Aufbrechen von Schwarzwild

von Matthias Meyer und Dirk Waltmann

Bereits vor dem Schuss liegt die Verantwortung beim Jäger, darauf zu achten, ob sich das zum Abschuss vorgesehene Stück Wild unauffällig verhält, also keinen kranken Eindruck macht. Der Schuss selbst soll aus Tierschutzgründen einerseits möglichst sofort töten, andererseits aber aus Sicht der Wildbrethygiene möglichst wenig Organe und Wildbret zerstören. Das ist, wenn man sich Kaliber, Geschosstypen und Laborierungen anschaut, nicht immer ganz einfach. Wird mehr als die Organe im Brustkorb verletzt, ist die bedenkenlose Verwertung des Fleisches nicht mehr garantiert. Sollte ein Schuss den Wildkörper doch versehentlich hinter dem Zwerchfell durchschlagen haben, kann der Jäger mit der Aufbrechmethode doch noch wesentlich zum Qualitätserhalt des restlichen Wildbrets beitragen.

Für das Aufbrechen eines Stückes Schalenwild gibt es verschiedene Möglichkeiten. Einige halten die gesetzlich geforderten Hygienestandards für Wildbret, einige – und die werden teilweise immer noch in den Jungjägerkursen gelehrt – reichen nicht mehr aus. Das Aufbrechen von Schalenwild sollte grundsätzlich nach der »modernen« Methode im Hängen ausgeführt werden. Dazu wird das Stück an den Hinterläufen eingehesst und mit dem Haupt nach unten aufgehängt.

Die Bauchdecke wird vor den Keulen nach unten aufgeschärft, der Brustkorb mittig durchtrennt und die Decke über dem Schlund bis in den Unterkieferwinkel aufgeschärft. Den Enddarm lösen wir durch das so genannte »Ringeln«. Weidloch und Enddarm werden dazu kreisförmig umschnitten und dann in die Beckenhöhle geschoben, sodass sie von innen umfasst und im Ganzen herausgezogen werden können. Die Schlossnaht wird nicht geöffnet, damit das Wildbret auf der Keuleninnenseite nicht austrocknet.

Die Vorteile durch Ringeln

Wir verschmutzen kein Wildbret mit Darminhalt, Losung oder austretendem Urin. Durch das intakte Schloss und die über den Keuleninnenseiten unversehrten Decke oder Schwarte kann das Wildbret der Keulen weder verschmutzen noch eintrocknen. Weil das Schloss nicht geöffnet wurde, kann das Stück Wild – vornehmlich auch starkes Wild in schwerem Gelände – gut gezogen werden, ohne das Wildbret beim gelegentlichen Überschlagen des Wildkörpers zu verunreinigen. Eine Tatsache übrigens, die bei den Berufsjägern im Gebirge oder bei Wildnisjagden im Ausland seit vielen Jahren bekannt ist und mit großem Erfolg praktiziert wird.

Schließlich ziehen wir die Innereien nach unten heraus, um sie dann auf bedenkliche Merkmale untersuchen zu können. Stellen wir welche fest, verwerfen wir das Stück Wild oder melden es zur amtlichen Fleischbeschau an. Hierzu benötigt der Veterinär nicht nur den Wildkörper, sondern auch sämtliche inneren Organe, außer Magen und Darm.

Bei der Aufbrechmethode im Hängen kann das plötzliche Vorfallen aller Innereien, gerade bei starken Stücken, ein Problem werden. In diesem Fall legen wir das Stück Wild auf einen nach vorne geneigten Aufbrechbock, damit der Schweiß abfließen kann, aber die inneren Organe in der Körperhöhle verbleiben. Auch das Aufhängen eines starken Stück Wildes kann in Ermangelung einer Aufzugsvorrichtung zur Strapaze werden. Zur Erleichterung gibt es einen Aufbrechschragen, auf den das Wild ebenerdig gezogen und befestigt wird, um dann mit einem Gegengestell mühelos von einer Person aufgerichtet und in die gewünschte Position gebracht zu werden.

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(1) Abb.:  Das „Ringeln« von Weidloch und Enddarm erfolgt, solange sich das Stück Schalenwild noch am Boden befindet. Wir stellen uns dazu mit dem Rücken zur Sau und klemmen die Hinterläufe der auf dem Rücken liegenden Sau hinter unseren Beinen ein. So können wir an dem stabilisierten Stück mit einem scharfen Messer das Weidloch kreisförmig umschneiden und den Schnitt seitlich um den Enddarm herum bis tief in das Becken hinein führen, ohne dabei den Darm zu verletzen.

