Buchvorstellung von Benjamin Rüger
Einleitung
Ist halb so wild nur halb so gut? Zwangsläufig stellt man sich diese Frage, wenn einem im das Buch-Cover des neusten Buches von Viktoria Fuchs aus dem Versandkarton entgegenlächelt. Gespannt öffnete ich das Buch für ein erstes, schnelles Page Turning – wie man es in der Beratung immer nannte – und wurde sofort vom signalorangefarbenen Innendeckel gefangen. Das Page Turning artete dann relativ schnell in interessiertes Lesen aus und resultierte in einer relativ vollen Einkaufsliste für das kommende Wochenende.
Viktoria Fuchs, ihre von mir als direkt und unkompliziert wahrgenommene Art und letztlich auch die ihr eigene Kombination klassischer (Wild-) Gerichte mit den Küchen Asiens begeistert mich schon seit ihren ersten TV-Auftritten bei Ready to beef! und später dann auch bei Kitchen Impossible oder Mälzer und Fuchs liefern ab. Ihr erstes Kochbuch Fuchsteufelswild landete daher auch recht schnell nach der Erstveröffentlichung neben dem großen Wildkochbuch ihres Vaters Karl-Josef Fuchs, WILD – Best of Wild & mehr (siehe: https://krautjunker.com/2021/01/16/gebackenes-rehkitz-mit-sauce-tatar/ + https://krautjunker.com/2021/02/15/wildschweinschinken-mit-steinpilzen-und-eigelb/ + https://krautjunker.com/2021/11/14/hirschgulasch-mit-steinpilzen-und-semmelknodeln/) in meinem Bücherregal und ist seither ein oft konsultierter Berater, wenn ich mich wieder nicht entscheiden kann, ob ich asiatische oder nicht kochen soll.
Das Buch.
Das Cover des Buches ist ähnlich wie das des Vorgängers gehalten. Viktoria Fuchs thront auf dem gleichen Jugendstil-Stuhl in einer grünen Landschaft. In der Hand hält sie allerdings nicht die für ihr Signature Dish wichtigen Dampfkörbe sondern eine rechten Haselnussstecken mit einer Regenbogenforelle. Eine Kuh im Hintergrund scheint sich auch schon zu fragen, wie die Forelle in den Wald gekommen ist und was Viktoria Fuchs damit noch so vorhat.

Nach dem Aufschlagen des Buches fesselte zumindest mich direkt der signalorangene Innendeckel und das klare und harmonische Layout der Seiten. Das Buch enthält auf 224 Seiten und in insgesamt acht Kapiteln einen bunten Blumenstrauß von über 60 Rezepten. Zudem schließt jedes Kapitel mit einem gut geschriebenen Beitrag zu den Grundkomponenten des Fuchs’schen Kulinariums – von der Jagd bis hin zu den Menschen um dem alles ermöglichenden Familienbetrieb.

Im ersten Kapitel geht es um Vorspeisen und Suppen von klassisch bis modern. Auch wenn ich mich mit meiner schwäbischen Herkunft durchaus schwertat, entschied ich mich direkt dazu, einen nicht ganz einfachen Klassiker aus der Heimatküche zu versuchen: Badische Flädlesuppe. Klare Suppen sind Basics für einen jeden Koch und Hobbykoch, doch wie allzu oft steckt die Schwierigkeit dieser Gerichte in ihrer Einfachheit. Eine aromatische klare Suppe erfordert eben doch etwas Können und Intuition. Die Rezepte im Buch erleichtern aber das Nachkochen durch den klaren und verständlichen Aufbau, die präzisen Anweisungen und die gut sortierten Zutatenlisten. So konnte ich mich auch als Schwabe recht schnell mit der Badischen Flädlesuppe anfreunden.


Im nächsten Kapitel geht es um die kulinarische Seele von Viktoria Fuchs: Spielweg asiatisch. Nachdem ich mich während eines längeren Aufenthalts in China quasi mehrheitlich von Jiazi, Wan Tan, Dim Sum – und wie sie nicht alle heißen – ernährt habe, kam ich nicht umhin, die Wildschwein-Wan-Tan nachzukochen. Ein Klassiker und eigentlich nicht kompliziert, sofern man sich mit der Falttechnik des Teiges einigermaßen vertraut gemacht hat.

Das Kapitel Spielweg-Klassiker liest sich ebenso interessant wie die vorhergehenden Kapitel. Da ich noch nicht Gast im Spielweg war, habe ich mich damit begnügt, mir die Bilder Vom Hirschkalbrücken mit Mohnschupfnudeln, Bibeleskäs, Wurstsalat und der Tafelspitzterrine anschauen. Das Nachkochen folgt dann nach dem ersten Besuch im Spielweg – man muss sich ja noch Ziele setzen.
Im Kapitel Halb so wild kreativ wurde ich dann wieder von einem bestimmten Gericht getriggert, das ich schon in vielen Varianten versucht aber noch nie in Perfektion oder zu meiner Zufriedenheit auf den Teller bekommen habe: Butter Chicken. Ich möchte nun nicht zu langen Lobeshymnen ausholen, aber das Rezept von Viktoria Fuchs lieferte nach langer Zeit mit vielen Versuchen ein tolles Ergebnis, das ich so noch nicht in der heimischen Küche hinbekommen habe. Vielleicht lag es auch daran, dass wir das Gericht mittlerweile schon mehrfach nachgekocht haben.

