauf (61 Zentimeter) zum präzisen Verschießen von Flintenlaufgeschossen sowie über eine komplette offene Visierung. Die P12 Black Crow ist mit 71 oder 76 Zentimeter Lauflänge zu haben, stahlschrotbeschossen und mit Wechselchokes ausgestattet.

Die Sagittaire-Bockflinten

Abb.: Die aktuelle Sagittaire; Bildquelle: Die Flinte: Waffenedition Bd.4

Verney-Carron verwendet einen Flanken-Verschluss mit tief im Verschlusskasten eingebettetem Laufbündel und links und rechts vom oberen Lauf eingreifenden Riegelbolzen.

Abb.: Eleganter, flacher Kasten; Bildquelle: Die Flinte: Waffenedition Bd.4

Dieser hakenlose Verschluss ist sehr stabil und gewährt ungehinderten Zugriff auf die Patronenlager. Die Riegelbolzen sind konisch und selbst nachstellend, sodass sich auch nach jahrelangem Gebrauch kein Verschlussspiel einstellen dürfte. Sehr interessant und praxisgerecht ist das Abzugssystem.

Abb.: Flanken-Verschluss ohne Haken; Bildquelle: Die Flinte: Waffenedition Bd.4

Die Sagittaire hat einen herkömmlichen Doppelabzug, wobei wie gewohnt der vordere Abzug den unteren Lauf auslöst und der hintere Abzug den oberen Lauf. Gleichzeitig ist der vordere Abzug aber auch ein Einabzug. Er löst zunächst den unteren Lauf aus und bei erneuter Betätigung dann den oberen. In der Jagdpraxis ist das eine feine Sache, denn die Fummelei an einem kleinen Laufumschalter entfällt hier völlig. Soll entsprechend den jagdlichen Bedingungen zunächst der obere, in der Regel mit dem engeren Chokeeinsatz bestückte Lauf geschossen werden, wird einfach wie bei einer Flinte mit Doppelabzug der hintere Abzug zuerst bedient. Für zwei schnelle Schüsse in der Reihenfolge unten/oben steht der Einabzug zur Verfügung.

Abb.: Die XS ist das Leichtmodell; Bildquelle: Die Flinte: Waffenedition Bd.4

Die Sagittaire-Modelle verfügen serienmäßig über einen Schraubenfeder-Ejektor mit geteiltem Auszieher, der selektiv arbeitet, also nur die leeren Hülsen abgefeuerter Patronen auswirft. Die Läufe in den Kalibern 12 oder 20 werden im Kaltschmiedeverfahren aus Super-Diamond-Chrom-Molyb­dän-Stahl hergestellt und sind für stahlschrottaugliche Wechselchokes gefertigt, die mündungsbündig abschließen. Bei den Schäften gibt es sowohl Modelle mit englischem Schaft als auch mit Pistolengriffschaft, wobei der Pistolengriffschaft wie bei Bockflinten üblich überwiegt. Verney-Carron deckt mit der Sagittaire-Baureihe beinahe jedes Bedürfnis ab. Es gibt auch spezielle Modelle für Damen wie die Sagittaire Diane und Leichtgewichte wie die Sagittaire XS, eine 20er-Bockflinte mit Leichtmetallkasten, die lediglich 2,5 Kilogramm wiegt, und die Gros Gebier mit kurzen, gezogenen Läufen für Flintenlaufgeschosse. Luxus-Modelle mit langen, vollständig gravierten Seitenplatten sind natürlich ebenfalls im Programm. Mit der Sagittaire-Baureihe bietet Verney-Carron gut ausgestattete, moderne Bockflinten im mittleren Preissegment an.

https://www.verney-carron.com/

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Verlagsinformation zum Autor Norbert Klups:

Norbert Klups.

Norbert Klups, geboren 1960, besitzt seinen Jagdschein bereits seit 1979. Seit 1984 ist er als freier Mitarbeiter bei verschiedenen Jagd- und Waffenzeitungen für Produkttestberichte aus den Bereichen Waffen, Munition, Messer und Jagdausrüstung tätig. Außerdem ist er Verfasser von 12 Fachbüchern aus dem Bereich Waffen und Munition, Kreisjagdberater und Mitglied des Jägerprüfungsausschusses sowie Schießtrainer für Seminare der RWJ-Akademie.

Deutsches Jagdlexikon: http://www.deutsches-jagd-lexikon.de/index.php?title=Klups,_Norbert

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Anmerkungen

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Titel: Die Flinte: Waffenedition Bd.4

Autor: Norbert Klups

Verlag: HEEL Verlag GmbH

Verlagslink: https://www.heel-verlag.de/die+flinte.htm

ISBN-13 : 978-3958436336

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