Buchvorstellung
„Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst”, heißt es schon bei Schiller. In diesen ernsten Zeiten, ist lebensfrohe und humorvolle Literatur besonders wichtig. Die Stille vor dem Biss ist mir schon durch gute Rezensionen vorher aufgefallen, zugegriffen habe ich dann endgültig, als mir in der KRAUTJUNKER-Facebook-Gruppe Tankred Rinder von https://www.forelleundaesche.com/ den Titel wärmstens ans Herz legte.

In dem Angelbuch Die Stille vor dem Biss liest man gar nicht so viel über das Angeln und die beangelten Fische, vielmehr werden die Menschen beschrieben, die dieser für Aussendstehenden rätselhaften Passion nachgehen.
Da gibt es die verschiedener Anglertypen, vom Upperclass-Fliegenfischer über den etwas aus der Mode gekommenen Allround-Angler bis hin zum Welsangler. »Das ist der Rocker oder eher der Heavy-Metaler unter den Anglern. … Heute gibt es richtige Wallercamps (Waller ist bairisch für Wels), in denen Herrengruppen in zwei Wochen gezielt verwildern, während ihre Köder nonstop auf den Biss eines Wallers warten. Das schier endlose Ringen mit dem Riesenfisch ist die Droge der Welsangler. Ihr Gerät nimmt sich im Vergleich mit dem Gerät der Allroundangler aus wie ein Bagger neben einem Bobby Car, ihre Köderfische sind so groß, das sie anderswo als Sonntagsbraten durchgehen würden.
(…)
Irgendwie macht die Jagd auf die urigen Welse diese Typen auch selbst urig – lange Haare, Augenringe wegen der vielen durchwachten Nächte und dicke Arme vom Fischewuchten. Der Welsangler entfernt sich deswegen zunehmend vom Hauptfeld der Angler und wird ein geheimnisvoller Einzelgänger mit Bart, genau wie sein Zielfisch.«.
Schön beschrieben auch sein Angelfreund Moritz: »Der Moritz ist ein Vollblutjägersammler, gegen den ich mir immer wie ein Stadtmensch in Stöckelschuhen vorkomme.«

Bisher von der Literatur vernachlässigt findet sich in Die Stille vor dem Biss auch eine kleine Typologie des durchschnittlichen Publikums, von den Interessierten zu den Bekloppten.

Selbst die Ausführungen über die einzelnen Ausrüstungsteile – von der Rolle zur Rute bis zum Knoten – sind überaus unterhaltsam. Besonders fesselte mich das Kapitel Im Paradies, in dem er den regelrechten Wahn um japanische Hightech-Ausrüstung beschreibt. Spezial-Ruten teils dünn wie Buntstifte mit einem Gewicht von nur noch wenigen Gramm. Rollen die feinmechanische Wunderwerke sind und für die man schnell mal dreihundert und bis zu tausend Euro ausgeben kann.
Faszinierend die Beschreibung japanischer Kunstköder. So ein schicker Wobbler kostet locker fünfundzwanzig Euro oder gern auch mal das doppelte. Es gibt dabei wunderschöne kleine Kunstwerke. Sie sind mehrfach lackiert und verfügen über Gelenke, welche die Bewegungen zappelnder Beutefische imitieren. Teilweise erzeugen sie durch mechanische Teile unter Wasser Geräusche, welche Raubfischen die Sinne vibrieren lassen. Vielen Petrijüngern sind diese Kunstköder schon zu kostbar, um sie der Gefahr von missing in action auszusetzen, so dass sie oft gleich in die Vitrine wandern.

Scharnigg vertritt die Auffassung, dass Angeln die Freizeitbeschäftigung mit dem höchsten Materialaufwand ist. Natürlich kosten ein Sportwagen oder gar eine Yacht mehr, aber gegenüber der unglaublichen Menge an unterschiedlichen Kleinteilen, sind diese Passionen der reinste Minimalismus. Mittlerweile ist es so, dass es für jeden Fisch und jede Angelart absolut spezialisierte Spezialausrüstung gibt, denn welcher Mann wäre nicht gern ein spezieller Spezialspezialist? Und dies natürlich in jeder Preisklasse von unterschiedlichen Anbietern.

