Saltimbocca vom Hirsch

Rezeptvorstellung von Reiner Grundmann

Abb.: Hjort (schwedisch) – der Hirsch.

Stellen wir uns mal ganz dumm. In Schweden gibt es den Elch, den Hirsch, das Smørrebrød, viel Fisch und Knäckebrot von WASA.

Und sauteuren Alkohol – weswegen der Schwede sein halbes Leben auf Schiffen verbringt.

Normalerweise landet kein Hirsch auf meinem Herd. Außer der KRAUTJUNKER ruft an. Dann kann es um alles gehen oder nichts – dieses Mal aber war der Hirsch gefragt und zwar ein Hirsch-Saltimbocca als schwedisch-italienisches Crossover. Also warf ich mich in meine Kochuniform – T-Shirt, Jeans und Brille – und las mir erst mal das schwedische Rezept durch.

Meine Medaillons vom Hjort – dem schwedischen Hirsch – hatte mein Supermarkt noch vorrätig. Leider war es mir nicht vergönnt, selbst in die schwedischen Wälder zu reisen und dort den Speiseplan mit einem der dort lebenden Geweihträger auszustatten. Das Fleisch-Beschaffungs-Ritual läuft bei mir wesentlich weniger archaisch oder romantisch ab, als so mancher Landadelige vom Schlag eines Krautjunkers sich das ausmalen mag.

Ich lege mir keine Kriegsbemalung an, ich habe nicht Pfeil und Bogen und ich pirsche mich nicht von hinten an, während der Hirsch ahnunlos und unwissend, was ihn ereilen wird, seinen Durst in einem Birkenwäldchen und an einem schwedischen Süßwasser-See stillt. Ich schieße dem stolzen Tier nicht so lange Pfeile in den Leib, bis es sich freiwillig hinlegt und ich reiße ihm nicht das noch warme Herz heraus, um in das noch zuckende Organ – dem Sitz der Seele –  zu beißen und ein bluttriefendes Stück Herz mit den Zähnen zu zerfetzen.

(Anthony Bourdain – mein Lieblingskoch – hat solches durchaus schon getan – ein Seehundherz, während eines kulinarischen Besuchs bei den Inuit.)

Nie vergesse ich die Szene aus „Der mit dem Wolf tanzt“, wo ein junger Sioux das gleiche mit einem Bisonherzen tut, der einzige Film, bei dem ich nicht widerstehen konnte, aus einem Fürther Stadtbus auszusteigen, anstatt weiterzufahren und brav in einer Drive-In-Holzhandlung Bretter, Balken und Paneele zu verkaufen – nebst Schrauben und Nägeln – sondern drei Stunden Fingernägel kauend in einem dunklen Kinotheater zu sitzen. 

Gut. Kehren wir in die profane Realität meiner Küche zurück – schließlich ging es jetzt hier nicht um „Tatanka“ – den Büffel, sondern um einen schwedischen Verwandten des „Hehaka Sapa“ – des Schwarzen Hirschs oder schwarzen Wapiti der Sioux-Indianer.

Aber die Vorstellung – es getan zu haben, das warme Blut gespürt zu haben, das aus dem Hirschherzen pulsierend in meinen Mund troff – beim unromantischen Auspacken der Medaillons aus der Plastikfolie, versetzte mich dann doch weit mehr in Hochstimmung als das pure Auftauen von portionierten Fleischbrocken es vermag.

Die anderen Zutaten waren ebenfalls entweder schon vorrätig oder wurden fluchs besorgt.

Rote Zwiebeln, trockener Weißwein, durchwachsener Schinkenspeck – hauchdünn geschnitten, Butter, Meersalz, Salbeiblätter, Sonnenblumenöl, Kartoffeln für die Gnocchi – überschaubar. Als eigene Zutat ergänzte ich noch etwas Limettensaft.

