Appetites

Buchvorstellung

Anthony Bourdain war in der Welt der Kulinarik ein Superstar. Als Küchenchef zauberte er zwar in der gehobenen Gastronomie, spielte aber nicht in einer Liga mit den wirklich Großen. Doch der großmäulige und abenteuerlustige Macho war ein äußerst begnadeter Geschichtenerzähler, der weltweit ein großes Publikum unterhielt.

Gleich sein erstes Buch Geständnisse eines Küchenchefs: Was Sie über Restaurants nie wissen wollten machte ihn vor achtzehn Jahren zu einem internationalen Bestsellerautor. Hier erfuhr der Gast, was hinter den Küchentüren passierte. Nur Masochisten, die von einer irrationalen Liebe für die Kochkunst durchglüht waren, bestünden in der rücksichtslosen Welt der gehobenen Restaurantküchen.

Gestaendnisse eines Kuechenchefs von Anthony Bourdain
Die gebundene Ausgabe seines Buches Ein Küchenchef reist um die Welt: Auf der Jagd nach dem vollkommenen Genuss habe ich vermutlich schon ein dutzendmal verschenkt. Nur zum Teil lag es daran, dass ich die Bücher als ungestempelte Remittenden sehr preisgünstig erwerben konnte. Die Textfassung seiner Fernseh-Doku, die auf DMAX unter dem Titel Anthony Bourdain – eine Frage des Geschmacks läuft, ist einfach irre unterhaltsam. Als Leser oder Zuschauer begleitet man Anthony sabbernd oder würgend bei seinen authentischen Annäherungsweisen an die unterschiedlichsten kulinarischen Kulturen dieses Erdenknödels. Der FAZ-Gourmet Jürgen Dollase feierte ihn daher als »den wilden Mann in uns allen«. Das Schlimmste, was Bourdain je gegegessen habe, sei der Anus eines ungewaschenen Warzenschweins gewesen, gestand er Leichthin, und natürlich Chicken McNuggets. Einer seiner typischen Gags zum Niederknien.

Ein Küchenchef reist um die Welt

Seine Liebe zur Völlerei begründete der Ex-Drogen-Junkie mit »Dein Körper ist kein Tempel, sondern ein Vergnügungspark«. Die Frage, wie Models nach einem Besuch in seinem Haus ihre schlanke Linie behielten, nachdem sie in seinem Hausspeisten, antwortete er schulterzuckend, »Keine Ahnung, wahrscheinlich sperren sie sich nach dem Côte du Boeuf eine Woche zu Hause ein und gehen auf Heroin-Diät«.

Heutzutage, wo immer jemand aufheult, wenn Gefühle verletzt werden, sind seine Bücher ein herrlicher Lesegenuss. Von daher nahm ich an, dass er, vor allem in seinem neuesten Job als Weltreisender in Sachen Kulinarik, ein zutiefst glücklicher Mann sein sollte. Ist doch nach Erasmus von Rotterdam die höchste Form des Glücks ein Leben mit einem gewissen Grad an Verrücktheit. Bourdain trat sogar in einer Folge von Die Simpsons auf, was in den USA Promis so viel Ruhm bringt, wie für Helden des antiken Griechenlands die Unsterblichkeit auf dem Olymp.

Anfang Juni diesen Jahres nahm sich »the Elvis of bad boy chefs« mit 61 Jahren auf einer TV-Fresstour im Elsass das Leben, nachdem er lange an Depressionen gelitten hatte. Unfassbar.

Bourdains erstes Kochbuch. So koche ich im Les Halles, eines der Lieblingsbücher des Kulinarik-Kolumnisten Christian Seiler, ist schon lange vergriffen. Aktuell muss man für gebrauchte Exemplare ab 230 € bezahlen. Schön also, dass mit Appetites ein neues und bezahlbares Werk herausgegeben wurde.

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In diesem Buch stellt er nicht die Rezepte vor, die er als Küchenchef servieren ließ, sondern seine eigenen Lieblingsspeisen. Es handelt sich nicht um besonders innovative oder originelle Essen, sondern Leibspeisen. So schreibt er in seiner Einleitung: »Wenn Sie einen Küchengott suchen, der Sie in das gelobte Land der nächsten Kreativitätsstufe bringen soll, dann suchen Sie woanders.« Vielmehr soll alles mit normalen Bordmitteln nachgekocht werden können und Lebenfreude erzeugen.