Auch wenn die meisten Teile sehr klein sind, läuft man schnell Gefahr einen eigenen Raum alleine für die Ausrüstung zu benötigen. Scharnigg besitzt etwa zweihundert Wobbler, verteilt auf zwanzig Kisten. Nimmt er die zum Spinnangeln mit? Nein, das wäre logistisch kaum möglich. Es sind eigentlich immer die gleichen zehn, die dabei sind. Aber es ist ungemein beruhigend, im Notfall auf das gesamte Arsenal zurückgreifen zu können. Und davon abgesehen ist es einfach schön, sie zu besitzen, anzuschauen und zärtlich in die Hand zu nehmen.

Max Scharniggs Angelleidenschaft begann, als er die ersten Male seinen Vater bei seinen zumeist erfolglosen Angelausflügen begleitete. Aus den gemeinsamen Erlebnisse bildeten sich wichtige biographischen Meilensteinen, selbst wenn die Fänge meist nicht der Rede wert waren. Man muss nicht viel sprechen, wenn man gemeinsam angelt, doch man ist einträchtig zusammen und hat immer etwas zu erzählen, während man an einem Strang zieht.

Vor allem ist Die Stille vor dem Biss ein Buch über den Zauber des Draußenseins, losgelöst von den Zwängen des immer optimierteren Drinnenseins samt Nonstop-Digitalisierung. Wobei die unter Nichtanglern verbreitete Vorstellung des lässigen Abhängens vollkommen abstrus ist.

»„Kannste schön abschalten, gell?“ Auch so ein Satz, den ich oft vor die Ohren geklatscht bekomme. Klar, Angeln ist ein anderes Wort für Faulenzen, das hat sich so im Volkshirn verankert. Dieses Klischee ist nicht richtig, aber es steckt auch eine Wahrheit darin, wie in vielen Klischees. Ich versuche das mal aufzudröseln.
Ein Angler schaltet nicht ab, er schaltet um. Er angelt. Es ist ein Irrtum, das mit Nichtstun gleichzusetzen und in der Zeit, bis der Fisch beißt, einen leicht skandalösen Leerlauf zu sehen, den der Angler dankbar mit Biertrinken und einem Nickerchen überbrückt. In einer Gesellschaft, in der Tage, Jahre und sogar Wochenenden einer strengen Zeitökonomie unterliegen, mutet dieses Herumsitzen am Wasser verdächtig an. Wenn die Hinklatscher mir nicht glauben, dass ich meistens erst nach zwei Stunden im Boot überhaupt mal dazu komme, einen Schluck Kaffee zu trinken, dass ich niemals ein Buch zum Angeln mitnehmen würde oder gar, wie manche denken, ein Manuskript zum Redigieren, oder einen Laptop zum Schreiben, biete ich ihnen an, sie mal mitzunehmen. Wobei das keine so gute Idee ist, (ist auch noch nie einer deshalb mitgekommen), denn nur der Angler, nicht der Beisitzer, erlebt das, was beim Angeln die meiste Zeit in Anspruch nimmt. Es ist etwas ziemlich Modernes und gar nicht sehr besinnlich, es ist die Optimierung.
Jeder Angeltag ist ein Projekt. Man checkt die Ressourcen und bereitet die Hardware vor, lässt also das Boot ins Wasser, montiert die Ruten, knüpft die Montagen und System, schleudert den Anker und lotet die Tiefen aus, alles nach einem Plan, den man sich vorher überlegt hat. Dann folgt der Praxistext dieser Ideen. Läuft der Blinker in der richtigen Tiefe, ist die Stelle am Schilf wirklich der beste Platz…
(…)
Angeln ist fortwährendes Zweifeln, ständiges Fragmentieren der Strategie, zwanghafte Optimierung – und deshalb eigentlich eine sehr zeitgemäße Passion. Simpel gesagt: Solang nichts beißt, macht man was falsch. Auch wenn er äußerlich ruhig ist, innerlich tobt im Angler die Unruhe. Es ist eine schöne, wichtige Unruhe, denn sie ist nicht belastend.
(…)
Man ist allein, weg von allem, hört ein paar Stunden nur echte Geräusche und ist versunken in sein kleines Herumwursteln. Es ist die größte Reise, die man an einem halben Tag unternehmen kann.«

