In Max Scharniggs Buch Die Stille vor dem Biss heißt es über Karpfenangler, »Der Karpfenangler ist eine hochspezialisierte Unterart des gemeinen Anglers. Er hat als Erster mit dem richtigen Nerdkram angefangen. Schon in den achtziger Jahren gab es ganze Ausrüstungskataloge nur für ihn, und er gründete eigene Neigungsgruppen für Menschen mit Karpfen-Handicap. Er ist, wenn er es ernst meint, nur selten zu Hause anzutreffen, denn lange Ansitze am Wasser sind die Grundlage seines Erfolgs. Deswegen kennt er sich ausgezeichnet mit Camping aus, hat Zelt, Schlafsack und alles andere in Tarnfarben und braucht für seine Ausrüstung eine spezielle Lastkarre, die es natürlich auch zu kaufen gibt. Er ist ein Materialfetischist und wahrscheinlich derjenige, der am meisten Geld für seine Passion lässt.«

So beindruckend Karpfen aussehen und so starke Kämpfer sie sind, kulinarisch kann heute kaum einer etwas mit ihnen anfangen, denn ihr Filet gilt als von wabbeliger Konsistenz mit moderigem Aroma. Daher werden viele Karpfen, obwohl Catch and Release in Deutschland verboten ist, wieder zurückgesetzt.
»Seine Rekordfische setzt der Karpfenangler schonend zurück, nachdem er sie vermessen, gewogen und fotografiert hat. Es gibt eine Reihe von Hilfsmitteln, die dem Fisch den kurzen Landgang so erträglich wie möglich machen sollen, dazu gehören mittelgroße Planschbecken und auch mal Wundheilspray für kleinere Verletzungen.«

Es freut mich, nach Mit Zirbenholz gegrillter Karpfen von Tom Heinzle ein neues wunderbares Karpfen-Rezept präsentieren zu können, damit die Karpfenangler auch einen kulinarischen Gegenwert für ihre Materialschlachten erhalten.
Christoph Schwennicke schreibt in Das Glück am Haken über den Karpfen, »Leicht unterschätzt hat man den Karpfen als solchen. So ein Karpfen ist ein Bonivant, der nie ohne Not auch nur eine Bewegung zu viel macht. Ein Genießer des Lebens und ein Freund des gepflegten und gehaltvollen Mahls und einer anschließenden Mittagsruhe. Es macht regelrecht neidisch, wenn man eine Schule dieser Tiere in der Sommersonne kurz unter der Wasseroberfläche stehen sieht, die Rückenflosse wie ein kleines Segel außerhalb des Wassers aufgespannt. So sonnen sie sich in aufreizender Gemütlichkeit. Auch beim Fressen verfällt der Karpfen nicht in Hektik. Genüsslich schlürft er mit lautem Schmatzen Brotflocken von der Oberfläche oder saugt wie ein Staubsauger die Maiskörner vom Seegrund in seinen Schlund.
Ohne ihm Unrecht zu tun, darf der Karpfen der „Big Lebowski“ des Tümpels genannt werden. Genau wie der „Dude“ im gleichnamigen Hollywood-Film ernährt sich der Karpfen zu fett und vor allem kohlenhydratreich, Montignac würde sich mit Grausen abwenden. Von Trennkost keine Spur. Er ist untrainiert, hasst hastige Bewegungen – bis zu jenem Moment, in dem er sie braucht.
Hat er nämlich genau ein Maiskorn zu viel eingeschlürft oder eine dieser Protein Bomben, mit denen der Hightech-Carp-Angler zu Werke geht, dann entfaltet der Karpfen eine schiere Kraft, deren Zielstrebigkeit bewundernswert ist. Ich bin schon einmal bis zum Hals ins Wasser gestiefelt, hinter einem Karpfen her, der sich in eine überhängende Weide flüchten wollte, und der sich nach mehreren vereitelten Fluchtversuchen an der Waage als Tier von satten 27 Pfund herausstellte.
Dabei kommt dem Karpfen neben seiner Kraft, die sein vermeintlich wabbeliger Körper mobilisiert, seine Wasserverdrängung zugute. Das massige, meist hochrückige und breite Tier muss sich nur quer zur zerrenden Schnur stellen, und schon haben wir ein echtes Problem.
Entscheidend aber ist sein Charakter. Der Karpfen kommt bekanntlich aus dem alten China, und der Chinese ist ein Stoiker. Stoisch verhält sich also auch der Karpfen am Haken. Er zieht und zieht und zieht. Er lässt kaum nach und gibt nicht auf.«