(2) Für das spätere Aufhängen der Sau müssen wir diese an den Hinterläufen hessen. Bei kurzläufigem Wild wie Schwarzwild führen wir einen Schnitt vom Geäfter bis kurz vor das Fußwurzelgelenk, und zwar eng am Knochen, sodass wir die starke Sehne freilegen. Diese Methode hat zum einen den Vorteil, dass wertvolles Wildbret nicht austrocknet oder mit Keimen belastet wird, zum anderen stören keine überstehenden Läufe den Transport des versorgten Stückes auf der Rohrbahn in unserer Kühlung. Wir können aber auch das Stück Wild an der Achillesferse unterhalb der Keule einschneiden und hessen. Bei hochläufigem Wild trennen wir zum besseren Schieben auf der Rohrbahn dann die Hinterläufe im Fußgelenk ab.

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(3) In diese Schnitte an den Hinterläufen hängen wir eine Aufbrechhilfe ein. Das kann ein praktischer Spreizhaken sein – wie auf dem Foto – kann aber auch nur aus zwei Fleischhaken bestehen. Das so vorbereitete Stück hängen wir in der Wildkammer mit einem Aufzug auf die Rohrbahn. Wir können es aber auch auf das nachfolgend beschriebene Spreizgestänge hängen oder auf den Aufbrechbock legen.

(4) Schwarzwild war sehr häufig vor dem Erlegen in der Suhle oder ist durch das Bergen bis zum Fahrzeug von außen stark verschmutzt. Damit dieser Dreck nicht beim Aufbrechen das ungeschützte Wildbret verunreinigt, spritzen wir die Sau vorher mit klarem Wasser ab.

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(5) Die Schnittführung beginnen wir an der Bauchschwarte unterhalb der Keulen, sodass die Innenseiten der Keulen weiterhin von der Schwarte bedeckt bleiben.

(6) Für den weiteren Aufbrechvorgang führen wir die Schnittlinie von der Bauchlinie über den Brustkorb bis zum Unterkieferwinkel fort, aber ohne schon jetzt das Bauchfell zu öffnen, damit uns die Därme nicht entgegenfallen und bei der weiteren Schnittführung eventuell verletzt werden. Der austretende Darminhalt hat auf dem für die Lebensmittelgewinnung vorgesehenen Muskelfleisch nichts verloren!

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(7) Erst jetzt öffnen wir unterhalb der Keulen den Bauchraum und nehmen den herausfallenden Dickdarm zur Seite.

(8) Nun können wir den Enddarm im Beckenknochen mit der Hand lösen, umfassen und vorsichtig mit dem daran hängenden Weidloch herausziehen.

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(9) Mit der einen Hand halten wir die nach unten hängenden Därme von der Schnittführung weg und schärfen mit der anderen weiter bis zum Brustbein. Bei jungen Stücken ist dieses noch verknorpelt, sodass wir mit dem Messer einen sauberen Trennschnitt durch den Brustkorb führen können. Bei älteren oder starken Stücken nehmen wir dazu die Knochensäge oder eine stabile und scharfe Aufbrechzange.

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(10 + 11)  Wir durchtrennen jetzt die große Gekröswurzel, den Aufhängeapparat unter dem Rücken, an dem der Magen-Darm-Trakt massiv aufgehängt ist. Zugleich achten wir beim Schwarzwild darauf, dass beim Durchtrennen des Zwerchfells auch genügend Material von den Zwerchfellpfeilern stehen bleibt. Diese gut durchbluteten Muskelpartien des Zwerchfells benötigt der Tierarzt zur Entnahme der Trichinenprobe!

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(12) Hat man früher nach dem eigentlichen Aufbrechen die Brandadern aufgeschärft, werden sie heute am besten mit der Messerspitze leicht angehoben, abgetrennt und entfernt, da der im Wildkörper verbleibende Schweiß am ehesten anfängt zu verderben.

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(13) Nachdem wir nun die Kammer geöffnet und das Zwerchfell durchtrennt haben, entfernen wir die zum Geräusch zählenden Organe Lunge und Herz.

(14) Zum Schluss ziehen wir noch unter vorsichtigem seitlichem Nachschneiden Drossel, Schlund und Lecker heraus. In der Folge haben wir alle inneren Organe vom Lecker bis zum Weidloch vorliegen, können diese ausbreiten, schrittweise auf bedenkliche Merkmale untersuchen und bei Verdacht den Aufbruch neben dem ausgeweideten Wildkörper dem Tierarzt zur amtlichen Fleischbeschau vorlegen.

(15) Im Idealfall finden wir in einer ausgestatteten Wildkammer auch noch sogenannte Spreizer aus Edelstahl, die in den geöffneten Brustkorb gespannt werden.

