Die Geschichte des Repetierers (2/2)

von Norbert Klups

Die Entwicklung in anderen Ländern
Der schweizerische Erfinder Johann Friederich Vetterli (1822-1882) ging ähnliche Wege wie die Gebrüder Mauser.Im amerikanischen Bürgerkrieg zeigte sich die Überlegenheit der Repetier-Gewehre über die Einzellader. Dies führte dazu, dass der Schweizer Bundesrat die Einführung eines solchen Gewehrs ins Auge fasste. 1869 wurde das Vetterli- Gewehr im Randfeuerkaliber 10,5 Millimeter eingeführt und war damit der erste Repetierer, der von einer europäischen Armee verwendet wurde. Das Verschluss-System von Vetterli war auch das erste, das als Selbstspanner arbeitete. Auch die italienische Armee übernahm das Vetterli- Gewehr.

Abb.: Vetterli-Gewehr; Bildquelle: Wikipedia

In Norwegen war es der Artillerie-Hauptmann Ole Herman Johannes Krag, der in Zusammenarbeit mit dem Vorsteher der staatlichen Waffenfabrik Kongsberg in Norwegen und vor allem seinem Mitarbeiter Erik Jørgensen ein Mehrlade-Gewehr mit Kammerverschluss und Magazin entwickelte. Das Krag-Jørgensen wurde 1889 zunächst von Dänemark als Ordonnanzwaffe eingeführt, 1892 folgten die Vereinigten Staaten, später auch Norwegen selbst. Das Magazin des Krag- Jørgensen liegt nicht unter dem Verschluss, sondern ragt an der rechten Seite heraus. Gefüllt wird es durch eine Klappe. Dies hat den Vorteil, dass Einzelpatronen auch bei verriegeltem Verschluss nachgefüllt werden können. Im Gegensatz dazu ist das bei Mehrladern mit fest eingebautem Kastenmagazin nur bei geöffnetem Verschluss möglich. Der Verschluss-Zylinder des Krag-Jørgensen hatte nur eine Verschlusswarze vorn und ist bei Weitem nicht so robust wie das Mauser-System. Leistungsstarke Laborierungen konnten daraus nicht verschossen werden.
In England war es der 1831 in der schottischen Stadt Harwick geborene James Paris Lee, der mit seinen Erfindungen die Entwicklung der Mehrlader-Repetiergewehre maßgeblich beeinflusste. Zunächst machte er aber in den USA Karriere und arbeitete mit Remington zusammen. Am 4. November 1879 erhielt Lee ein Patent für ein vertikales Kastenmagazin und löste damit das Problem der Patronendetonation in Röhrenmagazinen. Da Remington an den Röhrenmagazinen festhielt, wechselte Lee zu Sharps und arbeitete hier mit Hugo Borchard zusammen. Das Lee-Magazin wurde weiterentwickelt und 1882 patentiert. Als Sharps in Konkurs ging, wechselte Lee zu Remington zurück, wo sein Magazin jetzt verwirklicht wurde. Sein Magazin war revolutionär, praktisch alle existierenden Repetierbüchsen wurden versuchsweise verändert, um es verwenden zu können. Gerüchten zufolge soll die Firma Mauser ein Zimmer über seiner Unterkunft in einem Hotel gegenüber von Remingtons Werk in Ilion gemietet haben, um ein Loch in den Boden zu bohren und seine Arbeit auszuspähen.
1887 wurde das Lee-Gewehr dann auch in die britische Armee eingeführt. Das erste in Großbritannien hergestellte Lee-Gewehr war das Lee Metford Rifle mit einem von William Ellis Metford entwickelten Lauf mit 7 Zügen. Es verschoss eine noch mit Schwarzpulver geladene Randpatrone im Kaliber .303. 1892 kam das verbesserte Modell Mark I und im selben Jahr folgte das Mark II mit einem 10-Schuss-Magazin. Gleichzeitig wurde die Patrone auf rauchloses Cordit-Pulver umgestellt. 1895 wurde auch das Lee Enfield Mark I eingeführt, bei dem der Lauf zur Anpassung an die neue Munition mit tieferen Zügen versehen war. Dieses wurde dann 1902 durch das Short Magazine Lee Enfield Rifle, kurz SMLE Rifle, abgelöst. Es erwarb einen legendären Ruf und wurde selbst im Afghanistan-Krieg noch eingesetzt. Die USA hatten 200.000 Stück aus britischen Beständen übernommen und sie als Waffenhilfe an die Mudschahedin weitergegeben. Umgebaute Lee Enfields werden heute noch häufig als Jagdwaffe eingesetzt.