Karpfen vom Grill
Rezeptvorstellung von Ronald Hartmann
Der erste Lockdown im Frühjahr 2020 bescherte mir beruflich eine Zwangspause. Obwohl es eigentlich noch fast zu kalt fürs Karpfenangeln war, habe ich das Beste daraus gemacht und die Zeit für meine Passion genutzt. Es ist allemal besser unter freiem Himmel wenigstens den Versuch zu wagen, Beute zu machen, als auf dem Sofa zu sitzen und sich berieseln zu lassen.
Ab Mittag war ich am Teich. Lange tat sich nichts, nur ab und dann ein Schnurschwimmer. Nach sechs Stunden ertönte endlich ein langgezogenes Gepiepse vom Bissanzüger und die Schnur flog von der Spule. Es war kein harter Drill, vermutlich war der Karpfen im kalten Wasser noch nicht auf Betriebstemperatur. Immerhin maß der Cyprinide 72 cm. Ich habe ihn ausgenommen, vakuumiert und eingefroren, um ihn im September auf den Grill zu legen.
Den Fisch entschuppen und mehrmals quer einschneiden.
Meine Marinade rühre ich in etwa wie folgt an:
(Der letzte Karpfen hatte 72cm. Da habe ich die doppelte Menge angerührt)
2 EL Olivenöl
2 EL Orangensaft
Saft einer Zitrone
Pfeffer aus der Mühle
ordentlich Meersalz mit Hibiskusblüten (daher die rötliche Färbung)
8-Kräuter-Mix aus der Kühltruhe (ideal: die große Tüte aus der METRO)
etwas Knoblauchgranulat
etwas Kreuzkümmel

Das Ganze gut verrühren und den Karpfen damit innen und außen gut einreiben und im Kühlschrank ein paar Stunden marinieren lassen.
Dann geht´s zum Grillen!

Auf eine Seite meines BBQ-Grills kommen die Holzkohlebriketts (Ich nehme grundsätzlich Weber-Briketts dafür, weil die schön lange die Glut halten).
Auf die andere Seite stelle ich den Fisch, mit einem eingesteckten Funk-Grillthermometer, auf die offenen Bauchlappen (so musst Du den Karpfen nicht drehen), auf ein kleines Backblech mit Backpapier.
So gare ich, im geschlossenen Grill, mit indirekter Hitze bei ca. 120-125°C, bis der Fisch 63°C Kerntemperatur erreicht hat (das kann schon mal 45-60 Minuten dauern).
Dabei gebe ich schon regelmäßig Räucherspäne auf die Glut (diesmal hatte ich keine Buche sondern Kirschholzspäne. Das war richtig gut.)

Dann kannst Du den Fisch bei ca. 80°C noch 15-30 Minuten weiter räuchern lassen, bis Essenszeit ist.

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Ronald Hartmann

Ronald Hartmann, 1969 geboren im thüringischen Nordhausen, ist selbstständig als DJ Ronny für Familien- und Betriebsfeiern. Anlässlich seines 50. Geburtstages erhielt er seine erste Angelrute sowie den Lehrgang für den Fischereischein geschenkt. Kurz darauf begann der Kurs und Ende April 2019 bestand er die Prüfung. Zuerst galt seine Passion Hechten, später entdeckte er seine Liebe zum Ansitzangeln auf Karpfen.
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Anmerkungen

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