Die Geschichte des Repetierers (1/2)

von Norbert Klups

Jagdwaffen waren immer ein Produkt ihrer Zeit und des technischen Fortschrittes. Bis heute wurden sie stetig weiterentwickelt. Die ersten Handfeuerwaffen waren Luntenschloss-Büchsen und in ihrer Handhabung sehr umständlich. Das Zündpulver in der Pfanne wurde durch eine glimmende Lunte mit der Hand entzündet. Sehr oft mussten diese Waffen von 2 Männern bedient werden. Einer der Männer lud die Waffe und zündete das Zündpulver in der Pfanne, der andere war für das Zielen verantwortlich. Um diese Art der Zündung mit der Hand zu verbessern und vereinfachen, wurden mit der Zeit verschiedene Konstruktionen von Schlössern entwickelt. Man schlug sich zu dieser Zeit hauptsächlich mit den Witterungsbedingungen herum. Regen durchnässte das Zündpulver in der Pulverpfanne und Wind blies die Lunte aus oder das Pulver aus der Pfanne.

Abb.: Jagd-Repetierbüchse aus einem deutschen Gewehr 88

Mit dem Steinschloss oder Schnapphahnschloss kam Anfang des 17. Jahrhunderts bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts ein neues Zündsystem auf, das besser mit Umweltbedingungen klarkam und auch handlichere Waffen ermöglichte. Wird der Abzug betätigt, senkt sich der von einer Feder angetriebene Hahn, in dem ein Feuerstein eingespannt ist. Dieser Feuerstein schlägt gegen den Feuerstahl und die Funken entzünden das Pulver in der Pfanne.

Abb.: Winchester Lee Straight Pull Sporting Rifle. Eine der ersten Geradezug- Repetierbüchsen. Das Militär-Modell der Winchester Lee kam bereits 1895 heraus.

Der nächste Meilenstein in der Entwicklung brauchbarer Feuerwaffen kam Anfang des 18. Jahrhunderts. Dem in Paris ansässigen Schweizer Erfinder Samuel Johannes Pauly wurde am 29. September 1812 das Patent für die Konstruktion eines Hinterladers mit Metallpatrone erteilt. Pauly verwendete einen Blockverschluss, der nach oben schwenkbar ist. Die Hähne sind seitlich neben dem Blockverschluss angeordnet und dienen zum Spannen der Schlösser.

Abb.: Als das 98er-Mauser- System zur Verfügung stand, begann Mauser, auch Jagdwaffen daraus zu bauen

Ein Nachteil der Hinterlader war zunächst die schlechte Abdichtung der Patronenkammer und das dadurch entweichende Gas. Dadurch wurde die Schussleistung negativ beeinflusst und die Rauchentwicklung beeinträchtigte die Sicht des Schützen. In den nächsten Jahren wurden verschiedene Verschluss-Systeme, wie Fallblock- oder Drehblock-Verschlüsse, konstruiert. Bahnbrechend war aber schließlich der Zylinder-Verschluss von Johann Nikolaus Dreyse aus dem Jahre 1835. Der deutsche Mechaniker Dreyse hatte bereits 1827 in Erfurt begonnen, einen Gewehr-Verschluss zu konstruieren, in dem er eine Patrone verwenden konnte, die durch einen Nadelstich in der Zündkapsel entzündet wurde. Dieses System wurde schließlich 1840 als einheitliche Waffe für die preußische Armee eingeführt.

Diese Zündnadelgewehre ermöglichten eine fünfmal höhere Schussfolge als die damals gebräuchlichen Vorderlader. Dieser Vorteil der höheren Schussfolge führte die Preußen 1866 bei der Schlacht bei Königgrätz zum Sieg gegen die Österreicher.

Das Zündnadelgewehr und das Verschluss-System wurden von Antoine Chassepot weiterentwickelt. Er konstruierte daraus den französischen Armeehinterlader.

Der entscheidende Schritt zur Konstruktion eines wirklich guten Hinterlader-Systems war eigentlich schon 1812 vorhanden, als sich der Schweizer Samuel Pauly in Paris eine Patrone patentieren ließ, bei der das Pulver und das Zündmittel eine Einheit bildeten, und die sich leicht von hinten laden ließ. Diese ersten Patronen bestanden aus einem getrennten Messingboden sowie einer dünnen Papierhülle. Allerdings wurde diese Erfindung von Pauly vorerst nicht weiterentwickelt und vergessen.