»Angler erkennt man daran, dass sie über keine Brücke gehen können, ohne nicht wenigstens eine Minute andächtig in das Wasser unter ihnen zu blicken.«
Auch wenn man selbst kein Angler ist und niemals einer werden will, nach der Lektüre dieses schnell und einfach zu lesenden Buches sieht man die Welt unter der Wasseroberfläche mit anderen Augen und versteht die Faszination, welche sie auf Angler ausübt.
Im Angel-Magazin Fisch & Fang stand eine von Harry Potter inspirierte Formulierung, die ich gerne als Resümee nehme:
»Für ihn sind Nichtangler „Muggels“, Menschen ohne magische Fähigkeiten, die noch keine Ahnung von der verzauberten Welt unter Wasser haben. Ein tolles Buch auch für Nichtangler, die bereits spüren, dass es mehr als nur ihre Welt geben muss.«
*
Pressestimmen
Nicht-Angler werden auch nach der Buchlektüre ungläubig mit den Schultern zucken. Angler dagegen jubilieren: Hier schreibt einer von ihnen für sie.
Xaver, 01.04.2015
Max Scharnigg geht vielen Fragen des Angelns nach und versucht in seiner eigenen Anglerbiografie die Gründe für die rätselhaften Verhalten zu finden.
Sz, 22.05.2015
Angeln ist und bleibt eben „eine rätselhafte Passion“, und das stellt Max Scharnigg meisterhaft dar.
Fisch & Fang, 08.07.2015
Ein lehr- sowie anekdotenreiches Sachbuch.
WDR 4, 27.06.2015
[…] da Max Scharnigg […] sehr gut erzählen kann, werden […] Leser mit gepackt von der Angelleidenschaft des Autors, dass es eine […] Freude ist.
Frank Keil Männerwege, August 2015
Der Autor schreibt sehr humorvoll und gelassen. Die Stille vor dem Biss ist ein tolles Buch.
Jana Stahl Rhein-Neckar Zeitung, 30.07.2016
Scharnigg gibt dem Thema so viel Tiefe, dass es am Ende ein Buch über das gute Leben geworden ist.
Huffington Post Online, 29.07.2018
*
Autorenvorstellung des Verlages:

Max Scharnigg wurde 1980 in München geboren und arbeitet als Journalist für diverse Magazine. 2010 erschien sein Romandebüt Die Besteigung der Eiger-Nordwand unter einer Treppe, das mit dem Münchner Literaturstipendium gefördert und mit dem Bayerischen Kunstförderpreis sowie dem Mara-Cassens-Preis ausgezeichnet wurde. Sein zweiter Roman Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau erschien 2013. Die Experimente mit der Selbstversorgung fanden ihre Aufarbeitung in den Büchern Feldversuch (2012) und der großen Angelphilosophie Die Stille vor dem Biss (2015, Atlantik Verlag). Seit 2014 ist er Redakteur der Süddeutschen Zeitung am Wochenende.
www.scharnigg.de
http://scharnigg.dehttps://www.facebook.com/max.scharnigg
*
Anmerkungen

Von KRAUTJUNKER gibt es nicht nur eine Facebook-Gruppe, sondern jetzt auch Outdoor-Becher aus Emaille. Kontaktmail für Anfragen siehe Impressum.

Titel: Die Stille vor dem Biss: Angeln. Eine rätselhafte Passion
Autor: Max Scharnigg
Verlag: Hoffmann und Campe Verlag
Verlagslink: https://www.hoffmann-und-campe.de/buch-info/die-stille-vor-dem-biss-buch-14777/ & https://www.hoffmann-und-campe.de/buch-info/die-stille-vor-dem-biss-buch-7398/
ISBN: 978-3-455-01154-8
Ein Kommentar Gib deinen ab