Die USA gehen andere Wege
Deutlich anders verlief die Entwicklung der Repetier-Gewehre in den USA. Am 6. März 1860 ließ sich der Ingenieur Christopher M. Spencer in Boston einen Mehrlader mit Block-Verschluss und einem für Metallpatronen mit Kupferhülse und Randzündung eingerichteten Kolbenmagazin patentieren, der bald darauf für einzelne Truppenteile des Unionsheeres angenommen wurde. Als Magazin dient eine dünne Stahlblechröhre, an deren Bodenstück eine leicht zusammendrückbare Spiralfeder mit Knopf zum Eindrücken befestigt ist. In der Kolbenkappe befindet sich ein rundes Loch zum Einführen des Magazins in die mit Messingblech ausgefütterte Bohrung im Kolben. Der Handgriff des Magazins wird durch entsprechendes Eingreifen eines Ansatzes gesichert, sodass ein willkürliches Herausfallen des Magazinrohres verhindert wird. Vor jedem Schuss muss jedoch der außenliegende Hahn von Hand gespannt werden.
Ein um 1875 vom Amerikaner Hotchkiß konstruierter Mehrlader verband den Zylinder-Verschluss mit Drehgriff mit einem Kolbenmagazin. Das Magazin wurde aber nicht von hinten, sondern durch den geöffneten Verschluss hindurch mit 5 Patronen gefüllt. Da das Magazin abgesperrt werden konnte, ließ sich die Waffe auch als Einzellader gebrauchen.

Abb.: Colt Paterson Ring-Lever Gewehr; Bildquelle: Wikipedia

Richtig interessant wurde es aber mit der Erfindung der Unterhebel-Repetierer. Der erste serienmäßig hergestellte Unterhebel-Repetierer war das bereits ab 1837 von Colt hergestellte Paterson-Ring-Lever-Perkussionsgewehr. Die Betätigung des vor dem Abzug angebrachten Ladehebels spannte den innenliegenden Hahn und brachte gleichzeitig die Trommel in die nächste Position. Ebenfalls ein Repetierer war bereits der ab 1848 durch die Firma Hunt & Jennings in Vermont hergestellte Volitional Repeater, der hülsenlose Patronen verschoss, sogenannte Rocket Balls. Ähnlich einem Minié-Geschoss waren Rocket Balls hohl, aber der Innenraum war mit Schwarzpulver gefüllt und das Anzündhütchen nicht in die Patrone integriert.
Munitionstechnisch ähnliche Wege beschritt Horace Smith, späterer Partner von Daniel Wesson (Smith & Wesson), der um 1851 das Smith-Jennings-Gewehr konstruierte, das jedoch statt des einfachen Ladehebels zur Betätigung des Verschlusses einen Kniegelenk-Verschlussmechanismus hatte, wie er später auch bei den Henry- und Winchester Gewehren verwendet wurde. Es verschoss ebenfalls eine hülsenlose Munition, bei der die Zünd- und Treibladung direkt im hinten hohlen Geschoss eingepresst war. Da hülsenlose Munition wegen fehlender Liderung im Patronenlager zu Gasverlusten führt und das geringe Volumen im Geschoss nur eine kleine Puverladung erlaubte, waren die Volcanic-Waffen den Vorderladern ballistisch unterlegen.

Abb.: Die USA gingen einen anderen Weg, mit der Henry Rifle begann die große Zeit der Unterhebel-Repetierer

Erst die von Benjamin Tyler Henry entwickelte 44er-Randfeuerpatrone mit Metallhülse und das dafür weiterentwickelte Henry-Gewehr brachten den Durchbruch und konnten sich durchsetzen. Auch wenn die 16-schüssige Henry keine Ordonnanzwaffe der US-Armee war, erwarb die Armeeführung der Nordstaaten über 1700 Henry-Gewehre und viele Unions Soldaten kauften die neue Schnellfeuerwaffe auf eigene Rechnung. Der handliche Karabiner war den meist noch mit Vorderladern bewaffneten Truppen im Amerikanischen Bürgerkrieg haushoch überlegen. Perfektioniert wurde der Unterhebel-Repetierer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Nelson King, der die seitliche Ladeöffnung entwickelte und vor allem John Moses Browning, dessen Verschluss-System nun auch die Verwendung der neuen starken rauchlosen Patronen erlaubte. Von den verschiedenen Modellen der Winchester-Unterhebel-Repetierer wurden bis heute über 7 Millionen Stück hergestellt. Vor der Entwicklung der Selbstladegewehre waren die Unterhebel-Repetierer zusammen mit den Vorderschaft-Repetierern die Gewehre mit der schnellsten Feuerfolge.

