Gemeine Gewächse – Das A bis Z der Pflanzen, die morden, verstümmeln, berauschen und uns anderweitig ärgern

Buchvorstellung

„Das ist reine Natur“, beschwor mich meine Mutter, wenn sie mir etwas Ekliges angeblich Gesundes einflößen wollte und wogegen sich alle meine Sinne sträubten. „Das ist Tabak auch – und außerdem lässt er mich erwachsener und männlicher aussehen“, antwortete ich dann immer, aber natürlich war mein Widerstand gegen ihre Fürsorge so zwecklos, wie die Befreiungsversuche einer Fliege im Spinnennetz. Für denjenigen, den Mütter und Gattinnen erst einmal ins Visier ihrer liebevollen Gesundheitspolitik genommen haben, gibt es kein Entrinnen. Selbst Dieter Nuhr muss eine Mütze tragen, wenn seiner Frau kalt ist.

Nicht erst seit dem Unsympath Jean-Jacques Rousseau, gilt die Natur als das verlorene Paradies und Symbol des Guten. Es stimmt schon, Mutter Natur hat uns hervorgebracht und genährt. Sie verfügt jedoch über ein Janusgesicht und wie die böse Stiefmutter in einem Märchen, versucht sie uns regelmäßig umzubringen. Alleine in den USA erleiden jedes Jahr durchschnittlich 70.000 Menschen Pflanzenvergiftungen. Amy Stewart, preisgekrönte Journalistin und Schriftstellerin, die u.a. für die New York Times und das Fine Gardening Magazine schreibt, liebt die Natur, ohne sie für einen Ponyhof zu halten. In Gemeine Gewächse stellt sie hunderte von Pflanzen vor, deren Arsenal an Giften und Dornen Schmerzen oder Vergiftungen bis zum Tode auslösen können. Dies alles unter herrlich reißerischen Kapiteln wie „Das könnte Ihre letzte Zimmerpflanze sein“, Tödliches Nachtmahl“ oder „Rasen des Todes“. Der Masse des Stoffes im Format eines Taschenbuches geschuldet, sind die Textbeiträge kurz, dafür mit liebevollen Horror-Zeichnungen illustruriert und mit Anekdoten ausgeschmückt.

Und was gibt es alles für spannende Gewächse: Im amerikanischen Süden hat Kudzu ganze Gebäude und Autos verschlungen, die Flötenakazie berherbt Armeen von aggressiven Ameisen, die jeden angreifen, der sich dem Baum nähert und die die fleischfressende Nepenthes truncatu kann ganze Mäuse verspeisen. Mir war zwar bekannt, dass Australien die giftigsten Tiere dieses Erdenknödels beheimatet, aber die Australische Brennessel kannte ich noch nicht. Sie erreicht eine Höhe von bis zu zwei Metern und trägt anziehende Trauben roter Früchte, die Himbeeren ähneln. Die Pflanze ist von feinen Brennhärchen überzogen, die an zarten Pfirischpflaum erinnern, aber ein bösartiges Neurotoxin enthalten. Einmal hierüber zu streicheln reicht, um unerträgliche Schmerzen zu erleiden, die bis zu einem Jahr anhalten können. In überlieferten Fällen wurden durch die Schocks Herzinfarkte ausgelöst. Genüßlich beschreibt die Autorin viele weitere Pflanzen, die nicht nur in exotischen Ländern einen harten Tod schenken, sondern einen auch in unseren Breiten quälen und töten können. Zimmerpflanzen, deren ätzender Milchsaft schwere Ausschläge verursacht oder deren Blättchen, zufällig in den Salat gesegelt, ihn zu unserer letzten Mahlzeit machen.

Gemeine Gewächse ist gelungenes Infotainment in Sachen mörderischer Botanik. Eher abzuraten ist die Anschaffung jedoch für Leser, deren Partner womöglich nachtragend und tückisch sind. Das Buch bietet einfach zuviel Inspiration für Folter und Mord.

 

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Anmerkungen

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Gemeine Gewächse

Titel: Gemeine Gewächse – Das A bis Z der Pflanzen, die morden, verstümmeln, berauschen und uns anderweitig ärgern

Autor: Amy Stewart

Übersetzung: Stephan Pauli

Verlag: Piper Taschenbuch

Verlagslink: https://www.piper.de/buecher/gemeine-gewaechse-isbn-978-3-492-31357-5

ISBN: 978-3492313575

 

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