Die Entwicklungsgeschichte der Flinte

von Norbert Klups

Der ursprüngliche Begriff „Flinte“ stammt vom Flintenschloss der Büchsen mit Steinschlosszündung und ist vom althochdeutschen Begriff „Flins“ für Steinsplitter hergeleitet. Steinschlosse wurden etwa zwischen 1620 und 1630 in Frankreich entwickelt und nutzten einen an einem Hahn befestigten Feuerstein zur Erzeugung von Funken. Der abschlagende Stein öffnete den Pfannendeckel der Batterie und entzündete das sich darin befindliche Zündkraut, welches dann über eine Bohrung im Lauf die Treibladung entzündete.

Im Grunde genommen waren alle frühen Waffen Flinten, wenn man als Definition für eine Flinte den glatten Waffenlauf heranzieht. Gezogene Läufe kamen erst viel später. Mitte des 19. Jahrhunderts unterschied man zwischen den schweren Infanterieflinten mit glattem Lauf der Linieninfanterie, die den Feind aus großen, geschlossenen Verbänden heraus mit Salvenfeuer bekämpften, sowie den leichten, zivil verwendeten Jagdflinten. Als dann gezogene Läufe aufkamen, wurden damit fast ausschließlich die Scharfschützen der leichten Infanterie ausgestattet, welche den Feind auf große Distanz bekämpften.

Abb.: Mit der Erfindung der Perkussionsschlosse wurden die Flinten wetterunabhängiger

Jagdlich werden Flinten für die Jagd auf Niederwild eingesetzt. In einigen Ländern auch auf Rehwild. Sie dienen dem Schuss auf sich bewegende, relativ kleine Ziele. Der Schrotschuss wirkt bei einer Mindestanzahl von auftreffenden Schrotkörnern durch den Schock, den viele, nahezu gleichzeitig auftreffende Körner auslösen, sofort tödlich, da das Kreislaufsystem zusammenbricht. Durch den Durchmesser der Schrotgarbe, der je nach Distanz bis zu einem Meter beträgt, ist es viel leichter, ein kleines, bewegliches Ziel zu treffen als mit einem Einzelprojektil. Die maximale Schussentfernung liegt allerdings bei höchstens 45 Meter, was die Flinte als Kriegswaffe wenig brauchbar machte. Das Militär lud daher kalibergroße Rundkugeln. Lediglich für Kurzdistanz wurden sogenannte Postenladungen, bestehend aus einem Dutzend kleinerer Kugeln geladen. Der Begriff „Posten“ leitet sich von den Wachposten ab, die diese Ladungen meist verwendeten. Bei Jägern wurden daraus später „Sau-Posten“, weil solche Vorlagen gern zur Jagd auf Schwarzwild im dichten Busch eingesetzt wurden.

Abb.: Die ersten jagdlich brauchbaren Flinten waren mit Steinschlossen ausgestattet


Abb.: Hahndoppelflinte von Miller & Greiss mit Lefaucheux-Verschluss und langem Schlüssel. Jetzt begann die Ära der Hinterladerflinten für Patronen mit Zentralfeuerzündung.

Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, als noch Schwarzpulver benutzt wurde, waren Flintenläufe mehr als 75 Zentimeter lang, um die notwendige Mündungsgeschwindigkeit zu erzielen. Die Zündung der Ladung wurde im 18. Jahrhundert von Steinschloss- auf Perkussionszündung umgestellt. Damit wurden Flinten „wetterfester“, da die Zündhütchen auch mal Regen abkonnten, was bei einer Steinschlossbüchse regelmäßig zu Versagern führte. Der zweite große Vorteil der Perkussionszündung war, dass sich Steinschlosswaffen mit verhältnismäßig geringem Aufwand auf die neue Perkussionszündung umbauen ließen. Anstelle des Zündloches wurde ein hohlgebohrter Nippel, Piston genannt, eingeschraubt und der alte Steinschlosshahn durch einen neuen Hammer mit flacher Schlagfläche ersetzt.

Abb.: Der nächste Entwicklungsschritt waren die Stiftfeuerflinten. Hier war die Nachladezeit wesentlich kürzer als bei den Perkussionswaffen.
Abb.: Die Hinterladerflinten nach Lefaucheux kamen 1832 heraus

Es wurde relativ früh damit begonnen, doppelläufige Flinten herzustellen, um einen zweiten Schuss zur Verfügung zu haben, denn das Nachladen der Vorderladerflinten war eine zeitraubende Angelegenheit. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Entwicklung der Vorderladerflinten ihren Höhepunkt erreicht. Besonders englische Büchsenmacher bauten Jagdflinten, die kaum noch Wünsche offen ließen. Sie waren perfekt ausbalanciert und so gut, dass sich die nächste Entwicklungsstufe verzögerte.