So kühlt das Wild schneller aus. Bei starken Stücken lüften und spreizen wir zusätzlich beide Blätter. Wir verwenden zum Ausspritzen des Blutes und anderer Substanzen selbstverständlich Wasser von Trinkwasserqualität! Bei der »modernen Aufbrechmethode« im Hängen über Kopf vermeiden wir nicht nur eine Verschmutzung der wertvollen Keulen und der Filets mit Blut und Darminhalt, sondern das Wild lässt sich bedeutend einfacher reinigen und schweißt vor allen Dingen gründlich aus.

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(16) Sauber aufgebrochen und gründlich gewaschen kann das Wild nun eine Zeit lang abtropfen und abtrocknen. Dabei lassen wir das frisch erlegte Stück auf etwa 7 °C abkühlen und ausdampfen, bevor wir es dann in unserer Kühlung auf +2 °C herunterkühlen. So vorbereitet, kann das Wildbret gut abhängen und zu einem hochwertigen Lebensmittel verarbeitet werden.

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KRAUTJUNKER-Kommentar: Der Originalbeitrag im Buch ist mit 16 +2 Fotos illustriert, wobei die letzten beiden  den Aufbrechbock und den Aufbrechschragen vorstellen.

Da ich durch diese Leseprobe auf dem Blog das Buch nicht ersetzen möchte, habe ich weniger Fotos verwendet. Wer sich genauer informieren will, findet die Informationen zum Buch unten. Ich denke, es ist immer noch ein ganz lehrreicher Beitrag. So kommentierte der bekannte Jagd-Autor Betram Graf v. Quadt in der Facebook-Gruppe „Jagd – mehr als nur ein Hobby“ den Beitrag wie folgt: „Ich fand z.B. das mit den Brandadern mir neu, interessant und schlüssig und werde das künftig genau so anwenden.“

Dem Text vorangestellt ist der ebenfalls lehrreiche Beitrag Der Aufbrechplatz bei Bewegungsjagden“. In den Anmerkungen sind die Links zu weiteren Leseproben aus dem Buch.

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Matthias Meyer

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Wildmeister Matthias Meyer, 1966 in Schleswig Holstein geboren, absolvierte mit 16 Jahren die Jägerprüfung. Nach Abitur und Offizierslaufbahn Ausbildung zum Revierjäger. Seit 25 jahren betreut er rund 5.500 Hektar Revierfläche der Fürstlichen Forstverwaltung Oettingen-Spielberg in Bayern und leitet die Schweißhundestation Nord-Ries. Ob am langen Riemen hinter dem Hannoverschen Schweißhund auf Wundfährte, ob als Stöberhundeführer, Berufsjäger oder Wild- und Jagdfotograf – der fast tägliche Umgang mit Schwarzwild gewährt ihm unvergleichliche Einblicke und Betrachtungswinkel zu dieser Wildart. Als langjähriger freier Mitarbeiter von Jagdmagazinen und gefragter Referent zu Themen aus der Jagdpraxis ist er auch im deutschsprachigen Ausland präsent.
http://deutsches-jagd-lexikon.de/index.php?title=Meyer,_Matthias

Dirk Waltmann

dirk-waltmann

Dirk Waltmann, Jahrgang 1959, geboren in NRW, übt seit seinem 17. Lebensjahr die Jagd aktiv aus. Seit Anbeginn sind Hege und Bejagung von Schwarzwild die jagdliche Leidenschaft. Während der inzwischen 30-jährigen Tätigkeit als Jagdjournalist hat er seinen Wissensschatz ums Schwarzwild immer wieder erweitert. Das meist aufgrund eigener Erfahrungen – einige Jahre davon als Verantwortlicher eines schadensintensiven Reviers – und dank enger Kontakte zu Berufsjägern, Wildbiologen, Schwarzwildexperten und Schweißhundführern im In- und Ausland. Als gefragter Ratgeber schreibt der Jagdpraktiker in deutschen und ausländischen Jagdmagazinen und referiert zu Themen rund ums Schwarzwild.
http://deutsches-jagd-lexikon.de/index.php?title=Waltmann,_Dirk
http://www.medienservice-waltmann.de/jagdreise-beratung

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es eine Facebook-Gruppe sowie Becher aus Porzellan und Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Schwarzwild im Visier

Titel: Schwarzwild im Visier – Ansprechen Bejagen Nachsuchen Versorgen

Autoren: Matthias Meyer und Dirk Waltmann

Verlag: BLV Buchverlag

Verlagslink: https://www.blvverlag.de/dirk-waltmann-matthias-meyer/schwarzwild-im-visier.html

Fotos: © Dirk Waltmann/BLV Buchverlag

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Bereits veröffentlichte Leseproben:

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