Erst 1832 ging es weiter, als der Pariser Büchsenmacher Casimir Lefaucheux die erste Einheitspatrone mit Selbstabdichtung und Zentralzündung konstruierte. Gedacht für seine doppelläufige Flinte mit kippbarem Lauf. Die Patronenhülsen waren aus Pappe und wurden durch einen gepressten Hülsenboden aus Messing gestützt. Im Inneren des Hülsenbodens lag das Zündhütchen. Seitlich aus der Patrone ragte der Zündstift. Schlägt der Hahn auf den Zündstift, schlägt dieser auf das Zündhütchen und zündet die Ladung.

1845 entwickelte der französische Büchsenmacher Flobert aus der Lefaucheux-Patrone die Metallpatrone mit Randzündung für seine Flobertbüchse. Das Zündmittel wurde dazu in einem verbreiterten Hülsenboden der Metallpatronenhülse untergebracht. Durch das Aufschlagen auf den verbreiterten Rand der Patronenhülse wird das Zündmittel entzündet, dieses wiederum entzündet die Treibladung, welche das Geschoss aus dem Lauf treibt. Ein großer Nachteil der Metallpatrone mit Randzündung war das unabsichtliche Zünden der Patrone durch versehentliche Stöße. Trotzdem war dieses System weit verbreitet und wird heute noch bei Kleinkaliber-Patronen eingesetzt. Moderne Kleinkaliber-Patronen sind auch sehr sicher und nicht mehr so schlagempfindlich. Die Weiterentwicklung und vor allem die industrielle Massenherstellung der Metallpatrone mit Randzündung erfolgte 1857/58 in den Vereinigten Staaten von Amerika.

Abb.: Stutzen mit Mauser-98-System. Ganzgeschäftete Büchsen waren vor 100 Jahren sehr beliebt.

Mit dem 19. Jahrhundert begann auch eine neue Epoche für die Entwicklung der Jagdwaffen, die durch den industriellen Fortschritt und die Herausbildung der bürgerlichen Gesellschaft wesentlich vorangetrieben wurde. Die gesellschaftlichen Veränderungen in England und Frankreich griffen tief in das Jagdwesen ein. In Deutschland wurden im Revolutionsjahr 1848 die adeligen Jagdprivilegien aufgehoben. Mit der Verknüpfung des Jagdrechts an den Besitzstand kamen jetzt auch bürgerliche Kreise in den Genuss der Jagdausübung.

Die entscheidenden Impulse zur Entwicklung neuer Waffensysteme gingen aber von den Militärwaffen aus. Der industrielle Fortschritt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Konkurrenz zwischen den Waffenfirmen in Europa und den USA sowie die zahlreichen Kriege schlugen sich in immer neuen Waffensystemen nieder. Solche Neuerungen werden im zivilen Sektor oft übernommen und folgen mit zeitlicher Verzögerung. Die Büchsenmacher mussten auf die technischen Veränderungen und die neuen Kundenwünsche reagieren. Durch die Beteiligung bürgerlicher Personen an der Jagd stieg der Bedarf an doppelläufigen Jagdgewehren sprunghaft an, denn die meisten bürgerlichen Jäger hatten keine Dienerschar, die immer ein geladenes Gewehr bereithalten konnte. Sie waren deshalb an Waffen interessiert, mit denen man zumindest 2 Schuss abgeben konnte. Durch moderne Fertigungsmethoden war es jetzt auch möglich, Läufe aus hochwertigem Stahl herzustellen, sodass eine Doppelbüchse des 19. Jahrhunderts leichter war als eine einläufige Vorderladerbüchse vergangener Zeiten.

Mit der Entwicklung von Waffen mit Zylinder-Verschlüssen wurde dann eine neue Etappe in der Waffentechnik eingeleitet. Maßgeblich waren hier die Brüder Mauser. Die Büchsenmacher Gebrüder Wilhelm und Paul Mauser stellten bereits 1863 ein Zündnadelgewehr mit Selbstspannung vor. Diese Konstruktion und eine dazugehörige Einheitspatrone wurden dauernd verbessert, aber sie fanden wenig Beachtung. Nachdem die Gebrüder Mauser 1867 nach Lüttich übergesiedelt waren, erhielten sie von der königlich preußischen Schießschule in Spandau den Auftrag, ihr Zündnadel-System für die Verwendung von Metallpatronen einzurichten.