Abb.: Colt entschied sich für ein anderes System und war mit dem Vorderschaft- Repetierer Colt Lightning sehr erfolgreich

Die Wege trennen sich
Bis zum Ende des 2. Weltkrieges wurde die Entwicklung der Jagd-Repetierer noch maßgeblich von den Entwicklungen der Militärgewehre beeinflusst. Aus den ausgereiften Militär-Repetierern, wie dem 98er-System, dem amerikanischen Springfield M1903 oder dem Britischen Enfield, wurden Jagd-Repetierer gefertigt, die auch heute noch klaglos ihren Dienst verrichten. Mit dem Aufkommen der Selbstladegewehre verloren dann die Armeen das Interesse an Repetiergewehren und setzten diese Waffen nur noch für spezielle Zwecke ein, etwa als Scharfschützenwaffen. Grundlegend neue Systeme wurden nicht mehr entwickelt.

Abb.: Um die Baulänge zu verkürzen, wurde das System in den Hinterschaft verlegt. Die sogenannten Bullpup-Büchsen gab es mit verschiedenen Systemen, hier eine auf Basis der Heym SR 30.

An diesem Punkt startete die Ära ziviler Entwicklungen. Die aus Militärsystemen gefertigten Jagdwaffen waren zwar robust und funktionssicher, aber die Ansprüche der Jäger wuchsen mit der Zeit – ein Umstand, der auch der fortschreitenden Munitionsentwicklung geschuldet war. Die jetzt aufkommenden leistungsstarken Jagdpatronen verlangten nach entsprechenden Systemen. So entstanden große Magnum-Systeme, etwa von Weatherby oder das lange Mauser-System. Auch die Qualitäts-Ansprüche wuchsen. Militärsysteme waren zwar funktionssicher, aber mit entsprechenden Toleranzen gefertigt, damit sie auch im Dreck der Schützengräben noch funktionierten. Die für Jagdbüchsen gefertigten Mauser-Systeme waren da schon wesentlich besser. Neukonstruktionen, wie etwa der biegemomentfreie Stützklappen-Verschluss von Sauer & Sohn oder der Kurzverschluss mit Teleskopsystem der Mauser Mod. 66, boten jedoch ganz andere Möglichkeiten. Man erkannte schnell die Vorteile eines Einsteckmagazins, der Laufwechsel-Möglichkeit sowie die Sicherheitsvorteile einer Handspannung. Der moderne Jagd-Repetierer entwickelte sich dadurch immer mehr zu einer „Baukastenwaffe“, die der Jäger selbst ohne Büchsenmacher nach Belieben mit anderen Schäften oder Läufen bestücken kann.

Abb.: Es gibt auch Kuriositäten, wie die Verbindung einer Repetierbüchse mit einem Schrotlauf

Den letzten großen Impuls setzte die Firma Blaser mit der R 93, die als Geradezug Repetierer konstruiert war und sich blitzschnell repetieren ließ. Auf diesen Zug sprangen dann andere Firmen, wie Heym, Strasser, Merkel, Lynx, Browning oder Steel Action, auf und konstruierten ebenfalls Repetier-Systeme mit Geradezug-Verschluss. Diese neuen Waffen wurden von großen Teilen der Jägerschaft begeistert angenommen, jedoch gibt es auch heute noch Traditionalisten, die einem handwerklich gefertigten Jagd-Repetierer mit 98er- oder Mannlicher-Schönauer-System mit klassischer Holzschäftung den Vorzug geben. Das ist auch gut so, denn es gibt reichlich Jagdwaffen-Hersteller, die beide Lager bedienen. Entwicklungstechnisch sind wir heute so ziemlich am Ende der Straße angekommen. Bahnbrechende Neukonstruktionen sind kaum noch zu erwarten.

Abb.: Der Mauser- Nachsuchen-Stutzen war eine Spezialwaffe für Hundeführer im Kaliber 9,3 x 62 I

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KRAUTJUNKER-Kommentar: Dies ist die zweite Hälfte des Kapitels über die Entwicklungsgeschichte des Repetierers. Die erste Hälfte ist hier: https://krautjunker.com/2019/12/19/die-geschichte-des-repetierers-1-2/

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Verlagsinformation zum Autor:

Norbert Klups.

Norbert Klups, geboren 1960, besitzt seinen Jagdschein bereits seit 1979. Seit 1984 ist er als freier Mitarbeiter bei verschiedenen Jagd- und Waffenzeitungen für Produkttestberichte aus den Bereichen Waffen, Munition, Messer und Jagdausrüstung tätig. Außerdem ist er Verfasser von 12 Fachbüchern aus dem Bereich Waffen und Munition, Kreisjagdberater und Mitglied des Jägerprüfungsausschusses sowie Schießtrainer für Seminare der RWJ-Akademie.

Deutsches Jagdlexikon: http://www.deutsches-jagd-lexikon.de/index.php?title=Klups,_Norbert

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Anmerkungen

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Titel: Der Repetierer

Autor: Norbert Klups

Verlag: Heel Verlag GmbH

Verlagslink: https://www.heel-verlag.de/Der+Repetierer.htm

ISBN: 978-3958436329

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Mehr von Norbert Klups: https://krautjunker.com/?s=Norbert+Klups

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