Das Kapitel Italienisch mediterran zeigt italienische bzw. mediterrane Klassiker mit einem Augenzwinkern. So finden sich in diesem Kapitel neben Rezepten für Linguine mit Rotgarnelentartar, Tagliata vom Hirschkalbsrücken und Wildschweinfilet mir Spinat-Ricotta-Ravioli auch ein Rezept, das ich bei Gelegenheit noch nachkochen möchte: Sepia-Risotto mit Burrata und frittiertem Grünkohl.
Für die Süßspeisenliebhaber wird dann im Kapitel Desserts noch allerlei geboten. Mir persönlich sind die meisten Desserts zu süß, daher erging der Auftrag an meine Frau, sich an dem Rezept für Bienenstich zu versuchen. Auch hier verging aufgrund der klaren Rezeptstruktur wenig Zeit vom Zeitpunkt, als ich die Küchenmaschine hörte bis zum fertigen und leckeren Bienenstich.

Viktoria Fuchs bietet im Kapitel Fuchs am Tisch dann noch Einblicke in die Party- und Grillküche im Spielweg. Mit Rezepten zu Gegrilltem Kürbis-Karotten-Feigen-Salat, Rehkoteletts mit Gremolata, Gegrillter Forelle mit Meerrettich, Zitronen-Thymian-Hühnchen und vielem mehr kann der Sommer kommen und sich wahrscheinlich der ein oder andere Gast auf halb so Wildes vom Grill freuen.
Mit dem Kapitel Grundrezepte schließt das Buch rund ab.
Fazit
Das neue Kochbuch von Viktoria Fuchs bleibt nicht hinter dem vorgehenden Werk zurück. Halb so wild ist immer noch fuchsteufelswild genug und definitiv nicht „nur“ halb so gut. Betrachtet man den Umfang und die Qualität des Buches, ist der Preis von 29 Euro mehr als gerechtfertigt. Es ist vielmehr die aus meiner Sicht logische Fortführung von Fuchsteufelswild mit einer kulinarischen sowie regionalen Erweiterung des kulinarischen Spektrums. Ich persönlich hatte viel Freude beim Lesen, beim Planen und letztlich beim Kochen. Und gerade der Spaß beim Kochen ist wohl das größte Qualitätsmerkmal eines guten Kochbuchs. Fehlt der Spaß, verstaubt es im Bücherregal und wandert immer weiter nach hinten, bis es vergessen wird. Dies wird Halb so wild definitiv nicht passieren, denn es gilt noch viele Rezepte zu verproben und die bewährten Rezepte weiterzuentwickeln.
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Viktoria Fuchs

Als Tochter einer traditionsreichen Gastgeberfamilie ist ihr das Kochhandwerk in die Wiege gelegt, das Interesse für Lebensmittel eine früh entdeckte Passion. Als kleines Mädchen schon verbringt sie viel Zeit in der Küche des Restaurant Spielweg, damals steht ihr Vater noch am Herd. Heute ist die junge Köchin selbst Küchenchefin in dem Haus, in dem sie ihre Kindheit verbracht hat. Ihre Stationen zuvor sind: das Restaurant Hirschen in Sulzburg, wo sie bei Zwei-Sterne-Köchin Douce Steiner ihre Kochlehre absolviert. Weitere kulinarische Wanderjahre, unter anderem mit Stationen im Restaurant Le Canard bei Ali Güngörmüş in Hamburg und anschließend im Luce d’Oro (KRAUTJUNKER-Kommentar: Das Restaurant heißt jetzt Ikigai) auf Schloss Elmau. Mit viel Erfahrung im Gepäck und einer Fülle an Zutaten vor den Restauranttüren führt sie die Küchenregie im Spielweg mit einer herzlichen Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht. Sie bleibt ihren Wurzeln treu, der Schwarzwald dient als reiche Quelle ihrer regionalen und dabei doch weltoffen-kreativen Küche. Ihre große Leidenschaft gilt Wildgerichten, denen sie mit fernöstlichen Zutaten einen ganz besonderen, kosmopolitischen Twist verleiht.
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Benjamin Rüger

Benjamin Rüger ist leidenschaftlicher Koch, Jäger, Angler, Fotograf und Genießer. Nach dem Studium im schönen Frankenland verschlug es ihn in die Weltmetropole Frankfurt, wo er als Berater arbeitet und immer auf der Jagd nach neuen und interessanten Seiten des Großstadtdschungels ist. In seiner Freizeit betreibt er zudem er den Blog Herr Rüger.

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Porzellantassen. Weitere Informationen hier: https://krautjunker.com/2024/12/16/krautjunker-tassen/

Titel: Halb so wild: Richtig gute Rezepte mit und ohne Wild
Autoren: Viktoria Fuchs, Antonia Wien
Verlag: Südwest Verlag
Verlagslink: https://www.penguin.de/buecher/viktoria-fuchs-halb-so-wild/buch/9783517102771
ISBN: 978-3-517-10277-1
Ausgezeichnet mit dem Deutschen Kochbuchpreis Gold und Silber
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