Bereits am 29. September 1812 war dem in Paris ansässigen Schweizer Erfinder Samuel Johannes Pauly das Patent für die Konstruktion eines Hinterladers mit Metallpatrone erteilt worden. Es handelte sich um einen Block-Verschluss, der nach oben schwenkbar war. Die Hähne sind seitlich neben dem Block-Verschluss angeordnet und dienen zum Spannen der Schlösser. Auf Jagdflinten hatte diese Erfindung zunächst keinen großen Einfluss. 1832 wurde es dann interessanter, als der Pariser Büchsenmacher Casimir Lefaucheux die erste Einheitspatrone mit Selbstabdichtung und Zentralzündung konstruierte. Gedacht für seine doppelläufige Schrotflinte mit kippbarem Lauf. Die Patronenhülse war aus Pappe gefertigt und wurde durch einen gepressten Hülsenboden aus Messing gestützt. Im Inneren des Hülsenbodens lag das Zündhütchen. Seitlich aus der Patrone ragte der Zündstift. Schlug der Hahn auf den Zündstift, schlug dieser auf das Zündhütchen und zündete die Ladung. Im Grunde eine bahnbrechende Entwicklung, aber ausgerechnet im Flintenland England nahm man zunächst wenig Notiz davon.

Abb.: Die Lefaucheux- Verschlüsse wurden 1865 vom Scott-Oberhebel auf der Scheibe abgelöst. Hier eine Hahnflinte von Webley & Scott.

Als die Hinterlader mit Stiftfeuer-Patronen 1851 auf der Weltausstellung in London gezeigt wurden, wurden jedoch auch die englischen Büchsenmacher auf sie aufmerksam. Joseph Lang baute eine Stiftfeuerflinte, woraufhin es gar nicht mehr lange dauerte, bis die besten englischen Büchsenmacher darum wetteiferten, wer die beste Hinterladerflinte baut. Die Saat ging auf, denn England war der größte und aufnahmefähigste Markt für hochwertige Flinten. Im bereits stark industrialisierten England gab es genügend „Sportsmänner“, die sich das leisten konnten. Flinten für Lefaucheux-Patronen fanden eine weite Verbreitung, auch wenn sie natürlich wesentlich teurer waren als doppelläufige Perkussionsflinten. Besonders beim Adel dienten sie als Statussymbol und es gab viele prunkvoll aufgemachte Flinten, von denen noch eine Menge bis heute erhalten sind und sich in Museen sowie Sammlungen befinden. Nun begann langsam die Wende hin zu den Hinterlader-Systemen und weg vom Vorderlader, auch wenn diese Waffen anfangs noch verteufelt wurden. Eine Flinte, dessen hinteres Laufende offen war, wurde als suspekt und gefährlich betrachtet. Einem Jäger, der an die solide Festigkeit einer Vorderaderflinte mit fest verschraubter Schwanzschraube gewöhnt war, ein Gewehr schmackhaft zu machen, das sich in geöffnetem Zustand recht wackelig anfühlte, war nicht einfach. Es dauerte einige Zeit, bis sich das änderte. Verschließen konnte man sich dieser Entwicklung aber nicht, dazu waren die Vorteile der Hinterladerflinten zu groß.

Abb.: In Europa verlief die Entwicklung ähnlich. Hier eine typische Suhler Querflinte.
Abb.: In England begann jetzt die große Zeit der Flinten. Hier eine Holland & Holland Royal im Kaliber 10.

