Zippert steigt auf

Buchvorstellung von Oliver Welschar

Ein Buch über die Besteigung der 16 jeweils höchsten Berge der deutschen Bundesländer.

Abb.: Umschlagseite innen vorne

Warum sollte man ein Buch rezensieren, das auf den ersten Blick dubios erscheint?

Denn jeder der schon mal phlegmatisch vor der Glotze klebte kennt diese Sendungen. Die zehn beliebtesten Bahnhöfe der Hessen, die Top Ten der Volksmusik oder die zehn populärsten Karnevalslieder Niederbayerns…. Sendungen, Bücher und Artikel bedienen sich gerne des überschaubaren Spannungsbogen der Liste und in diesem Buch geht es sogar um die Top 16 der deutschen Gipfel. Somit wäre schon mal geklärt, warum das Grundgerüst des Buches verdächtig erscheint.

Abb.: 3 Station: Erbskopf. Das Dach von Rheinland-Pfalz

Und dann noch das Sujet Wandern.

Handball ist zu gefährlich, Skifahren belastet das Gewissen und Squash gibt es nicht mehr. Wer sich also im fortgeschrittenen Alter bewegen möchte oder muss, der wählt gerne das Genre Gehen. Egal ob in Funktionskleidung als Nordic Walker, ob im Glanze der Selbsterkenntnis als Pilger oder einfach als flanierendes Pärchen im Stadtpark. Aber es gibt auch noch das Gehen der Altvorderen, das für mich immer noch in der Zeit der Heinz-Erhardt Filme hängen geblieben ist, das Bergwandern. Diese Form des Gehens soll anscheinend durch dieses Buch gefeiert werden und wäre es also nicht der wohlfeile Wortjongleur und Universalkritiker Hanz Zippert, der ein überschaubar interessantes Thema in das öde Gerüst einer Liste zwängt, wäre dieses Buch durch jedes denkbare Lektürenbeuteraster gefallen und unberührt im Regal verblichen.

Wer aber wie Zippert schon als Schüler sein eigenes Satiremagazin namens „Dreck“ verlegte und im Laufe seiner über 40 Jahre währenden Karriere den ganzen Bogen von der Titanic bis zur FAZ bespielt hat, der hat es verdient gelesen zu werden, auch wenn er eine Liste über das Wandern verfasst. Und ich wurde nicht enttäuscht.

Abb.: 5. Station: Friedhofspark in Bremen. Der wohl anstrengendste Aufstieg seiner Reise

Die Einleitung weckt berechtigte Hoffnungen auf die Details der Reise. Damit die 16 höchsten Berge der 16 Bundeländer überhaupt erklommen werden konnten, war einiges nötig: »Verzicht auf jegliches Training, disziplinloses Essen, eine möglichst oberflächliche Vorbereitung, jeder dritte Handgriff muss sitzen und ich ging immer so lange weiter, bis ich oben war.«

Na, dann kann es ja losgehen.

Neben allseits bekannten Bergen (Zugspitze, Müggelberg, Brocken, etc…) werden auch unbekannte Rekordhügel (Bungsberg, Helpter Berg, Beerberg, etc..) gnadenlos erwandert. Dabei werden alle Berge anhand der gleichen Kriterien abgearbeitet, was zu wunderbaren Momenten führt, in denen es so richtig zippert.

Abb.: 11. Station: Der Brocken in Sachsen-Anhalt. Mit Heines Pistolen auf Goethes Spuren.

Von diesem Vergleich des Unvergleichbaren bezieht das Buch einen Großteil seiner Energie. Alles was dem Wanderer begegnet wird karikiert. Die geplanten und ungeplanten Ziele, Beschilderungen, Essen & Trinken, Mitwanderer und was dem Wanderer en passant begegnen kann, wie zum Beispiel kein Rauhfusskauz.

Abb.: 14. Station: Großer Beerberg in Thüringen. Rostbratwurst im Teufelsbad

Zippert erreicht jedoch noch eine weitere Abstraktionsebene und leitet aus den Gipfeln 16 spezifische Phobien ab, von denen ich hier nur meinen Favoriten, die Zugspitzophobie anführen möchte, welche die Angst beschreibt nach einem zehnstündigen Aufstieg mit einer Schweinsbratwurst in einem Gebetsraum für Moslems zu stehen.

Zwischen Etappe 7 (Bungsberg / Schleswig-Holstein) und Etappe 8 (Helpter Berge / Mecklenburg-Vorpommern) erwartet uns noch eine ein paar Seiten lange wunderbar umfassende Abhandlung über Berge. Ein bisschen Weltgeschichte, ein bisschen private Berggeschichten der Familie Zippert und allerlei feines über Berge. Mein Favorit? Gerhart Polt: »Wirtshäuser von innen, Kirchen von außen und Berge von unten«.

Abb.: 16. Station: Zugspitze. Das ist ja wohl der Gipfel!

Trotzdem kann der geneigte Nachwanderer wirklich sachdienliche Hinweise finden, so dass es sich hier um einen echten Reiseführer handelt. So wird jeder Berg mit einem kleinen Waschzettel versehen, der die wichtigsten Fakten (Höhe, Startpunkt, Streckenverlauf, Streckenlänge, Dauer & Höhendifferenz) und man kann ohne Probleme den Wegen des Autors folgen.

Zippert steigt auf ist ein wunderbar leichtes und ironisches Buch, das bei mir den Wunsch geweckt hat, sofort auf den nächsten Hügel zu klettern, egal wie hoch, bekannt oder wichtig er ist. Hauptsache raus und die Welt unterwegs erkunden, denn »der Gipfel ist nicht immer der Höhepunkt!«

Abb.: Umschlagseite innen hinten

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KRAUTJUNKER-Rezensent Oliver Welschar

Er studierte vor vielen Monden etwas mit Kunst und Natur in Berlin oder wie seine Omma sagte: „Rasenmähen“. Trotzdem bewahrte er sich ein bisschen Verstand. Mittlerweile arbeitet er daran, Menschen auf der ganzen Welt davon zu überzeugen, dass guter Kaffee die Antwort auf alle Fragen ist.

In seiner Brust schlägt jedoch das Herz eines Sammlers: Archäologische Artefakte aus der Erde, Pilze im Wald, seltsame Möbel vom Straßenrand und komische Geschichten mit noch komischeren Menschen. Alles landet irgendwann in seinem Schliemann-Salon, einem magischen Ort, zu dem nur Zugang findet, wer reinen Herzens ist und keine Krawatten trägt.

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Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER existiert eine Facebook-Gruppe.

Titel: Zippert steigt auf

Autor: Hans Zippert

Fotograf: Achim Apell

Verlag: BERGWELTEN

Verlagslink: https://www.bergweltenbuch.com/produkt/zippert-steigt-auf-2/

ISBN: 978-3711200068

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