Buchvorstellung
»…die Rückkehr des Wilden. Auf keinem anderen Kontinent erleben wir aktuell ein vergleichbares Comeback der Wildtiere. Wisente, Wildpferde, Bären, Wölfe, Luchse oder Vielfraße, sie alle werden entweder aktiv gefördert oder wandern von selbst wieder ein. Fast alle Länder Festlandeuropas verfügen über zumindest eine große Beutegreiferart, die sich fortpflanzt und dauerhaft ansässig ist. Die Europäische Wildkatze – wenn auch ein kleines Raubtier – ist eine strahlkräftige Botschafterin für das Wiedererstarken des Wilden in unserer Mitte. Vielleicht kann sie sogar als Vermittlerin für ihr großen, teils noch sehr unbeliebten „Kollegen“ agieren.«

Obwohl die Europäische Wildkatze zu den schönsten und interessantesten Raubtieren Europas zählt, Deutschland als Hochburg der Wildkatzenforschung gilt und sogar jüngst ein preisgekrönter Film über die Europäische Wildkatze erschien (siehe: https://www.holymountains.de/wildkatze/) fehlte bis dato eine wissenschaftliche Monographie über diese Taschentiger. Ein schöner Beleg dafür, dass Krisen auch Chancen sind, denn Christine Sonvilla fand dank der Corona-Pandemie endlich Zeit Europas kleine Tiger: Das geheime Leben der Wildkatze zu schreiben.
Noch vor wenigen Jahrzehnten galt die Europäische Wildkatze wie jeder Beutegreifer als bösartiger Schädling. Selbst Zoologen fabulierten 1859 von einem der »blutgierigsten und grimmigsten Raubthiere.« Für Ritter Franz von Kobell (* 1803; † 1882) war das Raubtier mit den »falsch funkenden Lichtern« eine »der boshaftesten Bestien, die man in einem Jagdgehege finden« kann. Angeblich wären weder Vögel noch Hasen oder gar Rehkitze vor ihr sicher, sie würde es sogar wagen »ein Wildkalb zu würgen.« In die Enge getrieben »rauft sie in unbändiger Wuth mit den Hunden und fällt auch den Jäger an.« So heißt es in einem Handbuch für Jäger, Landwirte und Förster von 1912: »Sie gehört somit zu den schädlichsten Raubtieren unserer Heimat, und es dürfte selbst dem größten Tierfreund schwer werden, ihrem Leben irgendeine sympathische Seite abzugewinnen.«
Kommt es hart auf hart sind Wildkatzen gehen Wildkatzen tatsächlich ran wie Blücher. In Europas kleine Tiger ist der Fall einer Wildkatzenmutter dokumentiert, die ihre Brut erfolgreich gegenüber einen um ein mehrfaches größeren Wolf verteidigt. »Wildkatzen haben uns Menschen gegenüber ein Auftreten und eine Selbstsicherheit, als hätten sie die Größe eines Leoparden.«
Glücklicherweise haben sich zuerst unter Wissenschaftlern und schließlich in der Jägerschaft sowie der Bevölkerung die Ansichten über die Europäische Wildkatze der Realität angepasst. Die Beute von Wildkatzen besteht zuvorderst aus Mäusen und kleinen Vögeln, nur in Spanien und Schottland bevorzugt sie aufgrund der hohen Populationen Wildkaninchen.

Nachdem die Populationen der Europäischen Wildkaninchen ab dem 19. Jahrhundert schmolzen geht es seit einiger Zeit wieder bergauf. So vermutet man alleine im Pfälzer Wald 3.000 von Europas kleinen Tigern, die in Frankreich auch als das »Ozelot der Vogesen« bezeichnet werden.
Aufgrund ihrer heimlichen Lebensweise war unser Wissen über die Europäische Wildkatze noch vor wenigen Jahren äußerst begrenzt. Seitdem Forscher Peilsender, Gentechnik und Wildkameras nutzen können, hat sich dies geändert und uns viele überraschende Erkenntnisse beschert. So sind sie – ebenso wie Pumas – erheblich sozialere Lebewesen, als lange angenommen. Und im Gegensatz zu den ursprünglich von der Falbkatze (Felis lybica lybica) abstammenden Hauskatzen auch nicht wasserscheu. Wildkatzen durchschwimmen Ströme wie den Rhein und fangen Fische!