Das gelang auch: 1872 wurde das Mausergewehr als deutsche Reichswaffe „Modell 1871“ angenommen. Das deutsche Infanteriegewehr von 1871 wurde bis 1875 bei allen deutschen Truppen eingeführt, mit Ausnahme von Bayern, das erst 1877 folgte. Das Gewehr 71 verschoss mit 5 Gramm Schwarzpulver ein 25 Gramm schweres Projektil in einer Metallpatrone im Kaliber 11 x 60 mm R. Der Verschluss wurde durch die Vorwärtsbewegung und das Drehen mit einer Verriegelungswarze geschlossen und verriegelt. Das Schloss wurde beim Öffnen vorgespannt. Das M 71 war ein Einzellader. 1882 kam dann die Weiterentwicklung mit dem M 71/84, das ein Röhrenmagazin nach Kropatschek hatte und damit das erste Repetiergewehr des deutschen Heeres war. In der Folge wurde das M 71/84 durch das Gewehr 88 ersetzt, das kein Röhrenmagazin mehr hatte, sondern ein verbessertes Mannlicher-Magazin mit einem Laderahmen für 5 Patronen. Da die preußische Gewehrprüfungskommission in Spandau bestrebt war, durch das Kombinieren von Einzelkomponenten verschiedener Herkunft das beste Gewehr zu schaffen, trägt es auch den Namen „Kommissionsgewehr“. Das Gewehr 71 und auch der Repetierer 71/84 waren von Paul Mauser konstruiert worden. Das Gewehr 88 ist unter der alleinigen Regie der Gewehrprüfungskommission entstanden, Paul Mauser bzw. die Firma Mauser hatten daran keinen Anteil. Ein großer Erfolg war das Gewehr 88 allerdings nicht, es war mit vielen Fehlern behaftet und wurde sehr schnell durch die bahnbrechende Konstruktion der Gebrüder Mauser, das Gewehr 98, abgelöst.

Die Entwicklung des Gewehrs begann bereits Ende des 19. Jahrhunderts durch Mauser in Oberndorf am Neckar. 1898 wurde die Waffe standardisiert und in das deutsche Heer eingeführt. 10 Jahre später wurde eine neue, kürzere Variante hergestellt: das Modell Mauser Karabiner 98AZ (später K 98a). Dieses Modell überzeugte durch einen hervorragend konstruierten, robusten Drehzylinder-Verschluss mit 2 vorne liegenden Verriegelungswarzen und einer rückwärtigen Sicherheitswarze. Es beeinflusste die nachfolgende Entwicklung der Repetierbüchsen maßgeblich. Vom Mausergewehr Modell 98 führte der Weg zu den verschiedenen Modellen der Repetierbüchsen. Die Mauserwerke in Oberndorf brachten zusammen mit der Berliner Firma Ludwig Löwe & Co. bereits im Jahre 1908 eine Jagdbüchse mit der Modellbezeichnung 98/08 heraus. Die bei Jägern sehr beliebte Büchse wurde in zahlreichen Ausführungen und in Kalibern von 6,5 bis 10,75 Millimeter hergestellt. Sie war der Grundstein für die Entwicklung moderner Jagd-Repetierbüchsen.

Abb.: Auch aus Ferlach kamen Jagd-Repetierer, meist mit dem 98er-System

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KRAUTJUNKER-Kommentar: Dies ist die zweite Hälfte des Kapitels über die Entwicklungsgeschichte des Repetierers. Die Fortsetzung mit dem Schwerpunkt „Die Entwicklung in anderen Ländern“ folgt später.

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Verlagsinformation zum Autor:

Norbert Klups.

Norbert Klups, geboren 1960, besitzt seinen Jagdschein bereits seit 1979. Seit 1984 ist er als freier Mitarbeiter bei verschiedenen Jagd- und Waffenzeitungen für Produkttestberichte aus den Bereichen Waffen, Munition, Messer und Jagdausrüstung tätig. Außerdem ist er Verfasser von 12 Fachbüchern aus dem Bereich Waffen und Munition, Kreisjagdberater und Mitglied des Jägerprüfungsausschusses sowie Schießtrainer für Seminare der RWJ-Akademie.

Deutsches Jagdlexikon: http://www.deutsches-jagd-lexikon.de/index.php?title=Klups,_Norbert

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER existiert eine Facebook-Gruppe.

Titel: Der Repetierer

Autor: Norbert Klups

Verlag: Heel Verlag GmbH

Verlagslink: https://www.heel-verlag.de/Der+Repetierer.htm

ISBN: 978-3958436329

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Mehr von Norbert Klups: https://krautjunker.com/?s=Norbert+Klups

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Heinz Placz sagt:

    Lieber Herr Norbert Klups, ganz liebe Darstellung, nur fehlt mir ein Repetierer, der auf Ihrer Seite erst das Modell 71/84 war. In Österreich, damals ein post-Feindesland, gab es schon ab 1871 ein militärisches Repetiergewehr von der Firma Fruwirth, welches eingeführt wurde. Verzeihen Sie mir, ich weiß, dies ist nur eine Deutsche-Seite.
    mfG
    H:Placz

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