Zunächst schälte ich eine rote Zwiebel und schnitt sie in hauchdünne Scheiben. Die Butter zerlies ich in einer beschichteten Pfanne und röstete die Zwiebelscheiben etwa 10 Minuten an bis Butter und Zwiebeln glasig und braun waren. Um den Geschmack etwas frischer zu nuancieren goß ich etwas Limettensaft von einer halben Limette an.

Nach den 10 Minuten stellte ich die Zwiebeln zur Seite, goß noch ein wenig Sonnenblumenöl in die Pfanne und gab die vorbereiteten Hirschmedaillons hinein.

Das Rezept sagt, man gebe die Medaillons in Frischhaltefolie und klopfe sie mit einem Rollholz. Da ich beides nicht hatte, schob ich die Medaillons in eine Vakuumierfolie und klopfte sie mit einer leeren Mineralwasserflasche auf 1 cm Stärke.

Die Indianer hätten sie wahrscheinlich zwischen Leder-Patties gelegt zum Klopfen, die Schweden in eine klare Plastiktüte, die von einem VOLVO-Ersatzteil übrig geblieben ist – immer vorausgesetzt sie kochen in der Blockhütte und nicht in Drottningholm*. 

Anschließend wickelte ich das Fleisch in hauchdünnen durchwachsenen Schinkenspeck (…Bacon hat die REWE – Tante gesagt.) und spickte mit Schaschlikspießen frische Salbeiblätter darauf. Einige Salbeiblätter gab ich auch noch in den Buttersud.

In der Pfanne briet ich das Saltimbocca nun von jeder Seite drei bis vier Minuten und löschte mit Weißwein ab. Eine Minute erlaubte ich dem Weißwein und der Salbeibutter noch eine marriage und schmeckte mit Meersalz ab.

Angerichtet wurden die Hirsch-Saltimbocca mit in Butter geschwenkten Gnocchi und mit dem Weißwein-Butter-Sud direkt aus der Pfanne übergossen und mit der Pfanne serviert.

Das Fleisch war butterzart – anders kann ich es nicht sagen – die roten Zwiebeln und der gebratene Speck machten alle zu einer deftigen Delikatesse, die ich gerne und mit Genuss verzehrt habe. Mein Junior sah das auch so – und das ist ja immer der Lakmus-Test, den man als Koch und Vater bestehen muss.

Guten Appetit – Smaklig måltid

*Drottningholm – Sitz des Königs Karl XVI. Gustav und Silvia in Stockholm.

*

Saltimbocca vom Hirsch
Hjort saltimbocca

von Rachel Khoo

Die Jagd gehört in Schweden zur Kultur. Wild ist also wichtiger Bestandteil der Küche. Einige meiner Freunde sind in abgelegenen Gegenden aufgewachsen, wo Wild täglich auf den Tisch kam, Hähnchen dagegen nur zu besonderen Anlässen. Schweden ist über 1500 Kilometer lang und hat nur knapp 10 Millionen Einwohner. Würde man es auf der Landkarte nach unten spiegeln, reichte es bis Rom. Es liegt also besonders in einsamen Gegenden nahe, das zu essen, was vor der Tür zu finden ist, statt 45 Minuten bis zum nächsten Supermarkt zu fahren.

Für 2-4 Personen mit Beilagen / glutenfrei /
Vorbereitung: 5 Minuten / Garzeit: 15 Minuten

4 Hirschmedaillons (à 100 g)
1 EL Butter
3 rote Zwiebeln, geschält und
in dünne Ringe geschnitten
Meersalz
12 frische Salbeiblätter
8 Scheiben durchwachsener Speck
1 EL Rapsöl
125 ml Weißwein

Das Fleisch aus dem Kühlschrank nehmen, damit es Zimmertemperatur annimmt.

In einer Pfanne die Butter erhitzen. Die Zwiebeln mit 1 Prise Salz darin 10-15 Minuten anschwitzen, dann beiseitestellen.