Christine Sonvilla betrachtet Wildkatzen nicht mit dem rational-emotionslosen Blick einer idealen Wissenschaftlerin, sondern schwärmt regelrecht für die eleganten Diven der Wälder. Doch in Europas kleine Tiger zeigt sie auch eine pragmatische und lebensnahe Sicht auf die Dinge, die sie von vielen realitätsfernen Idealisten aus der Umweltschutz-Bewegung unterscheidet:
»Die Jagd muss, über kurz oder lang, ein bedeutender Verbündeter beim Natur- und Artenschutz werden, vor allem in Europa, wo es keine vergleichbare Wildnis wie in Afrika oder Südamerika gibt. „Wenn man mit der Natur Geld verdient, muss man auch Interesse an ihrem Schutz haben“, sagt dazu Pedro Monterroso von der Universität Porto. Es gilt Menschen und ihre Traditionen, Wirtschaft sowie Naturanliegen unter einen Hut zu bringen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Wiederansiedlung des Iberischen Luchses (Lynx pardinus) im Guadiana-Tal im Südosten Portugals. Als man im November 2014 mit den Freilassungen der nachgezüchteten Tiere begann, war Portugal quasi luchsfrei. Heute dürften, grob geschätzt, wieder an die 100 Luchse durchs Land streifen.
„Ohne die aktive Einbindung der Jagd wäre all das nicht möglich gewesen“, betont Monterroso. Ein Großteil der Landschaft wird durch privat geführte Jagdgüter bewirtschaftet. Ihre Haupteinnahmequelle stellen Rebhühner, aber vor allem Wildkaninchen dar, die alljährlich zu Hunderttausenden geschossen werden. Um die Kaninchen dafür zu fördern, bemühte sich das Jagdmanagement in den letzten Jahrzehnten darum, Versteckmöglichkeiten, diverse Sträucher und Futterpflanzen verstärkt in die Landschaft zu bringen. Kaninchen stellen gleichzeitig aber auch die Hauptbeute von Luchsen dar, die zum Zeitpunkt ihrer Wiederansiedlung damit optimale Bedingungen vorfanden. Um die Jagd dennoch als langfristige Naturschutzverbündete zu gewinnen, galt es sie davon zu überzeugen, dass der Luchs mehr Vor- als Nachteile mit sich bringt. Etwas kleinere Räuber wie Füchse lassen sich von ihm in Schach halten und in puncto Ökotourismus fungiert er als regelrechtes Zugpferd. Argumente wie dieses wirken.«

Europas kleine Tiger: Das geheime Leben der Wildkatze ist weder künstlerisches Naturwriting noch ein trockenes zoologisches Fachbuch. Gut unterhalten habe ich viel über die getigerten Schönheiten gelernt, die kaum einer von uns je in freier Wildbahn sehen wird. Die besonders schönen Fotos der Autorin im Mittelteil sind ein schöner Bonus.

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Verlagsvorstellung der Autorin

Christine Sonvilla, geboren 1981 in Klagenfurt, lebt in Mürzzuschlag. Nach Studien der Germanistik und Biologie machte sie sich als Fotografin, Filmerin und Autorin mit Fokus auf Naturthemen selbstständig. Sonvilla konzentriert sich in ihrer Arbeit auf Natur- und Artenschutz-Themen. Für jene zu sprechen, die es selber nicht können, das ist ihr ein Anliegen. Ihre Arbeiten wurden mehrfach international ausgezeichnet und erschienen u. a. im National Geographic Magazin. Zuletzt erschienen: „Europas kleine Tiger“ (2021).
Website der Autorin: http://sonvilla-graf.com/
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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Outdoor-Becher aus Emaille. Die Kontaktmail für Anfragen befindet sich im Weblog-Impressum.

Titel: Europas kleine Tiger: Das geheime Leben der Wildkatze
Autorin: Christine Sonvilla
Verlag: Residenz Verlag
Verlagslink: https://www.residenzverlag.com/buch/europas-kleine-tiger
ISBN: 978-3701735235