Im Jahre 1861 entwickelte Georg Daw eine Patrone, die im Wesentlichen bereits den heutigen modernen Zentralfeuerpatronen entsprach und auf das Patent von Pottet zurückgeht. Diese Zentralfeuerpatrone verdrängte sehr schnell den Vorderlader sowie die Zündstiftgewehre, denn sie war wesentlich handhabungssicherer und leistungsfähiger. Sie wurde durch einen Schlagbolzen gezündet, der das Zündhütchen durch eine Öffnung der Stoßplatte in der Basküle traf. Um 1865 näherte sich dann die kurze, aber bedeutsame Ära der Stiftfeuerflinten dem Ende. Es tauchten viele Patente auf, um Stiftfeuerflinten für Zentralfeuerpatronen abzuändern. Zudem wurden nun zügig neue Systeme entwickelt. Bald standen zahlreiche, gut funktionierende Kipplauf-Verschlüsse  mit unten- oder obenliegendem Hebel zur Verfügung. Anfangs herrschte der Langschlüssel-Verschluss nach Lefaucheux mit großem Öffnungshebel unter dem Vorderschaft vor, aber der war zu unbequem bei der Jagd. Indem man den Hebel um 180 Grad drehte und über den Abzugsbügel legte, entstand schließlich eines der stärksten und langlebigsten Verschluss-Systeme. Der Birminghamer Büchsenmacher Henry Jones ließ ihn sich 1859 patentieren. In Europa wurde er unter dem Namen „englischer Doppel-T-Verschluss“ oder „Exzenter-Verschluss“ übernommen. Es gab auch zahlreiche kuriose Systeme mit zur Seite schwenkbaren oder drehbaren Läufen, durchgesetzt haben sich jedoch fast ausschließlich die Kipplauf-Systeme. Wesentlich sicherer und einfacher zu handhaben wurden die Hahnwaffen durch das 1866 entwickelte Rückspringschloss, bei dem der Hammer nach dem Schuss zurücksprang und es so dem unter Federdruck stehenden Schlagbolzen ermöglichte, hinter die Stoßplatte zurückzuweichen. Das Öffnen und Schließen der Waffen wurde damit wesentlich erleichtert.

Abb.: In den USA verlief die Entwicklung anders. Doppelläufige Kipplaufflinten waren eher selten. Günstige einläufige Flinten wie diese Mossberg-Repetierflinte waren dagegen gefragt.


Abb.: Pumpflinten traten in den USA bald den Siegeszug an. Hier eine frühe Savage.

Erfindungen und Verbesserungen kamen jetzt von allen Seiten. Bei den Stiftfeuerpatronen war es kein Problem, die leeren Hülsen auszuziehen, der Stift stand ja nach oben heraus. Bei den Zentralfeuer-Schrotpatronen ging das nicht, weswegen Auszieher-Systeme entwickelt werden mussten, um die abgefeuerten Hülsen aus den Patronenlagern zu ziehen. Aus praktischen Gesichtspunkten begann nun auch die Entwicklung automatischer Patronenauswerfer. Zunächst, indem beide Läufe einfach geleert wurden. Dies wurde aber bald dahingehend verbessert, dass lediglich abgefeuerte Hülsen ausgeworfen wurden. Wer sucht schon gerne im Gras nach seinen funktionsfähigen Schrotpatronen?

Um die Nachladezeit zu verkürzen, erfand man die selbstspannenden Hahnflinten. Beim Öffnen wurden beide Hähne automatisch gespannt. Diese Waffen hielten sich aber nicht lange, denn als die hahnlosen Selbstspannerflinten aufkamen, waren sie veraltet. 1863 erschien mit dem Purdey-Verschluss eine bequeme und elegante Alternative zum T-Verschluss. In Verbindung mit dem Scott-Hebel auf der Scheibe, der 1865 folgte, hatte man jetzt eine Art „Schnapp-Verschluss“, der beim Schießen der Waffe selbst verriegelte und keine mechanische Drehbewegung von Hand mehr benötigte, wie es beim alten T-Verschluss der Fall war.

…Ende der Leseprobe….

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Verlagsinformation zum Autor Norbert Klups:

Norbert Klups.

Norbert Klups, geboren 1960, besitzt seinen Jagdschein bereits seit 1979. Seit 1984 ist er als freier Mitarbeiter bei verschiedenen Jagd- und Waffenzeitungen für Produkttestberichte aus den Bereichen Waffen, Munition, Messer und Jagdausrüstung tätig. Außerdem ist er Verfasser von 12 Fachbüchern aus dem Bereich Waffen und Munition, Kreisjagdberater und Mitglied des Jägerprüfungsausschusses sowie Schießtrainer für Seminare der RWJ-Akademie.

Deutsches Jagdlexikon: http://www.deutsches-jagd-lexikon.de/index.php?title=Klups,_Norbert

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Anmerkungen

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Titel: Die Flinte: Waffenedition Bd.4

Autor: Norbert Klups

Verlag: HEEL Verlag GmbH

Verlagslink: https://www.heel-verlag.de/die+flinte.htm

ISBN-13 : 978-3958436336

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