Inzwischen Frischhaltefolie auf ein Schneidebrett legen. Die Hirschmedaillons drauflegen und mit Fischhaltefolie bedecken. Mit einem Rollholz 1 cm dünn klopfen. Auf jedes Medaillon 2 Salbeiblätter legen, dann mit Speckscheiben umwickeln, mit Zahnstochern fixieren.

Eine große Pfanne bei mittlerer Temperatur erhitzen, das Öl h8ineingeben und die Medaillons von jeder Seite 3-4 Minuten darin braten. Etwa 2 Minuten vor Ende der Garzeit mit Weißwein ablöschen, dann noch 1 Minute köcheln lassen. Die Zwiebeln wieder dazugeben und durchwärmen. Das Fleisch auf Teller legen und 2 Minuten ruhen lassen.

Mit dem Sud aus der Pfanne übergießen und mit den Zwiebeln anrichten. Dazu schmecken in Butter geschwenkte Kartoffeln.

Vorbereiten: Das Fleisch am Vortag klopfen und mit Speck umwickeln, fst in Frischhaltefolie verpacken und im Kühlschrank aufbewahren.

*

KRAUTJUNKER-Rezensent und Blogger Reiner Grundmann:
Reiner, geboren 1962 da, wo der Lebkuchen und die Rostbratwust mit Sauerkraut und Brot herkommt. Nürnberg, Mittelfranken in Bayern. Nirgends gibt es eine so hohe Brauereidichte, wie da. In seiner Baby-Milchflasche war trotzdem kein Bier, was er seinerzeit nicht als Verlust empfunden hat. Als ausgewachsener Franke würde er das heute anders sehen. Bevor er für KRAUTJUNKER kochte, war er Protokollführer beim Amtsgericht Fürth und bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg in Jugendstrafsachen und Ehescheidungen, Personalgefreiter bei der Luftwaffe, Holzhändler, Buchautor, Fluglehrer, Pilot für Geschäftsreiseflüge (23 Jahre und 6500 Flugstunden lang), auch Lieferant von Frühstücksbrötchen und Aufsichtspersonal beim 1. Fussballclub Nürnberg.

Abb.: Reiner Grundmann (links) mit Schöneichs Hendrik; Bildquelle: Reiner Grundmann

Geflogen ist er eigentlich überall. Europa, Russland, USA. Wo er hingekommen ist hat er, wie die alten Chinesen – alles probiert und gegessen, was essbar aussah. Und gekocht hat er irgendwie auch schon immer. Am liebsten für schöne Frauen, wenn es denn auch dann oft nur beim Essen und das Schlafzimmer eine verkehrsberuhigte Zone blieb, „fast a su schäi wäi der obere Marktplatz in Laff.
Seine ersten Rezepte stammten aus dem Roman um den Geheimagenten wider Willen Thomas Lieven, alias Jean Leblanc, alias Pierre Hunebelle, Es muss nicht immer Kaviar sein von Johannes Mario Simmel.
Reiners Motto lautet: „Reisender, wenn du nach Franken kommst wisse, dass du nicht mehr in Deutschland bist – aber auch noch nicht in Bayern!“

Besucht Reiners Blog!
https://foodartandcircumstances.wordpress.com/

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Von KRAUTJUNKER existiert eine Facebook-Gruppe.

Titel: Schweden in meiner Küche

Autorin: Rachel Khoo https://www.rachelkhoo.com/

Fotos aus Buch: © David Loftus

Verlag: Dorling Kindersley Verlag GmbH

Verlagslink: https://www.dorlingkindersley.de/buch/rachel-khoo-schweden-in-meiner-kueche-9783831035861

ISBN: 978-3831035861

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Erstes Rezept aus dem Buch: https://krautjunker.com/2019/11/20/schwedische-wildschwein-burritos/

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Fotos der Speisenzubereitung: Reiner Grundmann

Foto des Hirschs: Philipp Pilz on Unsplash

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