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An Rezepten findet sich eine bunte Mischung aus us-amerikanischer, italienischer und französischer Klassiker neben einigen Speisen asiatischer Herkunft. Wie nicht anders zu erwarten, ist das Kapitel mit den Desserts das kürzeste. Es umfasst nur zwei Seiten auf denen Käse abgebildet ist., überschrieben mit dem Satz, »Scheiß doch auf Desserts«.

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Wie nicht anders zu erwarten – wir wären ja auch alle ansonsten enttäuscht – ist es keine reine Rezeptsammlung, sondern ein sehr persönliches Buch, geschrieben in seiner kultivierten Sprache, für die wir ihn so schätzen. »Es mag ja lobenswerter Ehrgeiz sein, den besten Risotto der Welt zuzubereiten, doch es ist einen Scheißdreck wert, wenn Ihre Gäste mit knurrendem Magen am Tisch sitzen und sich langsam die Birne zukippen, während Sie eine gefühlte Ewigkeit Reis rühren.« Sehr schön auch, »Egal, was Sie servieren, egal, wie wunderschön es angerichtet oder wie sensationell es garniert ist, wie exotisch im Geschmack oder wie teuer es ist – das, wonach alle geiern, worüber Ihre Gäste scharenweise herfallen werden, und zwar immer, sind diese gottverdammten Würstchen im Speckmantel aus der Tiefkühltruhe.« Das erinnert schon stark an Terry Pratchetts Scheibenwelt, wo man in der Drecksstadt Ankh-Morpork jeden Mist als Streetfood loswird, sofern man ihn mit gebratenen Zwiebeln und Senf bedeckt.

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Zugegeben, sprachlicher Stil und auch das etwas wilde künstlerische Layout werden puristische Feingeister nicht ansprechen. Andererseits: Wer will solche pedantischen Langweiler auch als Gäste an der eigenen Tafel sehen, wenn es gilt das Leben zu feiern?

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Vom Schwierigkeitsgrad bewegt sich alles zwischen simpel und mittelschwer. Wer also die große Weiterentwicklung sucht, wird hier nicht fündig, aber das war ja auch nicht das Ziel Bourdains. Zu jedem größeren Rezept gibt es ein bis zwei schöne Fotos. Wobei einfache Grundrezepte auch ohne Abbildung auskommen. Dafür gibt es dazwischen schöne Stimmungsfotos, welche die Atmosphäre des französisch-italienischen Filmklassikers Das große Fressen verströmen. Nur ohne die Nutten. Kein Wunder, der Mann war zum Schluss Ehemann einer Frau und Vater einer Tochter, die leidenschaftlich Kampfsport betreiben. Da überlegte sich selbst der Autor jeden Macho-Witz zweimal.

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Alles in allem ein Buch mit vielen alltagstauglichen Rezepten. Keine klassische Schönheit, aber für Freunde von Bourdains herbem Humor ein herzerwärmendes Bilderbuch.

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Appetites

 

Titel: Appetites

Autor: Anthony Bourdain

Verlag: Münchner Verlagsgruppe GmbH

Verlagslink: https://www.m-vg.de/riva/shop/article/12743-appetites/

ISBN: 978-3-7423-0209-0

Fotos: © Bobby Fisher

Übersetzung: Barbara Neeb, Katharina Schmidt

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Erste Beiträge aus dem Buch:

https://krautjunker.com/2018/02/10/anthony-bourdains-ossobuco/

https://krautjunker.com/2017/11/04/anthony-bourdains-fasan-mit-brotsauce/

https://krautjunker.com/2017/08/04/sardische-wildspezialitaet-malloreddus-mit-wildschwein-sugo/

https://krautjunker.com/2017/07/16/budae-jjigae-a-la-bourdain/

https://krautjunker.com/2017/06/03/portugiesische-tintenfischsuppe-a-la-bourdain/

https://krautjunker.com/2017/05/30/anthony-bourdains-krustentierfonds/

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